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Kardinal Hollerich: „Heute haben wir Politiker. Politiker haben keine Überzeugungen“

Kardinal Jean-Claude Hollerich im Pressesaal des Vatikans (Archivbild).

Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ hat am Donnerstag in einem Interview mit der französischen Zeitung „La Croix“ über die Europawahl und die schwindende Einflussnahme des Christentums auf die Politik gesprochen. Hollerich ist Erzbischof von Luxemburg, Mitglied des Kardinalrats, der Papst Franziskus berät, und als Generalrelator eine Schlüsselfigur bei der Weltsynode.

„Es handelt sich um eine politische Folge des Niedergangs des Christentums und des Katholizismus in Europa. Denn es ist eine Tatsache, dass die Christen in Europa mittlerweile eine Minderheit darstellen und in den kommenden Jahren noch mehr werden“, erklärte der Kardinal die aktuelle politische Position der Christen in Europa.

Dieser Niedergang habe für einen „Mangel an Idee“ gesorgt und keine Politiker mehr hervorgebracht vom Kaliber Robert Schuman und Alcide De Gasperi – zwei überzeugte Katholiken und Gründer der Europäischen Union.

„Heute haben wir Politiker. Politiker haben keine Überzeugungen: Sie lesen Umfragen und passen das, was sie denken, daran an. Das ist ein riesiger Fehler, den ich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene sehe“, erklärt Hollerich.

Dabei sei die politische Argumentation in den Hintergrund getreten: „Heute haben diejenigen, die uns regieren, kein Rückgrat mehr.“

Heute seien es andere „Ideale“ , die von einem großen Teil der Bevölkerung getragen würden, wie beispielsweise die Ökologie und der Klimawandel. Hollerich teile diese Ideale , denn „sie sind eine Notwendigkeit, um die Menschheit zu retten“.

Der Klimawandel müsse gestoppt werden, weil dieser „genauso viele Menschen töten wird wie der Krieg“. Die Kirche könne jedoch aufgrund des Zweiten Vatikanischen Konzils in einen Dialog mit der Welt treten, denn ohne diesen „kann nichts geschehen“.

„Aber andere Ideale, wie die Globalisierung, werden von einer kleinen bürgerlichen, reichen und intellektuellen Minderheit getragen. Was die verschiedenen sozialistischen Parteien betrifft, so tragen sie in vielen Ländern eher gesellschaftliche als soziale Reformen mit sich herum“, so Hollerich.

Dennoch sieht der Kardinal die Christen auch weiterhin als Ressource für die Zukunft der Europäischen Union und verglich ihre heutige Lage mit jener Minderheit der Sowjets während der Russischen Revolution: Es war ihnen trotz quantitativer Unterlegenheit gelungen, ihre Idee durchzusetzen.

Bezüglich der Europawahl hielt der Kardinal fest: „Wir haben uns an die Europäische Union gewöhnt. Wir sind uns der Vorteile dieser politischen Institution und des Willens, der dahinter steht, nicht mehr bewusst.“

Hollerich warnte außerdem vor einer Rückkehr des „Faschismus“: „Er ist bereits da. Ich möchte Italien nicht brüskieren, aber die Regierungspartei dort ist postfaschistisch. Das macht mir Angst, zumal ich aus einer Familie komme, in der alle im Widerstand waren. Als kleiner Junge habe ich Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg gehört.“

Zum Thema Abtreibung verurteilte der Kardinal die „reiche Gesellschaft“, weil sie keine andere Lösung finde als „ungeborene Kinder zu töten“. Er warnte: „Die Geschichte wird über uns urteilen.“

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