Im April 2022 traf sich der UN-Generalsekretär António Guterres mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und forderte Moskau zur Beendigung des Kriegs gegen die Ukraine auf. Er sei als „ein Botschafter des Friedens“ gekommen, sagte der UN-Chef, und er habe ein Interesse daran, alles Mögliche zu tun, um den Krieg und das Leiden der Menschen zu beenden.

Einige Monate später, während des gerade zu Ende gegangenen Weltwirtschaftsforums in Davos, sagte Guterres, dass er nicht an ein Kriegsende in der Ukraine glaube, betonte jedoch, dass die Vereinten Nationen bereits mit der Ukraine und mit Russland im Gespräch über Friedensverhandlungen seien. Diese Bemühungen sollten auch fortgesetzt werden.

Wir tun alles, was wir können, um die Schäden und das Leid zu reduzieren“, wird Guterres auf der UN-Webseite zitiert. Weitere Brücken müssten gebaut werden, um Frieden und Menschenrechte zu bewahren.

Wir sprachen mit einem ehemaligen Angehörigen des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA, Ray McGovern, in Raleigh (North Carolina). Er war 27 Jahre lang für die CIA tätig und ist seit 1990 im Ruhestand.

McGovern ist katholisch. Seiner Meinung nach solle kein Geringerer als Papst Franziskus selbst eine einflußreiche Rolle haben, um sofortige Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg zu erreichen.

Die „allwissende“ Enzyklopädie Wikipedia beschreibt Sie als ehemaligen Mitarbeiter der Central Intelligence Agency (CIA), der zum politischen Aktivisten wurde. Ist das richtig?

Nun, das ist richtig, aber es bedarf einiger Erläuterungen. Ich war ein Spezialist für die Sowjetunion, ein Russland-Spezialist, und als ich in den Ruhestand ging, begann die Welt zu zerfallen. Russland war sehr stark daran beteiligt, und so beschloss ich, um mich für die Ausbildung zu revanchieren, die ich mit Steuergeldern erhalten hatte, dass ich verpflichtet war, mich zu äußern und mein Wissen aus einem halben Jahrhundert über die russische Führung, ihre Pläne und ihre Absichten zu nutzen.

Ich möchte auch erwähnen, dass Sie katholisch sind und – wie Papst Franziskus – von Jesuiten ausgebildet wurden, richtig?

Ja, das stimmt. Ich habe die Jesuitenschule besucht und verdanke dem Unterricht und den Werten, die mir eingeflößt wurden, sehr viel. An erster Stelle steht, die Wahrheit zu sagen, ohne Furcht und Vorzug. Und schließlich, aber nicht zuletzt, laut Ignatius’ Redewendung, ein Mann für andere zu sein und der bevorzugten Option für die Armen zu folgen – worauf die katholischen Bischöfe in den USA schon vor Jahrzehnten sehr beharrt haben. Sie erwähnten aber auch, dass niemand das Recht hat, noch mehr Reichtum anzuhäufen, den er nicht braucht, wenn es anderen am Lebensnotwendigen fehlt. Wenn das radikal kling, es kommt direkt von Jesus.

Sie waren 27 Jahre lang CIA-Analyst und haben sieben US-Präsidenten gedient, von John F. Kennedy bis hin zu George H. W. Bush. Drei dieser Präsidenten haben Sie täglich mit Geheimdienstinformationen, dem sogenannten Daily Intelligence Brief, versorgt. Obwohl Sie von vielen wegen einigen Ihrer Ansichten als umstritten bezeichnet und angegriffen werden, können wir eines mit Sicherheit sagen: Sie sind ein Experte für auswärtige Angelegenheiten und ein langjähriger Russland-Spezialist, und die aktuelle dramatische Situation im Ukraine-Russland-Krieg bereitet auch Ihnen große Sorgen. Als Katholik glauben Sie, dass niemand anderes als Papst Franziskus selbst in der Lage ist, wesentlich zur Beendigung dieses Konflikts beizutragen – Sie glauben also, dass der Papst diese Macht hat?

Ich denke, der Papst muss es versuchen. Ob er die Macht hat, das zu tun, weiß man nicht, solange er es nicht versucht. Wir haben hier eine traurige Geschichte. Wir haben die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, wo der Papst ziemlich still war. Albert Camus wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den Dominikanern gebeten, in ein Kloster zu kommen und über die Rolle der Kirche während des Zweiten Weltkriegs zu sprechen.

Und er sagte etwas sehr Erstaunliches für einen Atheisten. Er sagte: „Ich habe immer auf eine Stimme aus dem Vatikan gewartet, eine Stimme aus Rom, und es kam nie eine, außer in Form einer Enzyklika. Und niemand wusste, was eine Enzyklika ist.“

In jüngerer Zeit hat Papst Johannes Paul II. versucht, den ungerechten und illegalen Krieg gegen den Irak im Frühjahr 2003 zu beenden. Sie erinnern sich vielleicht, dass er einen Sondergesandten, Kardinal Pio Laghi, nach Washington schickte.

Es war der 5. März 2003, nur zwei Wochen vor der Invasion und dem Angriff der amerikanischen und britischen Streitkräfte auf den Irak. Er sagte Präsident Bush, dass dies nicht gut enden würde. Bush sagte: „Hören Sie, es gibt Al-Qaida im Irak.“ Und Kardinal Laghi sagte: „Zeigen Sie mir die Beweise. Wir glauben nicht, dass es sie gibt.“

Woher weiß ich das? Nun, Kardinal Laghi sagte dies einige Wochen später. Er musste den Präsidenten daran erinnern, dass er als persönlicher Abgesandter von Papst Johannes Paul II. gekommen war, dass er einen besonderen persönlichen Brief zu überbringen hatte. Und als Bush immer wieder von der Notwendigkeit der Demokratie sprach, sagte der Kardinal: „Sehen Sie, ich bin hier, um über den Irak zu sprechen. Wir wollen, dass Sie damit aufhören, denn die Folgen werden katastrophal sein.“

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Zwei Wochen später marschierte Bush ein. Das war eindeutig illegal. Der UN-Generalsekretär verurteilte es später als illegal und ungerecht. Was könnte also jetzt passieren?

Ich überlasse es Ihrer Vorstellungskraft, was der Papst in dieser Situation tun könnte, die weitaus gefährlicher ist als der Irak-Krieg, weil zwei nuklear bewaffnete Einheiten gegeneinander antreten, wozu er befugt wäre oder was er zumindest versuchen könnte. Darüber sprechen wir ja hier etwas später noch.

Papst Franziskus hat im Dezember 2022 sein Plädoyer für Frieden in der Ukraine erneuert. Mit dem Krieg seien „wir alle besiegt“, sogar „diejenigen, die nicht daran beteiligt waren und die in feiger Gleichgültigkeit diesem Grauen zusahen, ohne friedensstiftend einzugreifen“, so der Papst im Vorwort zu einem Buch, das alle seine Wortmeldungen zum Ukraine-Krieg seit Februar 2022 gesammelt vorlegt. Das Buch heißt „Eine Enzyklika zum Frieden in der Ukraine“ und der Herausgeber, der Journalist Francesco Antonio Grana, beschreibt es als „ein Zeugnis für das Engagement des Papstes und des Heiligen Stuhls für die Mediation“.

Könnte Ihrer Meinung nach die Tatsache, dass der Papst eine religiöse Figur ist, einer bestimmten Religion angehört, nicht ein Hinderungsgrund sein? Seine Anstrengungen würden als religiös gesehen und von den politischen Aspekten ablenken – wie sehen Sie das?

Ich glaube nicht, dass das ein Hinderungsgrund sein sollte. Der Papst spricht nicht nur für die Katholiken. Viele Menschen schauen zum Papst auf. Ich habe bereits erwähnt, dass Albert Camus während des Zweiten Weltkriegs nach einem Zeichen oder einer Erklärung aus Rom suchte. Viele Menschen, nicht nur Katholiken, sondern auch andere, sehen den Papst als moralische Führungspersönlichkeit an, und um Gottes Willen, buchstäblich, wir brauchen in diesen Tagen und Zeiten eine moralische Führung.

Wenn also der Papst oder der Vatikan oder die katholische Kirche beschuldigt wird, sich in die Politik oder die Wirtschaft einzumischen, dann ist das eine Beschuldigung die Jesus von Nazareth umgebracht hat. Er hat seinen Mund nicht gehalten. Er sah die Unterdrückung des Volkes. Er sah die Unterdrückung durch die römische und jüdische religiöse Autorität. Er sprach sich dagegen aus, und wenn er das nicht getan hätte, wäre er vielleicht als hebräischer Prophet bequem in seinem Bett eingeschlafen.

Was der Papst also hoffentlich in Erwägung ziehen würde, ist, seinen Kopf mindestens so weit herauszustrecken, wie es Jesus von Nazaret tat. Und das ist ziemlich weit. Und ungeachtet der Kritik, ob die Beteiligung an Wirtschaft oder Politik vereinbar ist, denn in der realen Welt ist Wirtschaft oder Politik die Form, die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit annimmt.

Zur Person: Ray McGoverrn war als junger Offizier für die Analyse der sowjetischen Politik in Vietnam verantwortlich. Von 1981 bis 1985 gehörte er zu den für Geheimdienste verantwortlichen Offizieren, die Präsident Ronald Reagan und Vizepräsident George H. W. Bush täglich Bericht erstatteten. Anschließend war er als einer der Senior-Analysten verantwortlich für die Vorbereitung des Tagesberichts der CIA an den US-Präsidenten. Bei seiner Pensionierung wurde er von Präsident Bush mit der Intelligence Commendation Medal ausgezeichnet. Diese Auszeichnung gab er jedoch im März 2006 zurück aus Protest gegen die Beteiligung von CIA-Mitarbeitern an Folterungen im Irak.

Was den Ukraine-Krieg angeht, wurde McGovern in einem Bericht der ukrainischen Regierung aus dem Jahr 2022 als jemand bezeichnet, der mit der russischen Propaganda übereinstimmende Erzählungen verbreitet.

Wir fragten Ray McGovern, ob er einen Appell an den Papst aufnehmen würde, und sagten, dass wir versuchen würden, durch unsere Verbindungen zum Heiligen Stuhl bei der UN in Genf diese Botschaft dem Papst weiterzuleiten. Er willigte ein. Hier ist der Appell von Ray McGovern an Papst Franziskus:

Eure Heiligkeit, ich erinnere mich noch gut daran, als Sie vor unserem Kongress in den Vereinigten Staaten in Washington sprachen. Und Sie hielten eine eloquente Rede, an deren Ende Sie auf das hinwiesen, was Sie das wahre Problem nannten. Und das, was Sie als das wahre Problem bezeichneten, war der blutgetränkte Waffenhandel.

Wenn Sie sich nun die Ursache für den Konflikt in der Ukraine ansehen, werden Sie feststellen, dass der blutgetränkte Waffenhandel der Übeltäter ist. Die Menschen verdienen Millionen, ja Milliarden an diesem Krieg.

Einige derjenigen, die im US-Kongress, vor dem Sie sprachen, die Gelder bewilligen, erhalten Erlöse aus dem Verkauf dieser Waffen, und das muss aufhören.

Und so möchte ich an Sie appellieren, dem guten Beispiel Ihres Vorgängers, Papst Johannes Paul II., zu folgen und einen Abgesandten nach Washington zu schicken, bevor es zu einem atomaren Schlagabtausch zwischen Russland und den Vereinigten Staaten kommt.

Ich sage das nicht leichtfertig. Es ist das erste Mal in meinem halben Jahrhundert an Erfahrung, dass es so aussieht, als würden die beiden Atommächte die Gefahren nicht beachten, sondern einen Atomkonflikt riskieren.

Ich möchte daher vorschlagen, dass Sie, Eure Heiligkeit, erfahrene Diplomaten des Vatikans nach Washington schicken, so wie Johannes Paul II. Kardinal Pio Laghi zu Gesprächen mit dem Präsidenten geschickt hat.

Joe Biden ist Katholik, und das könnte hier ein Vorteil sein. Vielleicht würde er zuhören, denn er bekommt weder von seinen Beratern noch sonst irgendwo eine moralische Anleitung.

Ich würde also sagen, dass Sie mit Ihrem unvergleichlichen Zugang zu den führenden Politikern der Welt, mit Ihrem Ruf für Ehrlichkeit, Bescheidenheit und vor allem Ihrer unvoreingenommenen Haltung zu diesem Konflikt das tun könnten, was Ihr Vorgänger Johannes Paul II. getan hat, nämlich Abgesandte nicht nur nach Washington, sondern auch nach Kiew, Frankreich, Paris und Berlin zu schicken.

Ich erwähne Paris und Berlin, weil ich hoffe, dass Ihre Berater Ihnen gesagt haben, dass der deutsche Bundeskanzler und der französische Präsident zugegeben haben, dass sie die Russen getäuscht haben, als sie sagten, sie würden die Ukrainer ermutigen, dem Donbass ein gewisses Maß an Autonomie zu geben. Sie sagen jetzt, dass dies alles nur ein Vorwand war, um dem Westen Zeit zu geben, die ukrainischen Streitkräfte aufzurüsten. Das haben sie gesagt. Das liegt also offen auf dem Tisch. Sie geben es voller Stolz zu.

Und Ihre Abgesandten, Eure Heiligkeit, könnten fragen: „Nun, was ist damit? Ist das wahr und ist das gerecht? Und sollten wir nicht jetzt Friedensgespräche auf der Grundlage von Ehrlichkeit führen, und nicht auf der Grundlage von Doppelzüngigkeit?“

Original-Interview aufgenommen in Raleigh (North Carolina) von Kameramann Joel Weiss | Deutscher Sprecher: Jan Terstiege | Redaktion, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency im Auftrag von EWTN Deutschland und CNA Deutsch.

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