9. April 2024
Am 9. April 1945 wurde der evangelische Pastor und Theologe Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenburg hingerichtet. Einen Monat später war der Weltkrieg zu Ende und Deutschland in Trümmern und am Boden. Ihn aber wollten die Nazis nicht überleben lassen und noch unbedingt mit in den Abgrund reißen. Für ihn war es kein Abgrund. Er hat überlebt wie keiner seiner Richter. Bonhoeffer war 39 Jahre alt und in jenem Lebensjahrzehnt, in dem auch Jesus von ungerechten Richtern zum Tode verurteilt worden war, der sein Leben im Gehorsam zum Willen seines himmlischen Vaters hingegeben hat für das Heil der ganzen Welt. Dietrich Bonhoeffer musste seinen Widerspruch zu der mörderischen Ideologie des Nationalsozialismus mit seinem noch jungen Leben bezahlen.
Die Briefe und Aufzeichnungen, die er im Gefängnis verfasst hatte, wurden nach dem Krieg von seinem Freund und späteren Biographen Eberhard Bethge unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“ herausgegeben. Sein Leben nach dem Machtantritt der Nazis 1933 war 12 Jahre lang Widerstand gegen deren Gott-verlassenes Denken und ihr Menschen-verachtendes Handeln. Erst im Angesicht des Todes wandelte sich sein unerschütterlicher Widerstand ganz in Ergebung. Aber er ergab sich nicht der Übermacht des Bösen, der Unentrinnbarkeit des Schicksals oder der Tragik der Vergänglicheit. Er ergab sich ganz Gott und seinem gnädigen Willen. Angesichts des Galgens, der ihn erwartete, nahm er den Tod in hoffnungsvoller Gewissheit an. „Das ist der Tod; für mich der Beginn des Lebens“ waren die letzten Worte, die uns von ihm überliefert sind.
Die Schriften Bonhoeffers zu studieren ist nicht nur für Theologen wertvoll, sondern für alle Christen, die geistige Orientierung und geistliche Stärkung suchen. Besonders heute, wo wir das Leiden und Sterben Jesu liturgisch feiern und seiner unendlichen Liebe innewerden, sollen wir vom Beispiel Dietrich Bonhoeffers lernen.
Heute ist es, als habe unser Bruder im Glauben, George Kardinal Pell, an ihm Maß genommen, dem durch eine falsche Anklage 6 Jahre Isolationshaft in einem Kerker drohten und sich dabei Christus zum Beispiel nahm. „Als er geschmäht wurde [...] überließ er seine Sache dem gerechten Richter," heißt es im 1. Brief des Petrus. Der göttliche Richter spricht Recht nicht nach Interesse und ideologischer Gruppenzugehörigkeit, sondern nach der Wahrheit. Es ist christliche Größe, Verleumdern und ungerechten Richtern nicht zu drohen, sondern wie der heilige Stephanus selbst im Sterben noch schreien zu können: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an.“
Beten wir, dass die Ungläubigen nachdenklich werden beim Leiden der Unschuldigen und dass das Blut der Märtyrer zum Samen für neue Christen werde. Der junge Mann, zu dessen Füßen die Zeugen des Mordes an Stephanus ihre Kleider niederlegten, hieß Saulus. Es war derselbe Mann, der nach seiner Bekehrung als Paulus zum Apostel der Völker werden sollte.
Heute, wo die ganze Menschheit vom Corona-Virus betroffen ist, sind wir nicht nur in der Bewegung eingeschränkt, sondern durch das Leiden und den Tod von Freunden und Angehörigen allesamt hineingezogen in diese ungeheure Erfahrung der Kontingenz. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern wir suchen die zukünftige“, heißt es im Hebräerbrief. Wir hängen an unserem Leben, das Gott uns gegeben hat. Es widerspricht jedoch dem natürlichen Empfinden der Liebe, im Tod mit einem so scharfen Schnitt so radikal von unsern Großeltern, von Vater und Mutter, Ehegatten, Kindern, Freunden getrennt zu werden. Im Blick auf Jesus am Kreuz aber dürfen wir „nicht trauern wie die andern, die keine Hoffnung haben“ (1 Thess 4,13). Im Leiden und nach unserem Tode werden wir beim auferstandenen Herrn sein und ewig mit ihm leben.
Dietrich Bonhoeffer hätte sich leicht retten können. Vor Kriegsausbruch war er in Amerika. Doch aus Solidarität zu seiner Heimat ist er zurückgekehrt, weil er sich seiner Verantwortung nicht entziehen wollte. So hat er sich bewusst in Gefahr begeben, um Zeugnis zu geben für ein besseres Deutschland, für sein Land, das in der Tradition des Christentums zu seiner religiösen und kulturellen Blüte gelangt war. Von diesem heroischen Akt leben wir heute noch. Seine Rückkehr war kein Leichtsinn. Wir allerdings können heute aus der Gesellschaft, die sich ihrer christlichen Wurzeln schämt und sich des Evangeliums Christi entledigen will, nicht auswandern oder uns in eine innere Emigration zurückziehen.
Selbst innerhalb der Kirche müssen inzwischen all jene mit Diffamierungskampagnen rechnen, die es mit der Lehre und der Praxis des Glaubens ernst meinen. Es seien Konservative, Fundamentalisten und was der verächtlichen Schmähungen mehr sind. In dem Sinn war auch Bonhoeffer ein konservativer Fundamentalist. Der heilige Johannes Paul hingegen zögerte nicht, diesen evangelischen Kirchenmann einen Heiligen zu nennen, der im Himmel mit Edith Stein und anderen in der „Ökumene der Heiligen“ die wahre Einheit der Kirche schon vorwegnehme. Verbinden auch wir uns mit ihm und seinem Beispiel des Lebens und Sterbens. Heiliger Dietrich, bitte für uns! Was uns in der Kirche hält, ist nicht das Lob von Menschen oder das Bewusstsein, auf der ideologisch richtigen Seite zu stehen und dafür im kirchlichen Apparat mit einträglichen Posten belohnt zu werden, sondern die Liebe zu „Christus, der die Kirche geliebt und sich für sie dahingegeben hat“ (Eph 5,25).
(*) Erstveröffentlichung bei CNA Deutsch am 9.4.2020 – zum 75. Jahrestag der Ermordung Bonhoeffers.
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