25 Juni, 2018 / 2:00 PM
"Mama, am wohlsten fühle ich mich zu Hause bei Mama und Papa!", sagt unsere Große gerne in Momenten der absoluten Glückseligkeit, aber auch wenn sie aufgeregt ist oder es darum geht, dass sie irgendwo ohne uns hin soll und sie ein bisschen unsicher ist. Dann sucht sie Bestätigung bei uns und sagt diesen Satz fast wie eine selbsterfüllende Prophezeiung, damit ihm noch mehr Gewicht verliehen wird und sie sicher ist, dass ihr Gefühl bei uns gut aufgehoben ist.
Sie ist sehr sensibel, reagiert deutlich auf Veränderungen, ist also ein richtiges Gewohnheitstier und packt sich gerne Dinge "zur Sicherheit" in ihren Rucksack, wenn sie etwa einen Kindergartenausflug macht. Taschentücher, ein bisschen Kleingeld, das Heiligenbildchen ihrer Namenspatronin, ein Paar Socken und eine Strickjacke, falls es kalt wird…all diese Dinge kann ich ihr auch bei 30 Grad im Schatten nicht ausreden; "im Notfall bin ich ausgerüstet", ist ihre Antwort.
Sie möchte sich ein Stückchen zu Hause, ein Stückchen Heimat einpacken. In Zeiten der großen Flüchtlingswelle, der Krise, die dieses Thema politisch, aber auch gesellschaftlich ausgelöst hat sowie die Frage der nationalen Identität, ist das Thema Heimat brandaktuell.
Auf der einen Seite stehen die Menschen, deren Heimat durch Zerstörung, Verfolgung und Hass nicht mehr existiert. Sie fliehen auf der Suche nach einer neuen Heimat. Vielleicht hat sich auch irgendwo auf der Welt ein Kind Dinge in einen Rucksack gepackt, um "für den Notfall" gerüstet zu sein. Bloß ist dieser Notfall dann vermutlich deutlich greifbarer und existentieller, als die Notsituation, in die meine Tochter auf einem Ausflug in den Tierpark reell geraten könnte.
Auf der anderen Seite stehen die Menschen, die in ihren Heimatländern Zuflucht bieten sollen für die Geflüchteten, die wiederum Sorge haben, dass sich ihre Heimat durch das viele Neue verändert oder gar bedroht ist. Im Grunde zwei gleiche Motive: Das Streben nach Glück, Beständigkeit und Heimat.
In Deutschland ist es schwer über Heimat zu sprechen. Deswegen sind die öffentlichen Diskussionen auch immer so aufgeladen, so aufgeregt und so wenig konstruktiv. Manchmal würde ich gerne meine Tochter mit ihrem Rucksack in eine Polittalkshow schicken, um den Leuten ganz einfach zu erklären, wie es sich verhält mit dem "zu Hause" und welche Gefühle mitschwingen, wenn es um Heimat geht. Dann würden vielleicht konstruktive Lösungen gefunden, wie man mit den suchenden Menschen umgehen kann, die verfolgt werden und nicht mehr so einfach nach Hause zurückkehren können. Aber auch wie man mit den Menschen umgeht, die ihre Heimat in Zukunft teilen sollen und Angst davor haben, dass das verloren geht, was sie sich aufgebaut haben.
Heimat kann aber auch unabhängig vom konkreten Haus oder der konkreten Stadt vielfältig empfunden werden. Meine Familie ist meine Heimat, mein Glaube ist Heimat, meine Sprache ist Heimat und ein Rucksack voller Habseligkeiten kann auch Heimat sein. Warum ist das so, was macht Heimatgefühle aus?
Ich verbinde Heimat mit zu Hause, mit Sicherheit, mit Geborgenheit, mit Liebe, mit Wärme und Wohligkeit. Mit durch und durch positiven Gedanken, die mich alle tragen und um meiner selbst Willen annehmen und wachsen lassen. Das Schöne dabei ist, dass ich als Christin tatsächlich überall Heimat finden kann, wenn ich mich bei Gott und in meinem Glauben beheimatet fühle, da ich dann sowohl alle anderen Gläubige als Schwestern und Brüder, also als Gleichgesinnte und Familie wahrnehmen kann, als auch bei Gott selber Zuflucht und Geborgenheit finden kann.
Heute Abend vor dem Zubettgehen werde ich mir überlegen, was ich alles in meinen "Rucksack voll Heimat" packen würde-ich glaube es werden die wesentlichen Dinge im Leben werden. "Heimat is e jeföhl" (Heimat ist ein Gefühl) sagt der Rheinländer und Recht hat er damit.
Das Blog "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" mit Elisabeth Illig erscheint jeden Montag bei CNA Deutsch. Alle bisherigen Blogposts finden Sie hier im Überblick.
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