Die Große saß letztens am Maltisch und fing eine Unterhaltung an: Mama, im Kindergarten geht es auf Karneval zu. Ja, das stimmt, woran merkst du das denn? fragte ich zurück. Sie erzählte mir vom Karnevals-Partyraum, sang mir einige Lieder vor und berichtete von bunten Bastelaktionen.

Keine Frage, hier im Rheinland befinden wir uns mitten in der sogenannten 5. Jahreszeit. Die Mädchen wachsen mit diesem Brauchtum auf, tanzen im Kindertanzcorps einer Karnevalsgesellschaft im Ort, gehen beim Karnevalsumzug mit, werfen Kamelle (Süßigkeiten) und rufen Alaaf (Ausruf zu Karneval in Köln). Um Karneval in den Jahresfestkreis einordnen zu können, wollen die Kinder wissen welche Feste davor und danach gefeiert werden. Erst Weihnachten, dann Karneval, dann Ostern...Moment, was kommt dazwischen? 40 Tage Fastenzeit?

Mama, was heißt Fasten?

Ich versuche es über verzichten zu erklären, doch auch der Begriff ist beiden fremd. Also versuche ich es mit vermissen und erkläre dann auch verzichten, denn erst wenn man etwas vermisst, dann weiß man was Verzicht bedeutet...und beiden dämmert es langsam: Sie sollen etwas aufgeben, was ihnen lieb und teuer ist.

Die Große hat das Prinzip schnell begriffen und schlägt etwas vor, auf dass sie verzichten könnte, dass auf den ersten Blick ein guter Vorschlag scheint, aber ihr eigentlich nicht viel wert ist: Kekse. Kekse seien ja nicht allgemein Süßigkeiten, daher könne sie dann ja noch viel essen und würde eben speziell auf Kekse verzichten. Clever!

Die Mittlere ist noch nicht so taktisch begabt und schlägt ihre Lieblingsserie vor, die sie 40 Tage nicht schauen will. Das wird hart, vor allem, als sie realisiert, dass sie die Serie dann nicht schauen darf, ihre Schwester aber schon. Jetzt ist also ein Wettstreit darüber entbrannt, wer die besten Vorschläge macht und am besten auf etwas verzichten kann. Irgendwann wird es albern und es kommen Vorschläge wie „Blumen essen“ oder „Aufräumen“, also unterbreche ich die beiden und versuche doch noch einmal tiefer in die Thematik einzusteigen.

Doch bevor wir weiter überlegen können, fragt die Große, warum wir überhaupt fasten sollen. Gute Frage! Also hole ich unsere Kinderbibel heraus und wir lesen die Geschichte von Jesus, der 40 Tage in der Wüste war. Dann überlegen wir, warum wir vor dem Essen beten: Aus Dankbarkeit für das, was wir haben und weil wir auch daran denken wollen, dass es Menschen gibt, die es nicht so gut haben wie wir.

Beide Mädchen können sich nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die jeden Tag dasselbe essen und davon nicht einmal genug haben. Doch Fasten hat ja noch eine andere Dimension, als das Bewusstsein der Wohlstandsgesellschaft zu schärfen.

Fasten ist auch immer ein Rückzug in die eigene Körpermitte, eine Möglichkeit mit Gott ins Gespräch zu kommen, ohne Ablenkung, erkläre ich den beiden. Die Große weiß was ich meine und erklärt, dass das so ist, wie wenn sie die Musik ausmacht und in der Kuschelecke ein Buch liest, ohne dass sie etwas anderes hört. Also muss man sich nicht selbst kasteien, um zu fasten, sondern es geht um Besinnung.

Nun überlegen wir, dass wir uns etwas Schönes vornehmen in der Fastenzeit, nämlich jeden Tag gemeinsam eine Geschichte in der Kuschelecke lesen, ohne etwas anderes um uns herum zu hören. Natürlich wollen wir neben der Besinnung auch den Verzicht üben und einigen uns dann tatsächlich darauf, dass beide Mädchen auf ihre Lieblingsserie verzichten. Unsere Töchter freuen sich jetzt auf die Fastenzeit und sind gespannt, ob sie es schaffen, 40 Tage ihre Serie nicht zu schauen.

Und wer genau aufgepasst hat, der stellt fest, dass zwischen Aschermittwoch und Karsamstag mehr als 40 Tage liegen. Das liegt daran, dass jeder Sonntag „ein kleines Osterfest“ ist, wie unser Heimatpfarrer immer zu sagen pflegte und daher nicht mitgezählt wird. Ein kleiner Lichtblick für alle, denen das Fasten schwer fällt. Vielleicht ist es aber auch Anregung genug für einige, sich dessen bewusst zu machen, dass innere Einkehr und der Dialog mit Gott nicht nur über den Verzicht statt finden, sondern eben auch über jene bewussten Momente in unserem Alltag, in dem wir Dinge tun, die uns und anderen gut tun. Vielleicht brauchen auch Haushalte ohne Kinder eine Kuschelecke, in der man nichts sieht, nichts hört und einfach nur Lesen kann.

Bis dahin rufe ich aber allen Lesern und Leserinnen ein „ Kölle Alaaf“ aus dem Rheinland zu! Denn zum Fasten gehört auch das Feiern davor und das „können die Katholiken gut“, was auch immer unser Heimatpfarrer betonte.

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