Durchaus selbstbewusst und mit einer geostrategischen Vision reist Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin nach Moskau. Nicht als Bittsteller, um bei der russischen Orthodoxie als auch im Kreml die Beendigung einer Eiszeit in den Beziehungen zu Rom zu erwirken, wie sie 2000, zu Beginn der Ära Putin, herrschte, als sich das Moskauer Patriarchat außerordentlich Katholiken-feindlich verhielt. Und er kommt auch nicht als diplomatische Feuerwehr, um – zum Beispiel für die ukrainischen Katholiken – die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Nein, er tritt auf als über den Parteien stehender global player auf dem internationalen Parkett, als Vermittler und Brückenbauer, der Russland und den Westen einander näher bringen will, um die Krisen der Welt besser in den Griff zu bekommen.

Es fällt auf, dass Parolin in zahlreichen Interviews seine Russland-Reise besonders herausgestellt hat. Auch im italienischen Staatsfernsehen "RAI" gab er dazu Statements ab. Man hat den Eindruck, dass der Staatssekretär deutlich machen will, dass er es ist, der die Außenpolitik des Heiligen Stuhls gestaltet. Hinter den heiligen Mauern atmen deswegen viele auf. Der "Fall Maduro" war und ist für den Vatikan und die außenpolitische Linie von Franziskus eine reine Katastrophe.

Der lateinamerikanische Papst, der es liebt, Waffenhändler, Kapitalismus, die Spekulationen der Finanzmärkte und eine Wirtschaft zu geißeln, "die tötet", hätte jetzt in Venezuela ein Regime, das tötet. Dank seiner Bodenschätze und Rohstoffe könnte das Land die Schweiz Lateinamerikas sein, aber es herrschen Elend und Unterdrückung. Bergoglio, der, wenn er politische Sympathiekärtchen verteilen könnte, diese eher der lateinamerikanischen Linken eines Evo Morales, Nicolás Maduro oder Raúl Castro zustecken würde, schweigt, wenn es um die Anliegen der Opposition in Venezuela – und die der Bischöfe dort – oder auf Kuba geht. Für Parolin, der von 2009 bis 2013 Apostolischer Nuntius in Venezuela war und den Chavismus kennt, muss das ein unerträglicher Zustand sein. Er ist loyal zum Papst, aber profiliert sich immer mehr an dessen Seite – eben als Gestalter der Außenpolitik des Vatikans.

Als Staatsekretär hatte Parolin einen schweren Start. Die Abneigung von Franziskus gegenüber dieser Behörde bekam auch er zu spüren, anfänglich saß er beim Rat der den Papst in Sachen Kurienreform beratenden Kardinälen nicht mit am Tisch. Dann gab es Konflikte mit dem neuen "Finanzminister", Kardinal George Pell. Doch die Zeit arbeitete für Parolin. Aus den unterschiedlichsten Gründen sind die "Ratzingerianer" der Kurie in den Hintergrund getreten: die Kardinäle Pell, Gerhard Müller, Raymond Burke, Robert Sarah. Und die "Bergoglianer" geben nicht viel her wie der Kanzler der Akademie der Wissenschaften, Marcelo Sánchez Sorondo, oder "Civiltà Cattolica"-Chef Antonio Spadaro SJ. Diese Gunst der Stunde nutzt Parolin, sozusagen als oberster Repräsentant der "kurialen Partei". Wen wundert es da, dass ihn immer mehr inner- wie außerhalb der Kurie als möglichen Nachfolger des amtierenden Papstes einschätzen. Aber Parolin ist loyal und klug, das wird er jetzt auch in Moskau sein.

Guido Horst ist Chefkorrespondent der Zeitung "Die Tagespost" in Rom. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung.

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