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Schönheit auch in Krankheit und Alter – „Amoris laetitia“ über die Ehe

Papst Franziskus

Kann es eine vollkommene eheliche Liebe geben? Vielleicht werden gläubige Katholiken auch vor dem Weihnachtsfest nachdenklich und kräuseln skeptisch die Stirn. Die Vollkommenheit erscheint wie ein Ideal, wie ein Wunsch, der zwar begreiflich ist, bekannt vorkommt und doch über das, was in die Wirklichkeit dieser Welt eingezeichnet ist, hinausreicht.

In „Amoris laetitita“ schreibt Papst Franziskus über das Wachstum in der vollkommenen ehelichen Liebe und wählt hierfür ausdrücklich nicht den Begriff „amor“, sondern „caritas“: „Es ist die Liebe, welche – geheiligt, bereichert und erleuchtet durch die Gnade des Ehesakramentes – die Eheleute vereint.“ Die Vereinigung umfasse die Hingabe, ebenso die Zärtlichkeit und auch die Erotik, aber sie sei fähig, fortzubestehen, „auch wenn die Gefühle und die Leidenschaft schwächer werden“.

Franziskus wirbt zugleich für Realismus: „Man sollte nicht zwei begrenzten Menschen die gewaltige Last aufladen, in vollkommener Weise die Vereinigung nachzubilden, die zwischen Christus und seiner Kirche besteht.“ Realismus bedeutet jedoch nicht Resignation, sondern ein sakramental fundiertes geistiges und geistliches Wachstum: „Es ist eine Vereinigung, die alle Merkmale einer guten Freundschaft hat: Streben nach dem Wohl des anderen, Gegenseitigkeit, Vertrautheit, Zärtlichkeit, Festigkeit und eine Ähnlichkeit zwischen den Freunden, die sich im Laufe des miteinander geteilten Lebens aufbaut. Doch die Ehe fügt alldem eine unauflösliche Ausschließlichkeit hinzu, die sich in der festen Absicht ausdrückt, das gesamte Leben miteinander zu teilen und aufzubauen. Seien wir ehrlich und erkennen wir die Zeichen der Wirklichkeit: Wer verliebt ist, fasst nicht ins Auge, dass diese Beziehung nur für eine bestimmte Zeit bestehen könnte; wer die Freude, zu heiraten, intensiv erlebt, denkt nicht an etwas Vorübergehendes; diejenigen, die der feierlichen Besiegelung einer von Liebe erfüllten Vereinigung beiwohnen, hoffen – auch wenn diese Liebe zerbrechlich ist –, dass sie die Zeit überdauern möge; die Kinder möchten nicht nur, dass ihre Eltern einander lieben, sondern auch, dass sie treu sind und immer zusammenbleiben. Diese und andere Zeichen zeigen, dass im Wesen der ehelichen Liebe selbst die Öffnung auf die Endgültigkeit hin vorhanden ist.“

Darüber hinaus ist die Ehe eine „Herausforderung“, an der eine „schwache oder kranke Liebe“ scheitern wird. Die „Kultur des Provisorischen“ sei in jedem Fall schädlich. Die Ehe ist also weder Experiment noch Versuch, sondern steht in einem „unablässigen Wachstumsprozess“, in dem das Element der Freundschaft von entscheidender Bedeutung ist: „Die Ehe ist auch eine Freundschaft, welche die der Leidenschaft eigenen Merkmale einschließt, jedoch stets auf eine immer festere und intensivere Vereinigung hin ausgerichtet ist. … Diese besondere Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau nimmt einen allumfassenden Charakter an, der nur in der ehelichen Einheit gegeben ist. Und gerade weil sie allumfassend ist, ist diese Einheit auch ausschließlich, treu und offen für die Zeugung. Alles wird geteilt, auch die Sexualität, immer in der gegenseitigen Achtung.“

Die Ehe ist der Ort der „Freude der Liebe“, nicht die Stätte eines exzessiven Daseinsgenusses: „Wenn das Streben nach Genuss zwanghaft ist, schließt es uns in eine Einseitigkeit ein und macht uns unfähig, andere Arten der Erfüllung zu entdecken. Die Freude weitet dagegen die Fähigkeit zu genießen aus und erlaubt uns, Geschmack an mannigfaltigen Dingen zu finden, auch in den Lebensphasen, in denen der Genuss verblasst.“

Die „eheliche Freude“ werde auch im Schmerz erlebt. In der „caritas“ werde der „hohe Wert“ des Partners erfasst: „Die Schönheit – der ‚hohe Wert‘ des anderen, der sich nicht mit seiner physischen oder psychologischen Anziehungskraft deckt – erlaubt uns, den unantastbaren Kern seiner Person zu erleben, ohne die zwingende Notwendigkeit, ihn zu besitzen. In der Konsumgesellschaft verarmt das ästhetische Empfinden, und so erlischt die Freude. Alles ist da, um gekauft, besessen und konsumiert zu werden – auch die Menschen. Die Zärtlichkeit, hingegen, ist eine Äußerung jener Liebe, die sich von dem Wunsch des egoistischen Besitzens befreit. Sie bringt uns dazu, vor einem Menschen gleichsam zu erzittern, mit unermesslicher Achtung und einer gewissen Furcht, ihm Schaden zuzufügen oder ihm seine Freiheit zu nehmen. Die Liebe zum anderen schließt dieses Gefallen daran ein, das Schöne und Unantastbare seines persönlichen Wesens zu betrachten, das jenseits meiner Bedürfnisse existiert.“

Die Schönheit bleibt auch in Krankheit und Alter: „Die Liebe öffnet die Augen und ermöglicht, jenseits von allem zu sehen, wie viel ein Mensch wert ist. Die Freude dieser beschaulichen Liebe muss gepflegt werden.“ Der Liebende freue sich über das Wohl der geliebten Person, aber die Freude erneuere sich auch im Schmerz. Papst Franziskus verdeutlicht: „Nachdem sie gelitten und vereint gekämpft haben, können die Ehegatten erfahren, dass es der Mühe wert war, weil sie etwas Gutes erreicht, gemeinsam etwas gelernt haben oder weil sie das, was sie haben, besser zu schätzen wissen. Wenige menschliche Freuden sind so tief und festlich wie wenn zwei Menschen, die einander lieben, gemeinsam etwas errungen haben, das sie eine große, miteinander geteilte Anstrengung gekostet hat.“ So dürfen die Ehegatten ihr ganzes Leben hindurch immer tiefer in das Geheimnis des Sakraments hineinwachsen und dadurch bekräftigen sowie bezeugen: Wir haben der Liebe geglaubt. Diese Liebe leuchtet in dem Lächeln auf, das Ehemann und Ehefrau einander schenken, solange sie leben, und es leuchtet ebenso auf vor Gottes Angesicht.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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