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"Sterben als wichtigen Teil des Lebens erfahren": Plädoyer für Verbot assistierten Suizids

Beihilfe zum Selbstmord oder lieber eine gute Begleitung beim Sterben? Am 6. November stimmt der Bundestag ab.
Professor Dr. med. Christoph von Ritter ist Mitglied im päpstlichen Gesundheitsrat und Ärztlicher Leiter einer Klinik in Oberbayern.

Der Umgang mit dem Sterben ist nicht nur an Allerheiligen und in der nun dunkel werdenden Jahreszeit ein Thema. In westlichen Gesellschaften ist eine Erleichterung der Selbsttötung Gegenstand öffentlicher Debatten – und in Deutschland auch einer Entscheidung im Bundestag: Am 6. November stimmen die Parlamentarier über die Straffreiheit zur Suizidbeihilfe (§ 217 StGB) ab. Es liegen vier Gesetz-Entwürfe vor – wie CNA berichtete. Nur einer ist für ein klares Suizid-Verbot: Der sogenannte Sensburg/Dörflinger-Entwurf – und das aus guten Gründen, argumentiert Professor Christoph von Ritter. Der Mediziner ist Mitglied des päpstlichen Gesundheitsrates und Ärztlicher Leiter einer Klinik am Chiemsee in Oberbayern. 

CNA: Herr Professor von Ritter, wenn am 6. November über die Straffreiheit der Suizidbeihilfe entschieden wird: Welcher der vier Entwürfe ist aus Ihrer Sicht vertretbar?

RITTER: Aus einer ganzen Reihe von Gründen würde ich für den Gesetzesentwurf von Sensburg/Dörflinger stimmen. Dies ist der einzige Vorschlag, der ein uneingeschränktes Verbot jeglicher Art von Assistenz beim Suizid vorsieht. Nur ein solches generelles Verbot garantiert den umfassenden Schutz der Schwachen in unserer Gesellschaft. Alte Menschen, chronisch Kranke, Depressive äußern  nicht selten aus Verzweiflung den Wunsch zu sterben. Wir müssen diesen Menschen die Verzweiflung nehmen und sie davor bewahren, daß man ihnen das Leben nimmt.  Die Pflege und ärztliche Versorgung belastet die Gesellschaft und Angehörige finanziell. Nur ein uneingeschränktes Verbot der Assistenz zum Suizid kann verhindern, daß ein Mensch gedrängt wird, Selbstmord zu begehen, um anderen nicht zur Last zu fallen. Weiterhin müssen Ärzte davor bewahrt werden als Todeshelfer missbraucht zu werden, ansonsten verraten sie ihren Hippokratischen Eid und beschädigen nachhaltig die Vertrauensbasis zu ihren Patienten.  Auch Angehörige müssen davor bewahrt werden, zu einer Assistenz zum Selbstmord gedrängt zu werden. Andererseits muß der alte und kranke Mensch vor Übergriffen aus seinem Umfeld geschützt werden, die nachträglich als Assistenz zum Suizid verbrämt werden.

CNA: Befürworter der Legalisierung argumentieren mit dem würdevollen Sterben, dem schmerzfreien Tod. Können Sie das verstehen?

RITTER: Nie in der Menschheitsgeschichte war sterben leichter als in Ländern mit moderner Palliativmedizin. Menschen heutzutage mit der Vorstellung eines „qualvollen Tods“ zu erschrecken und auf diese Weise zum Suizid anzustiften, ist unredlich. Der Vorsitzende der Deutschen Palliativstiftung Thomas Sitte formuliert es so: „Moderne Palliativmedizin macht die Sterbehilfedatte überflüssig“.

CNA: Was verrät die Debatte um Suizidbeihilfe über unsere Gesellschaft?

RITTER: Zunächst einmal ist die Debatte zur Beihilfe zum Suizid in den letzten Monaten erfreulicherweise sehr viel intensiver und sorgfältiger verlaufen als in den Jahren zuvor und gründlicher als in vielen anderen Ländern. Allerdings hat die Debatte auch eindrucksvolle Defizite offenbart: so wurden z.B. konsequent Erfahrungen aus der deutschen Geschichte und den Nachbarländern zur Legalisierung der Euthanasie ausgeblendet. Auch die sozioökonomischen Aspekte im Rahmen des demographischen Wandelns wurden nur ganz selten transparent gemacht. Insgesamt hätte man sich statt der vielfältigen, verwirrenden Kompromissformeln klare Standpunkte zur Schutzpflicht des Staates für das menschliche Leben wie im britischen Parlament gewünscht, was ja bekanntlich jegliche Art von Beihilfe zum Suizid mit großer Mehrheit eine Absage erteilte.

CNA: Was würden Sie sich für einen Ausgang am 6. November wünschen?

RITTER: Unabhängig vom Ausgang der Abstimmung im Parlament müssen weiter intensive Anstrengungen unternommen werden, die Palliativmedizin und die Hospizversorgung auszubauen. Ich würde mir wünschen, daß auf diese Weise auch in Zukunft Menschen, liebevoll begleitet, das Sterben als einen wichtigen Teil ihres Lebens erfahren können.



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