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Erzbischof Georg Gänswein predigt bei erstem Jahrgedächtnis für Benedikt XVI. im Petersdom

Papst Benedikt XVI. (Archiv)

CNA Deutsch dokumentiert im Wortlaut die Predigt, die Erzbischof Georg Gänswein am Morgen des 31. Dezember 2023 im Petersdom hielt, während er das erste Jahrgedächtnis für den am 31. Dezember 2022 verstorbenen Papst Benedikt XVI. beging.

Weihnachten, der schönste Tag des Jahres!“ Das hat Benedikt XVI. voller Staunen vor einem Jahr gesagt, an seinem letzten Weihnachtsfest auf dieser Erde, das er im Geiste tiefen Glaubens, inniger Freude und vertrauensvollen Gebets gefeiert hat. Heute, am Fest der Heiligen Familie, jährt sich der erste Jahrestag seines Heimgangs in das Haus des Vaters, wo er – wie wir hoffen und beten – für immer das große Geheimnis von Weihnachten betrachten kann.

Der Nachklang von Weihnachten zieht sich durch die Liturgie der Oktav, einer Zeit der Freude und des Lichts. Bei dieser besonderen Gelegenheit möchte ich, ausgehend von einigen Worten Benedikts XVI., darüber nachdenken, wie das Gebet zum Leben der Heiligen Familie gehört: eine Dimension, die das tägliche Leben des verstorbenen Papstes stark geprägt hat und uns helfen kann, das Geheimnis der Kirche zu verstehen, die die große Familie Gottes ist.

Beginnen wir beim Evangelium dieses Festes, das uns von der Darstellung Jesu im Tempel erzählt. Der Evangelist Lukas berichtet, dass Maria und Josef, „als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, das Kind nach Jerusalem hinauf brachten, um es dem Herrn darzustellen“ (2,22). Wie jede gesetzestreue jüdische Familie gehen die Eltern Jesu in den Tempel, um ihren erstgeborenen Sohn Gott zu weihen und ihr Opfer darzubringen. Sie machen sich also mit Jesus, der erst vierzig Tage alt war, auf den Weg nach Jerusalem, um ihn dem Herrn zu weihen. In dieser Pilgerreise des Glaubens und in der Darstellung Jesu im Tempel sieht Benedikt XVI. einen Ausdruck ihres Gebets zum Herrn, den sie in ihrem Sohn Jesus bereits sehen und betrachten.

In einer schönen Katechese, die Benedikt XVI. am 28. Dezember 2011 gehalten hat, beschreibt er den kontemplativen Blick Marias mit folgenden Worten: „Die Augen ihres Herzens sind in gewisser Weise schon bei der Verkündigung auf ihn gerichtet, als sie ihn durch das Wirken des Heiligen Geistes empfängt. In den folgenden Monaten beginnt sie allmählich seine Gegenwart zu spüren, bis zum Tag der Geburt, als ihre Augen mit mütterlicher Zärtlichkeit das Angesicht des Sohnes betrachten können, während sie ihn in Windeln wickelt und in die Krippe legt. Die Erinnerungen an Jesus, die in ihrem Gedächtnis und in ihrem Herzen verankert sind, haben jeden Augenblick von Marias Leben geprägt. Sie lebt mit dem Blick auf Christus und hütet jedes seiner Worte wie einen Schatz. Der hl. Lukas sagt: »Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach« (Lk 2,1). So beschreibt er Marias Haltung gegenüber dem Geheimnis der Menschwerdung, eine Haltung, die sie ihr ganzes Leben hindurch einnehmen wird: Sie bewahrt alles in ihrem Herzen und denkt darüber nach.“

So lässt uns der Evangelist das kontemplative Herz der Muttergottes erkennen, „Vorbild für jeden Gläubigen, der die Worte und Taten Jesu bewahrt und sie einander gegenüberstellt; eine Gegenüberstellung, die immer ein Fortschreiten in der Erkenntnis Jesu ist“; ein Eintreten in die Freundschaft mit ihm, die sozusagen „ansteckend“ wird. Wie Maria in tiefer Gemeinschaft mit Jesus leben, um die Herzen unserer Brüder und Schwestern anzustecken: das ist die grundlegende Dimension einer attraktiven und missionarischen Kirche.

In den Jahren nach seinem Rücktritt vom Petrusamt hat sich Benedikt XVI. vor allem dieser Dimension des Glaubenslebens gewidmet. Wir erinnern uns an seine Worte beim Angelus vom 24. Februar 2013: „Der Herr ruft mich, den »Berg hinaufzusteigen«, mich noch mehr dem Gebet und der Betrachtung zu widmen. Doch dies bedeutet nicht, dass ich die Kirche im Stich lasse, im Gegenteil. Wenn Gott dies von mir fordert, so gerade deshalb, damit ich fortfahren kann, ihr zu dienen, mit derselben Hingabe und mit derselben Liebe, wie ich es bislang versucht habe.“ Das Gebet Benedikts XVI. war vor allem in den letzten Jahren seines Lebens von einer zunehmenden Intensität und Innerlichkeit geprägt. Dies spiegelte sich auch in seiner Haltung und seinem Antlitz wider: Es wurde mehr und mehr zur Betrachtung des einzigen Herrn, der in der Kraft des Heiligen Geistes unablässig seine Kirche leitet.

In der eben schon erwähnten Katechese führt Benedikt XVI. weiter aus, dass der heilige Josef der erste war, der die ansteckende Kraft des Gebets Mariens erfahren hat: „Seine demütige und aufrichtige Liebe zu seiner Verlobten und die Entscheidung, sein Leben mit Marias Leben zu verbinden, hat auch ihn, der »gerecht« war (Mt 1,19), in eine einzigartige Vertrautheit mit Gott hineingezogen und eingeführt. … Wie wir wissen, ist im Evangelium kein einziges Wort von Josef überliefert: Seine Gegenwart ist eine schweigende, aber treue, beständige, tätige Gegenwart.“

Auch Josef ist also ein Vorbild für die Eltern und für uns alle: „Er hat Jesus zum Gebet erzogen, gemeinsam mit Maria. Insbesondere wird er ihn mit in die Synagoge genommen haben, zum Sabbatgottesdienst, sowie nach Jerusalem, zu den großen Festen des Volkes Israel. Gemäß der jüdischen Tradition wird Josef das häusliche Gebet geleitet haben, sowohl im Alltag als auch an den wichtigsten religiösen Festen. So hat Jesus im Rhythmus der Tage, die er in Nazaret zwischen dem bescheidenen Haus und Josefs Werkstatt verbracht hat, gelernt, Gebet und Arbeit abzuwechseln und auch die Mühen, um der Familie das nötige Brot zu verdienen, Gott als Opfer darzubringen.“

Die Heilige Familie ist eine Ikone für jede Familie, die dazu berufen ist, eine Hauskirche zu bilden, in der – um die Gegenwart Jesu herum – die kindesgleiche Beziehung zu Gott, dem Vater, gelebt wird, die auch die zwischenmenschlichen Beziehungen verwandelt. Benedikt XVI. trug nicht nur den Namen Josefs; er hat auch versucht, seinen Patron nachzuahmen, vor allem durch seine tiefe Liebe zu Jesus und Maria und seine Treue zu einem täglichen Leben, das von Gebet und Arbeit geprägt war. Das Herzstück eines jeden Tages war für ihn die Eucharistie, Quelle des Lichts, der Kraft und des Trostes. Und er pflegte auch treu das Stundengebet und den Rosenkranz: Gebete, die dem Tag eine Struktur gaben. Seine innige Beziehung zum Herrn spiegelte sich schließlich auch in seinen Beziehungen zu den Menschen um ihn herum wider, die von großer Herzlichkeit, Demut und Einfachheit geprägt waren – und sie zeigte sich auch in seiner theologischen und pastoralen Arbeit, die stets auf den Primat Gottes und den Aufbau der Kirche ausgerichtet war.

Kommen wir noch einmal auf die Heilige Familie zurück, in der wir das Geheimnis der entstehenden Kirche bewundern können, ein Geheimnis der Gemeinschaft mit dem Herrn und untereinander. Benedikt XVI. stellt fest: „»Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt« (1Joh 1,2). Diese doppelte Gemeinschaft mit Gott und untereinander ist also untrennbar. Wo die Gemeinschaft mit Gott… zerstört wird, wird auch die Wurzel und Quelle der Gemeinschaft, die wir untereinander haben, zerstört. Und wenn wir nicht in Gemeinschaft miteinander leben, ist auch die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott nicht lebendig und wahr.“

Benedikt XVI. führt weiter aus: „In der Eucharistie speist Jesus uns, vereint uns mit sich, mit dem Vater, mit dem Heiligen Geist und miteinander, und dieses Netz der Einheit, das die Welt umfasst, ist eine Vorwegnahme der künftigen Welt in unserer Zeit.“ In der Eucharistie baut der Herr die Kirche weiter auf, indem er uns an sich zieht und uns miteinander vereint, um seine große Familie zu bilden.

Diese Gemeinschaft in der Familie der Kirche ist – so Benedikt XVI. weiter – „wirklich die frohe Botschaft, das Heilmittel, das der Herr uns gegen die Einsamkeit geschenkt hat, die heute alle Menschen bedroht, das kostbare Geschenk, das uns spüren lässt, dass wir in Gott … angenommen und geliebt sind; sie ist das Licht, das die Kirche als unter den Völkern errichtetes Zeichen erstrahlen lässt. Auf diese Weise offenbart sich die Kirche trotz aller menschlicher Schwächen, die ihrer Erscheinungsform in der Geschichte anhaften, als eine wunderbare Schöpfung der Liebe, die geschaffen wurde, um Christus bis ans Ende der Zeiten jedem Mann und jeder Frau, der oder die ihm wirklich begegnen will, nahezubringen. Und in der Kirche bleibt der Herr immer unser Zeitgenosse.“

Liebe Brüder und Schwestern, in der Eucharistie bleibt das Weihnachtsgeheimnis gegenwärtig, in der Eucharistie wird die Kirche als Familie Gottes aufgebaut; in der Eucharistie sind wir mit allen Gläubigen vereint, auch mit den Heiligen und unseren lieben Verstorbenen. In der Eucharistie bleiben wir auch mit Benedikt XVI. verbunden und sind Gott aufrichtig dankbar für das Geschenk seines Lebens, den Reichtum seines Lehramtes, die Tiefe seiner Theologie und das leuchtende Beispiel dieses „einfachen und bescheidenen Arbeiters im Weinberg des Herrn“. Amen.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Erzbischof Georg Gänswein hielt die Predigt in italienischer Sprache. Die deutsche Übersetzung wurde von Silvia Kritzenberger angefertigt.

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