Was ist das? Eine sehr schlaue Marketing-Strategie? Oder die Rückkehr einer Kunst, der es um Lobpreis und die Herrlichkeit des Höchsten geht?

 Das neue Album des amerikanischen Rappers, Sängers, Produzenten und Unternehmers Kanye West geht zurzeit durch alle Medien – katholische inklusive. Nicht für an Blasphemie grenzende Rap-Zeilen à la „I am a God“ (vom Album „Yeezus“, 2013), sondern mit Songs wie „Water“, in dem es an einer Stelle heißt:

Jesus, flow through us / Jesus, heal the bruises / Jesus, clean the music / Jesus, please use us / Jesus, please help / Jesus, please heal / Jesus, please forgive / Jesus, please reveal.

Angesichts des Hypes um Wests Album und seine Sunday Services herrscht auch Skepsis. Ist Kanye West schon so weit oben angekommen, dass ihm nur mehr eine Bekehrung gefehlt hat, um ihm - einem marketingtechnisch hochgenialen Gestaltwandler - den Platz im Olymp der Provokateure für immer und ewig zu sichern?

Wie authentisch sind Zeilen im ersten Album wie ‚God show me the way because the Devil's tryin' to break me down’ und ‚I want to talk to God, but I'm afraid because we ain't spoke in so long, so long’ in „Jesus Walks“ von 2004? Wo in einem späteren Album, dessen Coverbild auf Youtube verpixelt gezeigt wird und das stimmigerweise My Beautiful Dark Twisted Fantasy (2010) betitelt ist, solche Songtexte zu finden sind:

I need more drinks and less lights / And that American Apparel girl in just tights / She told the director she tryna get in a school / He said, ‚Take them glasses off and get in the pool’ / It's been a while since I watched the tube. 

Songinhalte zu Sünde, Erlösung und Gottergebenheit sind für jedoch keine flagrante Neuentdeckung, sondern waren bei ihm von Anfang und seither immer wieder dabei. Sie stecken in seinem allerersten Album The College Dropout (2004) und besonders offensichtlich in dem Album Yeezus – eine Anspielung auf den Gottessohn und auf Kanye - von 2013. Auf seiner Yeezus-Tour ließ Kanye West eine Prozession mit Fatima-Statue über die Bühne wandern. Bei seinem Auftritt in Seattle 2013 baute er einen geschauspielerten Dialog mit einem Jesus-Darsteller in die Show ein und fragte den weißgekleideten Mann: „Bist es wirklich du?“ Darauf der Schauspieler: „Ich war die ganze Zeit hier. Ich bin nicht gekommen, damit schlechte Menschen sich gut fühlen. Ich bin gekommen, um tote Menschen zum Leben zu bringen; um den Menschen das Licht zu zeigen.“ Woraufhin die Konzert-Menge jubelte, auf "YouTube" zu sehen.

Vergleicht man die beiden Alben Yeezus von 2013 und „Jesus Is King“ von 2019 mit den jeweils dazugehörigen Touren, so fällt eines auf: der Schauspieler und die reine Referenz zu Transzendentem sind verschwunden. Aus einem Stilmittel ist ein personales Gegenüber geworden, dem der erste Platz zugestanden wird: ‚Every knee shall bow / Every tongue confess / Jesus is Lord’ (‚Jesus is Lord’, Jesus Is King 2019).

Schwierig und reizvoll zugleich ist diese öffentliche Bekehrung, da Marke und Person sich im Fall von Kanye West nicht auseinanderdividieren lassen. Anzügliche Musikvideos, Ehediskussionen vor einem Millionenpublikum (Keeping Up with the Kardashians), tiefsinnige Interview-Antworten und polemische Tweets – neuerdings auch gegen Abtreibung – sind alle Bestandteil derselben öffentlichen Persona. Ein Innenleben, das sich restlos veröffentlicht, das mit Social Media Followern und mit Verkaufszahlen in Verbindung gebracht wird, ruft einerseits Misstrauen hervor - und berührt zugleich. Aus dem Song ‚God Is’, der alles Gute dem Höchsten zuschreibt, dringt eine raue Emotion, die einen mitzieht. Möglicherweise beantworten die letzten Songzeilen die Frage der Authentizität dieses Albums von selbst:

„All the demons, let’em know / This a mission, not a show / This is my eternal soul / This my kids, this the crib / This my wife, this my life / This my God-given right / Thank You, Jesus, won the fight.“

Ihm ist zu wünschen, dass sein weiterer Werdegang ihn noch tiefer in die Gottesbeziehung hineinführt. In der Zwischenzeit können Christen jeder Konfession ihm zugute halten, dass der Name des Gottessohnes vor laufenden Talkshow-Kameras unverstellt und frei von verschämt-ironischem Abschwächen in den Mund genommen wurde und hoffentlich auch weiterhin werden wird.

Die Autorin Elisabeth Dóczy ist Sprecherin des Mediennetzwerks Initiative Pontifex, deren nächster Podcast "Quasimodo" des Themas Kanye West annimmt.

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