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Essener Generalvikar über katholische Morallehre: „Wer bekommt das denn hin?“

Klaus Pfeffer

Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer hat nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie für sein Bistum am Dienstag auf eine Diskrepanz zwischen kirchlicher Lehre und „dem wahren Leben“ hingewiesen.

Konkret verwies er laut Meldung des Bistums darauf, dass „Sexualität laut Katechismus ausschließlich in einer gültigen katholischen Ehe praktiziert werden“ dürfe, um dann zu fragen: „[Aber] wer bekommt das denn hin?“ Er habe dabei „in viele zustimmende Gesichter“ geblickt, so das Bistum.

Viele Themen innerhalb der Kirche seien „pure Fassade“, zeigte sich der Generalvikar, der bereits seit mehr als zwölf Jahren im Amt ist, überzeugt. „Alle wissen, darunter sieht es anders aus, aber reden konnte darüber bislang kaum jemand?“ Die Priesterausbildung zeige beispielhaft, dass derartige Fassaden „toxisch“ wirken könnten.

In der Missbrauchsstudie hieß es mit Blick auf die Priesterausbildung, es habe „in den 1960er bis 1980er Jahren“ eine weitreichende „Sprachlosigkeit in Bezug auf Sexualität und sexualisierte Gewalt“ gegeben: „Das Erfordernis des Zölibats wurde theologisch gesetzt, ohne dessen psychologische und soziale Voraussetzungen zu adressieren. Zentrale Elemente des Anforderungsprofils von Priestern bestanden in einer unerschütterlichen Religiosität und in der damit verbundenen Unterordnung unter die hierarchischen Strukturen der katholischen Kirche.“

„Anekdotische Erzählungen, die sich auf Inhalte von Bischofs- und Regentenkonferenzen beziehen, legen eine Sichtweise nahe, wonach das Bistum Essen etwa ab Mitte der 1990er Jahre eine deutlich liberalere Linie in der Priesterausbildung vertrat als andere deutsche Bistümer“, so die Studie.

„Bis heute zeigt sich aber eine schwerwiegende Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf Liberalität seitens des Bistums Essen einerseits und offiziellen kirchlichen Vorschriften und Gesetzen andererseits: Die strenge Befolgung der zölibatären Lebensform (die sich dem Gesetz nach als vollständige und immerwährende Enthaltsamkeit zu manifestieren hat) wird im Bistum Essen ebenso ‚tolerant‘ ausgelegt wie das Verbot, homosexuelle Männer zu Priestern zu weihen. Ein zentraler Befund unserer Studie besteht in der deutlichen Diskrepanz zwischen den moralischen Ansprüchen der offiziellen katholischen Kirche und der Wirklichkeit ‚fehlbarer‘ Kleriker, die im Bistum Essen geduldet werden.“

Der Essener Generalvikar sagte am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung, wer im Priesterseminar gelebt habe, „der wusste auch damals schon: Das ist komisch, da stimmt was nicht“. Pfeffer begann sein Theologiestudium im Jahr 1985 und wurde 1992 zum Priester geweiht. Jedenfalls gelte: „Heute können wir darüber sprechen, das ist wichtig.“

Bei derselben Veranstaltung betonte Bischof Franz-Josef Overbeck, seit 2009 für das Ruhrbistum zuständig, dass „es heute eine andere Perspektive auf Sexualität und auf den Menschen gibt“. Ein Bischof aus einem anderen Land habe ihm gesagt, es wäre kaum noch ein Priester in seiner Diözese, wenn er alle, von deren homosexuellem Leben er wisse, wegschicken würde.

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