21 März, 2024 / 7:00 AM
CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden Palmsonntag.
Aus dem langen Wortgottesdienst möchte ich nur einen Satz herausgreifen, der jedoch eindringlich wiederkehrt. Auf die erhabenste Weise hat ihnen Jesus selbst ausgerufen, am Kreuz. Markus überliefert ihn auf Aramäisch, so wie er aus dem Mund Jesu gekommen war: „Éloï, Éloï, lema sabachtáni?“ Dann fügt er uns die Übersetzung an: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Ein Satz, den wir als Refrain zum Psalm 21 (22) wiederholt haben, aus dem er stammt.
Jesus erfährt am Kreuz jede Art von körperlichen und seelischen Leiden. Sein größtes Leid aber ist, sich von Gott verlassen zu fühlen. Wie der Psalmist fragt Jesus angstvoll: „Warum?“ Und er findet keine Antwort.
Im Angesicht des Leides fragen sich auch jene, die nicht glauben, spontan: „Warum?“ Wer einen schwachen Glauben hat – wie es uns allen passieren kann –, fühlt sich auf die Probe gestellt, schwankt, zweifelt.Vielleicht liebt Gott uns nicht? Vielleicht ist Gott nicht gut? Vielleicht gibt es keinen Gott?
Für Jesus aber ist die Angst unendlich tiefer, gerade weil der Zweifel seine Seele nicht durchdringt. Jesus weiß, dass der Vater ihn liebt, dass er unendlich gut ist, dass sein Leben ganz von ihm abhängt. Und dennoch sieht er sich allein, verlassen, im Abgrund des Schmerzes, der ihn in den Tod führen wird. Seine Worte sind kein Vorwurf gegen den Vater, sondern bringen das unermessliche Leiden des Sohnes zum Ausdruck, weil das Angesicht des Vaters verborgen ist.
In den Augen seiner Feinde wird Jesus von Gott gedemütigt. Das lässt ihn mehr leiden als die körperlichen Qualen, weil es die Wunde trifft, die ihn am meisten schmerzt: seine Beziehung zum Vater.
Gerade weil er den Vater unendlich liebt, offenbart Jesus ihm seine ganze Angst; sein Gebet ist ein Gebet, das seine Gefühle, seine Verlorenheit, nicht verbirgt. Auf diese Weise lehrt uns Jesus, in unseren tiefsten Ängsten, wenn unser Glaube wankt, zu beten. Er lehrt uns, uns die Worte des Psalmisten zu eigen zu machen: „Du aber, Herr, halte dich nicht fern! Du, meine Stärke, eile mir zu Hilfe!“ Wenn er mit den Worten dieses Psalms betet, dann deshalb, weil er selbst im dunkelsten Abgrund sicher ist, dass der Vater ihn erhört. Er macht sich die Worte Jesajas (50,7) zu eigen: „Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden.“
Ich denke, dass diese Lehre für uns von grundlegender Bedeutung ist. Jesus macht sich solidarisch mit all unserem Schmerz, insbesondere mit der größten Angst des Glaubenden: dem Gefühl, von Gott verlassen zu sein. In Wirklichkeit verlässt Gott uns nicht, so wie er seinen Christus nicht verlassen und ihn auferweckt hat.
Wir, die wir aus dem Pascha Christi leben, erfahren sowohl die Verlassenheit als auch die Erlösung. Bloß dass die Verlassenheit nur scheinbar ist, während die Erlösung real ist. „Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate“, sagt Jesaja. Also muss das, was wir wissen, über das siegen, was wir empfinden. So wird das Dunkel der Passion dem glänzenden Licht der Auferstehung weichen.
Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.
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