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Das Drama um Kardinal George Pell geht in die nächste Runde

Kardinal George Pell

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Es ist Frühling in Australien. Der mächtige Wasserstrahl des Captain Cook Memorial Jet tanzt im Wind über Lake Burley Griffin. Wer, vom Zentrum in Canberra kommend, auf dem sechsspurigen Tourist Drive 7 hinüberfährt zum Capital Hill, der sieht durch die flackernden Schleier der Fontäne ein gewaltiges Betonklotz-Ensemble am anderen Seeufer liegen, aufgebaut wie die bedrohliche Kulisse eines dystopischen Films der 1980er Jahre: Es ist der Sitz des High Court of Australia.

Hinter den massiven Mauern dieses brutalistischen Baus prüften vor einigen Tagen Richterin Michelle Gordon and Richter James Edelman 22 Anträge auf Berufung. Sie lehnten sie alle ab – außer einem: Den Antrag mit Aktenzeichen M11/2019, offizieller Titel "Pell v. The Queen".

Der Erzbischof von Sydney, Anthony Fisher, begrüßte die Entscheidung des Gerichtshofes – auch wenn diese nur bedeutet, dass Kardinal George Pell und seine Anwälte "einen Antrag auf einen Antrag" haben stellen können.

"Der Kardinal hat stets seine Unschuld beteuert und tut es auch weiterhin, und das geteilte Urteil des Berufungsgerichtshofs spiegelt die geteilte Meinung unter Geschworenen, juristischen Kommentatoren sowie innerhalb unserer Gemeinschaft wider", so der Nachfolger Pells als Erzbischof von Sydney in einer Stellungnahme.

Der weitere juristische Weg indessen ist so wenig vorhersehbar wie der stürmische Kapriolen-Tanz der Wasserfontäne im Wind über dem künstlich angelegten Lake Burley Griffin.

Nach der Entscheidung in der vergangenen Woche steht fest, dass im März oder April kommenden Jahres in Canberra die "Full Bench" zusammentreten wird – mindestens fünf, wahrscheinlich jedoch alle sieben obersten Richter Australiens. Zu diesem Zeitpunkt werden sie erwägen, ob sie überhaupt der Argumentation des inhaftierten Kardinals Gehör schenken wollen: Pell und seine Anwälte argumentieren, dass der 77-jährige nur deshalb im Gefängnis ist, weil zwei Richter am Berufungsgericht von Victoria mehrere juristische Fehler gemacht haben, die dazu führten, dass sein Berufungsantrag abgelehnt wurde.

Der Oberste Gerichtshof wird bei seiner Anhörung in einigen Monaten erst einmal entscheiden müssen, ob er überhaupt prüfen will, wie die Richter am Berufungsgericht in Victoria geurteilt haben.

Sollte der High Court dann entscheiden, tatsächlich Pells Antrag stattzugeben – und ihm damit ein Recht auf einen Berufungsantrag einräumen – würde erst in einem weiteren Schritt geprüft, ob dieser Antrag auch auf argumentativ plausiblen Beinen stehen kann. Erst dann wiederum könnte es zu einem Berufungsverfahren kommen – in dessen Rahmen die Richter schließlich drei Möglichkeiten haben: Sie können erstens ein Wiederaufnahmeverfahren anordnen, zweitens die Sache zur Prüfung an den Victorian Court of Appeal zurückschicken – oder aber drittens Pell direkt freisprechen.

Unterdessen gibt es Anzeichen, dass sich der Wind der öffentlichen Meinung, zwar nicht dreht, aber zumindest weniger heftig gegen Pell weht, je mehr die angeblichen Einzelheiten der Beschuldigung sexueller Gewalt gegen zwei Chorknaben Verbreitung finden, die ein mutmaßliches Opfer erhoben hat – sowie die massiven Bedenken, die bereits Richter Mark Weinberg in seinem "Minderheiten-Urteil" gegen die Entscheidung der beiden anderen Richter am Berufungsgericht in Victoria erhob.

So meldete sich in den vergangenen Tagen ein ehemaliger Bundesminister zweier Labor-Regierungen zu Wort, der nach eigenem Bekunden "erleichtert" ist, dass der High Court nun Pells Antrag anhören könnte.

"Ich war noch nie ein großer Fan von George Pell und teilte weder seine religiösen Überzeugungen noch seine konservative Weltanschauung", schrieb Peter Baldwin, der dem linken Flügel von "Labor" zugerechnet wird.

"Wie konnte eine Verurteilung aufrechterhalten werden, wenn eines der beiden mutmaßlichen Opfer den Missbrauch bestreitet? Schreit nicht allein diese Tatsache danach, dass hier begründete Zweifel angezeigt sind?"

Gleichzeitig wird Kritik an Journalisten lauter, die einerseits klar als "Aktivisten" und aggressive Gegner Pells auftreten, andererseits aber weiterhin vom öffentlich-rechtliche Rundfunk und einigen Zeitungen als "Berichterstatter" interviewt werden – so der Autor Gerard Henderson in einem Zeitungskommentar.

Das eigentliche, menschliche Drama für Pell freilich spielt sich weit weg von der Monumental-Architektur des Gerichtshofes in der künstlich angelegten Hauptstadt Australiens ab, hinter den Gittern von Her Majesty’s Melbourne Assessment Prison. Dort hat der 77-jährige Kurienkardinal mittlerweile rund neun Monate in Einzelhaft verbracht. Berichten zufolge darf er nicht einmal die heilige Messe feiern.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Professor Mirko Bagaric von der Swinburne University forderte in einem Artikel im "Australian" bereits am 18. November, der – so wörtlich – "Folter" Pells ein Ende zu setzen, und ihn zumindest vorerst auf Kaution freizulassen.

"Untersuchungen zeigen, dass Gefangene, die lange Zeiträume in Einzelhaft verbringen, oft irreparable langfristige geistige und körperliche Schäden erleiden. George Pell wird durch seine Haftbedingungen einer modernen Folter ausgesetzt", so der Jurist und Kriminologe.

Ein solcher Umgang sei auch nicht im Interesse etwaiger Opfer sexuellen Missbrauchs.

Ob Pell über seine Anwälte Kaution beantragt hat, beziehungsweise beantragen wird, ist indessen unklar. Wie ein australischer Beobachter gegenüber der Tagespost sagte: "Könnte sein, dass er sich im Gefängnis sicherer fühlt als hier auf der Straße – oder gar in Rom".

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Eine frühere Fassung dieses Artikels erschien in der katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost".

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