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Papa Benedetto. Ein persönliches Porträt

Castelgandolfo am 28. Februar 2013: Papst Benedikt XVI. verabschiedet sich von den versammelten Gläubigen.

Wann immer ich in München die Alte Pinakothek besuche, verweile ich lange vor den Gemälden, die den Passionsweg des Herrn zeigen. Christus wird verhöhnt und verspottet. Es ist die Stunde, in der das Böse endgültig zu triumphieren scheint. Mir sind in der Schule immer wieder Fragen begegnet wie: „Was hält dich noch in der Kirche? Warum gehst du zur Heiligen Messe? Na, gibst du dir mal wieder selbst die Schuld für alles?“ Zynischen Spott und grelles Hohngelächter musste ich als Schüler oft ertragen. Römisch-katholisch zu sein – das war auch ein Stigma. Selbst im Religionsunterricht ersetzte Kirchenkritik oft die Unterweisung in der Lehre der Kirche. Ich erinnere mich noch, wie ich an einem Aschermittwoch mit dem Aschekreuz im Erdkundeunterricht erschien. Ein Mitschüler fragte grinsend: „Na, hast du dir mal wieder die Zigarette selbst auf der Stirn ausgedrückt?“ Der Lehrer lachte und sagte: „Nur die Harten kommen durch!“ Meine Antwort war fast immer Schweigen. Die Kirche und viele Gläubige, die zu ihr stehen, erleben Anfeindungen und ironische Gehässigkeit. Die Passionsgemeinschaft mit dem Herrn reicht weit. 

Während des Studiums las ich Werke von Joseph Ratzinger. Mich sprachen diese Darlegungen sehr an, ja mich berührten sie. Später, als ich an der Universität Philosophie lehrte, schrieb ich jedes Jahr zu Weihnachten dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation ein paar Zeilen, notierte Beobachtungen und sandte meine Gedanken aus der Diaspora nach Rom. Wie an Deutschlands Fakultäten damals über seine Schriften und seine Person gesprochen wurde, darüber musste ich ihm nichts sagen. Mich besorgte vor allem die Selbstauflösung des Glaubens mitten in der Kirche. Vor allem dankte ich Joseph Ratzinger für seinen treuen Dienst in der Kirche und an der Seite von Johannes Paul II. Der Kardinal und ich tauschten von da an Weihnachtsgrüße aus. Im vergangenen Jahr erreichte mich übrigens das Kärtchen aus dem Kloster Mater Ecclesiae pünktlich am 24. Dezember. Als ich 2005 von der Post berichtete, strahlte meine Mutter und sagte: „Wie schön, der Papst hat dich nicht vergessen.“ 


(Quelle: Thorsten Paprotny) 

Vor etwa zwanzig Jahren befasste ich mich mit der mittelalterlichen Philosophie und Theologie und dachte über eine Publikation nach – über den Trost. Zunächst trat ich mit einigen Professoren in Deutschland in Kontakt, die aber einem gewissermaßen zur Theologie konvertierten Philosophen und seinen Überlegungen mit großer Skepsis begegneten. Ein Altphilologe belehrte mich, lange nach dem Großen Latinum, über meine Defizite. Damals dachte ich, dass ich mich gern mit Kardinal Ratzinger über das Thema austauschen würde, jenseits der Weihnachtsgrüße. Aber ob der Präfekt Zeit dafür hätte oder sich Zeit dafür nähme? Das konnte ich mir nicht vorstellen, er hatte doch so viel zu tun in Rom. Ich schrieb ihm einen Brief, skizzierte Gedanken, Fragen und Überlegungen – und äußerte zugleich mein Verständnis für eine ausbleibende Antwort, wenn es ihm an Zeit mangelte. Zu meinem großen Erstaunen fand ich kaum drei Wochen später Post aus Rom vor. Kardinal Ratzinger hatte meine Fragen ernst und sich Zeit genommen: „Den Text von Meister Eckhart, den Sie zitieren, habe ich mit großer innerer Zustimmung gelesen, so wie ich auch ganz dem zustimme, was Sie selbst daraus folgern …“ Er selbst hatte offenbar noch einiges nachgeschlagen. Wir korrespondierten also über das Leid und den Trost des Glaubens – und blieben weiter gelegentlich im Kontakt. Zwischen Rom und Hannover wurden mitunter Bücher ausgetauscht, wie das Foto zeigt. Später, nach der Veröffentlichung der Jesus-Trilogie, gab es etwa einen kleinen Briefwechsel über Augustinus, der für uns beide der wichtigste Weggefährte unter den Heiligen ist. 

Ich wusste damals und weiß heute von innen her, dass ich diesem Mann Gottes namens Joseph Ratzinger ganz trauen und vertrauen kann. Zugleich war und ist mir gewiss, dass ich ihm das anvertrauen kann, was mich zuinnerst bewegt. Dankbar bin ich persönlich für die enge Verbundenheit mit dem Regensburger Institut Papst Benedikt XVI. Darüber hinaus sehe ich den Reichtum seiner theologischen Schriften, seiner Predigten und seiner Enzykliken, den klaren Blick im Pontifikat für die Nöte der Kirche und – daran hat Bischof Dr. Stefan Oster dankenswerterweise erinnert – die von ihm energisch veranlasste „innerkirchliche Bekämpfung von sexuellem Missbrauch“. Warum wird das heute von so vielen Menschen in der Kirche nicht gesehen? Und warum wird nicht eine Verschärfung des Strafrechts für sexuellen Missbrauch gefordert? Warum wird nicht energisch Aufklärung über diese skandalösen Vorgänge in der ganzen Gesellschaft betrieben? Warum wird stattdessen der emeritierte Papst Benedikt zum Sündenbock erkoren? Ich verstehe das nicht. In diesen Tagen bezeugen wir einen medialen Empörungsrausch und Elemente einer sprungbereiten Feindseligkeit. Für mich war es, bei allem Realismus, bis vor wenigen Tagen unvorstellbar, wie sich selbst einige deutsche Priester und Bischöfe öffentlich gegenüber Benedikt XVI. positionieren. Mich macht das traurig. Solche Statements tun vielen einfach gläubigen Katholiken, der schweigenden Mehrheit, hierzulande auch sehr weh. 

In diesen Tagen denke ich an Benedikts letzte Generalaudienz im Pontifikat. Es war ein leuchtender Tag auf dem Petersplatz. Die Italiener feierten den Papst der Weltkirche mit lauten „Be-ne-det-to“-Rufen, so wie von Anfang an. Viele hatten auch Tränen in den Augen, weil sie als Katholiken diesen Papst – ihren Papst – mit gläubigem Herzen liebten. Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. hat in allem immer auf die Herzmitte des Glaubens verwiesen, auf Jesus Christus. Er tut das bis heute. Von ihm habe ich gelernt, und dafür bin und werde ich immer dankbar sein: Wir müssen in unserem Denken, Tun und Glauben durchlässig sein für Christus, für das Licht der Welt. Erinnern möchte ich an diese Worte vom 27. Februar 2013: „Ich möchte alle einladen, ihr festes Vertrauen auf den Herrn zu erneuern, sich wie Kinder den Armen Gottes anzuvertrauen, in der Gewißheit, daß diese Arme uns immer stützen und uns ermöglichen, Tag für Tag voranzuschreiten, auch in der Mühsal. Ich möchte, daß jeder sich geliebt fühlt von jenem Gott, der seinen Sohn für uns hingegeben und uns seine grenzenlose Liebe gezeigt hat. Ich möchte, daß jeder die Freude empfindet, Christ zu sein. In einem schönen Gebet, das man jeden Morgen beten sollte, heißt es: „Ich bete dich an, mein Gott, und ich liebe dich von ganzem Herzen. Ich danke dir, daß du mich erschaffen hast und mich hast Christ werden lassen …“ Ja, seien wir froh über das Geschenk des Glaubens; es ist das kostbarste Gut, das niemand uns nehmen kann!“ Das ist Benedikts Botschaft – und das ist sie bis heute. Es sind die Worte eines einfachen Arbeiters im Weinberg des Herrn, für dessen treuen Dienst für die Kirche des Herrn ich dankbar bin und bleiben werde. Und Sie alle, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, möchte ich in diesen sehr besonderen Zeiten einladen zum Gebet für unseren emeritierten Papst, für Papa „Be-ne-det-to“.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.  

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