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"Familien müssen endlich zum Maßstab werden": Anhörung in Berlin

Ehe und Familie: Für Christen nicht nur die Urzelle des menschlichen Zusammenlebens, sondern auch eine "Hauskirche".

Familien sollen endlich Maßstab der Politik werden: Das ist eine der zentralen Forderungen der dritten Anhörung zum Thema Ehe und Familie der zuständigen Kommission Deutschen Bischofskonferenz. Mit einer gemeinsamen Pressemitteilung haben der Familienbund der Katholiken und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) die Ergebnisse des "Hearing" bezeichneten Thementages gestern in Berlin vorgestellt. Neben anderen Forderungen, ist daran vor allem die Ankündigung wichtig, dass der Tag der Vorbereitung des Hirtenwortes der deutschen Bischöfe zu Ehe und Familie diene, das Kardinal Reinhard Marx bereits in Rom angekündigt hatte.   

Wir dokumentieren die Pressemitteilung in voller Länge:

Die "Kommission für Ehe und Familie" der Deutschen Bischofskonferenz und der Familienbund der Katholiken haben gestern in Berlin bei der Veranstaltung „Hören! Was Familien brauchen“ über die Gestaltung einer zukunftsgerichteten Familienpolitik diskutiert. Das Hearing diente der Vorbereitung eines Wortes der deutschen Bischöfe zu Ehe und Familie.

Ehe und Familie sind für die meisten Menschen zentrale Werte für ein gelingendes Leben. Familienpolitik schafft wichtige Rahmenbedingungen für das Familienleben und ein gutes Aufwachsen von Kindern. „Wir haben als Christen die Pflicht, Politik für Familien mit zu gestalten“, sagte Erzbischof Dr. Heiner Koch (Berlin), Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie der Deutschen Bischofskonferenz. Die Kirche müsse dabei besonders die benachteiligten Familien in den Blick nehmen und den Fokus auf kinderreiche und bildungsferne Familien legen. Auch gelte es, verlässliche Beziehungen und die Erziehungsfähigkeit der Eltern zu stärken. Erzbischof Koch betonte, die auf Ehe gegründete Familie sei in besonderer Weise geeignet, verlässliche Beziehungen und Fürsorge für andere zu fördern und zu ermöglichen. „Jede Ehe ist nicht nur eine Lebensform, sondern auch ein Stück Heilsgeschichte.“

Stefan Becker, Präsident des Familienbundes der Katholiken, forderte einen Paradigmenwechsel in der Familienpolitik. „Wir benötigen dringend ein neues Verständnis von Arbeit, das nicht allein nur Erwerbsarbeit meint, sondern auch Familienarbeit und ehrenamtliche Arbeit berücksichtigt“, so Stefan Becker.  „Ich wünsche mir, dass moderne Lebensentwürfe mit der Bereitschaft zur Übernahme von Sorgeaufgaben kompatibel werden. Ich wünsche mir, dass Menschen, die sich für Kinder entscheiden, nicht länger das Nachsehen haben.“ Becker erhoffe sich vom Wort der deutschen Bischöfe zu Ehe und Familie, dass dieses auf die Notwendigkeit einer familiengerechten Neugestaltung der Sozialversicherung und der Familienpolitik hinweist: Familien müssten endlich zum Maßstab werden – nicht die Wirtschaft.

Zur Vorbereitung des familienpolitischen Teils des Wortes der deutschen Bischöfe waren mit Dr. Karin Jurczyk (Leiterin der Abteilung Familienpolitik des Deutschen Jugendinstitutes in München), Prof. Dr. Anne Lenze (Professorin für Familien-, Jugendhilfe- und Sozialrecht am Fachbereich Sozialpädagogik der Hochschule Darmstadt) und Professor Dr. Martin Werding (Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum) drei renommierte familienpolitische Referenten zum Hearing geladen. Sie befassten sich mit grundlegenden Fragen der Familienpolitik: Welche Rahmenbedingungen brauchen Familien heute, damit sie die Leistungen, die sie für sich und die Gesellschaft erbringen wollen, auch erbringen können? Wie können Familien eine gerechte Anerkennung für die von ihnen erbrachten Leistungen erhalten? Wie kann eine zukunftsgerichtete Familienpolitik aussehen, die Lust auf Familie macht und dazu beiträgt, dass Familien wertgeschätzt werden?

„Wir leben in einem sozialen System der Vergangenheit“, so Prof. Dr. Anne Lenze. Sie forderte Solidarität zwischen Menschen mit und ohne Sorgeverantwortung und benannte die Belastung der Familien durch zu hohe Beiträge zu den sozialen Sicherungssystemen als eine wesentliche Ursache der Armut von Familien. Eine Umverteilung unter den Sozialversicherten zwischen Eltern und Kinderlosen sei notwendig.

In welchen Ausmaß Familien in den sozialen Sicherungssystemen benachteiligt werden, verdeutlichte Prof. Dr. Martin Werding. Seine Studie für die Bertelsmann-Stiftung kommt zu dem Ergebnis, dass ein im Jahr 2000 geborenes Kind bei durchschnittlichem Erwerbsverhalten rund 77.000 Euro mehr in die Rentenversicherung einzahlt, als es daraus erhalte. Die Rentenansprüche der Betreuungsperson – in der Regel die Mutter – aus den Erziehungszeiten betragen dagegen nur 8.300 Euro. Damit werden die Leistungen der Eltern sozialisiert, während die Lasten der Kindererziehung privatisiert bleiben. Auch er verlangte eine stärkere Anerkennung der Leistungen der Eltern.

Dr. Karin Jurczyk skizzierte ihre „Vision 2040“ für eine nachhaltige Gesellschaft, Chancengerechtigkeit und ein gutes Leben. Ein zentraler Baustein dafür sei die deutliche Aufwertung der Care-Arbeit. „Wir müssen fragen: Was sind der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft fürsorgliche Beziehungen wert?“ Familienpolitik, die eine Optionsvielfalt zum Leitbild hat, funktioniere nur, wenn verlässlich angelegte Sorgebeziehungen zwischen Menschen und nicht Lebensformen der Ankerpunkt seien.

Das Hearing „Hören! Was Familien brauchen“ war das dritte Hearing der Kommission für Ehe und Familie der Deutschen Bischofskonferenz. Weitere Hearings fanden am 19. Juni 2015 mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken und am 4. September 2015 mit dem Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ statt.

 

 

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