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ZdK-Vize Söding verteidigt kirchliche Einmischung in Debatte um Brosius-Gersdorf

Thomas Söding

Im Streit um die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts mit der Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf verteidigte der Theologe Thomas Söding ausdrücklich die Einmischung kirchlicher Stimmen in politische Gewissensentscheidungen. Der Neutestamentler und Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) stützte sich dabei auf das von der Kirche vertretene Naturrecht.

Als Naturrecht werden philosophische Grundsätze bezeichnet, die für alle Menschen gelten, egal in welchem Land oder mit welchem Glauben. Dazu zählt: Niemand darf unschuldige Menschen töten, jeder hat grundsätzlich ein Recht auf gerechte Behandlung, Versprechen sollen gehalten werden.

Die katholische Kirche geht davon aus, dass solche Regeln von Gott grundlegend in die menschliche Natur gelegt wurden und deshalb von allen mit der Vernunft erkannt werden können.

Thomas von Aquin verstand das Naturrecht laut Söding als Teil der von Gott gesetzten Schöpfungsordnung („lex aeterna“), dem jedes von Menschen gemachte Recht („lex humana“) entsprechen müsse – im Völkerrecht ebenso wie im bürgerlichen Recht.

Für Söding ist das Naturrecht keine überholte Kategorie, sondern, wie er in der Frankfurter Allgemeinen schrieb, eine „gut begründete Überzeugung“, weil es eine universale Ethik ermögliche, die „von allen Menschen guten Willens“ geteilt werde und den Rechtsstaat auf Werte verweise, die er nicht selbst hervorbringe, sondern voraussetze.

„Beidem ist zu widersprechen“, so Söding in Bezug auf die Aussage, Naturrecht sei obsolet und das christliche Menschenbild eine bloße „Fiktionsformel“.

Ausgangspunkt der Debatte war eine Stellungnahme der CDU-Politikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker in der Frankfurter Allgemeinen, die sich auf das „Naturrecht“ und das „christliche Menschenbild“ berufen hatte, um zu erklären, warum sie Frauke Brosius-Gersdorf nicht zur Bundesverfassungsrichterin wählen könne.

Gegen Brosius-Gersdorf gab es besonders aus der Union starken Widerstand wegen ihrer Position zur Abtreibung: Sie hält eine Legalisierung von Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen für verfassungsrechtlich möglich.

Besonders umstritten war zudem ihre Aussage: „Ob dem Embryo und später Fetus der Schutz der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes zukommt, das ist in der Tat in der Verfassungsrechtswissenschaft sehr umstritten. Meines Erachtens gibt es gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“

In Deutschland werden bereits nach aktueller Rechtslage jährlich mehr als 100.000 ungeborene Kinder im Mutterleib getötet. Von 1996 bis 2023 wurden ungefähr 1,8 Millionen Kinder abgetrieben.

Der evangelische Systematiker Friedrich Wilhelm Graf widersprach Winkelmeier-Becker in einem Artikel und erklärte, das Naturrecht sei obsolet und das christliche Menschenbild eine „Fiktionsformel“.

Söding stellte klar, dass eine faire Debatte Positionen nicht in ihrer schwächsten, sondern in ihrer stärksten Form diskutieren müsse: „Frauke Brosius-Gersdorf setzt sich nicht für ein Recht auf Abtreibung ein und will nicht Abtreibungen bis zum neunten Monat erlauben“, betonte er. Vielmehr könne sie „für sich beanspruchen, das Grundrecht auf Leben vom Zeitpunkt der Nidation an verteidigt zu haben“.

Kritisch wandte sich Söding aber gegen ihre Einschätzung, dass die Menschenwürdegarantie in medizinischen Konfliktfällen zu einem unlösbaren Dilemma führe. „Ist das tatsächlich so?“, fragte er und verwies auf Paragraph 218a Absatz 2 im Strafgesetzbuch, wonach eine Abtreibung „nicht rechtswidrig“ sei, wenn sie das Leben der Mutter rette.

Die katholische Theologie widerspreche dem nicht, unterscheide aber strikt zwischen direkter und indirekter Wirkung einer Handlung: „Papst Pius XII. hat 1951 festgestellt, dass zwar eine intendierte Abtreibung moralisch immer unerlaubt sei, dass aber, um das Leben der Mutter zu retten, die ‚unvermeidliche Nebenfolge‘ in Kauf genommen werden müsse, dass der Embryo stirbt“, erklärte der Theologe.

Es brauche also, so Söding, „keine Abstufung, sondern eine konsequente Anwendung des Menschenwürdeschutzes, um zu erkennen, dass weder ethisch noch juristisch ein Dilemma besteht“.

Die Auseinandersetzung berühre die Grundlagen des Rechtsstaates. Söding erinnerte an den Disput zwischen Ernst-Wolfgang Böckenförde und Horst Dreier. Dreier habe argumentiert, der Staat solle dem Embryo keine Menschenwürde zuerkennen, Böckenförde hingegen: „Der Rechtsstaat verleiht die Menschenwürde nicht, sondern garantiert sie.“

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Der evangelische Systematiker Graf verkenne, so Söding, dass ein rein rechtspositivistisches Verständnis – wie es Hans Kelsen geprägt habe – die Frage offenlasse, „wer das Recht setzt und wer es beugt, wer es befolgt und wer es bricht“.

Theologisch begründete Söding die Eigenständigkeit des Politischen mit dem Wort Jesu, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. „Die Autonomie des Politischen ist theologisch begründet“, erklärte er, „daraus folgt aber nicht, dass es ein Recht gäbe, das sich selbst genug wäre“.

Benedikt XVI. habe 2011 im Bundestag betont, dass Politik und Recht keiner religiösen Ordnung unterstehen, wohl aber einer ethischen, die den Menschen als Gottes Ebenbild ins Zentrum stelle.

Das Naturrecht sei in der katholischen Tradition ein Versuch, Theologie und Philosophie zu verbinden, um eine universale Ethik zu entwickeln. Graf sehe darin eine zeitgebundene neuscholastische Form, doch daraus folge nicht, den Begriff aufzugeben.

Mit Blick auf Thomas von Aquin betonte Söding, dass es keine einfachen Ableitungen vom ewigen Recht („lex aeterna“) über das Naturrecht („lex naturalis“) hin zum menschlichen Recht („lex humana“) gebe.

„Einerseits begründet er, dass es keine einfachen Deduktionen aus dem ewigen aufs natürliche und aus dem natürlichen aufs menschliche Recht geben kann, weil immer Konkretionen in Konstellationen nötig sind; andererseits bindet er politische Gesetze an transnationale, transkulturelle Standards“, so der Theologe.

Aufgabe der Theologie sei es, nachzuweisen, „dass und wie die Kirchen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fördern, die Menschenwürde verteidigen, die Menschenrechte begründen, der Gerechtigkeit dienen und gleichzeitig helfen, die Versuchung der Überhöhung politischer Macht zu bestehen“.

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