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Erschütterter Fels: Die Kirche zwischen Spaltung und Tradition

Die Statue des Heiligen Petrus blickt über den Petersplatz im Vatikan am 3. Juni 2016.

Vor genau einem Jahr erließ Papst Franziskus das Motuproprio Traditionis custodes. Deutlich zeigte sich damals ein Merkmal seines Pontifikats: Wie kein Papst zuvor stellt sich Franziskus quer zur Linie seiner Vorgänger, vor allem – aber nicht nur –, was die Liturgie betrifft. Die Kontinuität des Petrusdienstes wirkt seitdem mitunter wie ein Potemkinsches Dorf; die Positionen von Benedikt XVI. und Johannes Paul II. sind lautlos hinter den Kulissen verschwunden. Zudem hat der päpstliche Erlass tiefe Wunden gerissen: Die Anhänger der traditionellen Messe sind an den Rand der kirchlichen Gemeinschaft geraten und sehen sich unter den Generalverdacht der Abweichung vom letzten Konzil gestellt.

Wo Benedikt XVI. Gräben zugeschüttet hatte, tun sich diese unter Franziskus von Neuem auf. Auch das jüngste päpstliche Schreiben, Desiderio desideravi, hat diese Entwicklung verstärkt und wiederum jene verprellt, die unverbrüchlich zur Kirche stehen und deren Glaube umfassend teilen.

Dass dies heute keineswegs selbstverständlich ist, zeigt ein Blick auf die Länder Europas: Dort haben die Umfragen in Vorbereitung der Bischofssynode zur Synodalität ergeben, dass die Kirche für ein „Auslaufmodell“ gehalten wird und der Glaube überholt werden soll. Die Umfragebeteiligung ist zwar gering, dafür sind die Voten aber äußerst klar, vor allem was die sogenannte „Frauenfrage“ betrifft. Dementsprechend fordert Kardinal Marx inzwischen lautstark die Weihe von „Diakoninnen“ und lässt das kirchliche Dogma einmal mehr hinter sich. Offensichtlich ist die kirchliche Einheit unter den Bischöfen dahin, während der Papst vor der kaum lösbaren Aufgabe steht, irgendwie zusammenzuhalten, was auseinanderstreben will.

Dass Franziskus bei alldem noch als „Reformer“ in die Geschichte eingehen wird, ist nicht wahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass sich während seines Pontifikats jenes Schisma ausprägt, dessen Anfänge allenthalben zu spüren sind. Als Hüter der Einheit hätte Franziskus dann tragisch versagt; wie Leo X. (1513-1521) würde er zu einem glücklosen Papst, der die Spaltung der Kirche nicht aufhalten konnte. Ob es soweit kommt, ist heute nicht sicher, sicher ist aber eins: Es werden die desavouierten Anhänger der traditionellen Messe sein, die nach wie vor der Kirche die Treue halten, während sich ein buntes Völkchen eine eigene Gemeinschaft bastelt und diese für „katholisch“ hält.

Besonders deutlich hat dies zuletzt der „katholische“ Frauenbund in der Schweiz gemacht: In völligem Gegensatz zum Papst betonte er das angebliche „Recht“ auf Abtreibung und machte damit schlagartig klar, wo die meisten „katholischen“ Verbände im nachchristlichen Europa stehen: Auf der Seite derer, die ungeborenen Kindern das Lebensrecht absprechen, dies für „menschlich“ halten und dabei meinen, ihre Haltung sei mit dem katholischen Glauben vereinbar.

Die Zerfallsprozesse in der Kirche könnten nirgendwo deutlicher werden als hier; offensichtlich ist „katholisch“ zum „Off-Label“ pseudo-kirchlicher Kräfte geworden, die Gottes Gebot ebenso in Frage stellen wie die Autorität des Nachfolgers Petri und die fortdauernde Lehre der römischen Kirche.

Dieser Tiefpunkt kann solange nicht überwunden werden, wie die Kirche um sich selber kreist und ihr „Heil“ nur in Reformen sucht. Vom Zeitgeist fortgerissen kann sie nicht sein, was sie dem Willen Christi nach sein soll: Ein Fels in der Brandung der Zeit.

Das gegenwärtige Pontifikat wird deshalb daran gemessen werden, ob es Franziskus gelingt, die Einheit der Kirche in der Übereinstimmung mit der Tradition zu wahren. Seit Traditionis custodes scheint ihm gerade dies immer weniger zu glücken, während sich die zentrifugalen Kräfte innerhalb der Kirche verstärken und sich dabei noch auf den Papst berufen.

Ohne Frage wird die kommende Bischofssynode so der Prüfstein dieses Pontifikates werden oder besser gesagt: sein gordischer Knoten. Dass die Einheit der Kirche nach der Synode fortbesteht, ist aller Voraussicht nach nicht zu erwarten: Mit kleineren Zugeständnissen werden sich die Reformkräfte nicht abspeisen lassen, die der Tradition und der überlieferten Lehre verbundenen Katholiken werden tiefgreifende Reformen, geschweige denn „Diakoninnen“, nie akzeptieren.

Das Schiff Petri hat sich in eine Sackgasse manövriert; der Fels der Kirche ist erschüttert.

Der Verfasser, Dr. Joachim Heimerl, ist Priester der Erzdiözese Wien und Oberstudienrat.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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