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Das Aschenkreuz als Zeichen des Heils: Predigt von Kardinal Kurt Koch zum Aschermittwoch

Eine Kreuzdarstellung vom Meister von Sankt Lorenz in Köln
Der Campo Santo Teutonico
Agnus Dei – Das Lamm Gottes – von Francisco des Zurbarán entstand um 1640. Das Original hängt heute im Museo del Prado.

In der Kirche am Campo Santo Teutonico im Vatikan hat der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch am heutigen Aschermittwoch-Abend zum Auftakt der Fastenzeit gepredigt.

CNA Deutsch dokumentiert den Wortlaut mit freundlicher Genehmigung.

Am Beginn und am Ende eines Gebetes und eines Gottesdienstes machen wir das Zeichen des Kreuzes und sprechen: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir zeichnen das Kreuz über uns und lassen uns in den Segen des Dreifaltigen Gottes hinein nehmen. Wir zeichnen das Kreuz über andere Menschen, indem wir ihnen den Segen Gottes zusprechen und damit das Herzensanliegen verbinden, dass sie nicht mehr aus dem Lebensraum dieses Segens fortgehen mögen. Das Kreuzzeichen ist die eigentliche Segensgebärde des Christen und seine grundlegende Gebetsgebärde überhaupt, und das Kreuzzeichen ist das elementarste Glaubensbekenntnis, ein leiblich ausgedrücktes Bekenntnis unseres Glaubens an den Dreifaltigen Gott.

Das Kreuz als Ausdruck und Siegel der Liebe

Eine besondere Bedeutung hat das Zeichen des Kreuzes, das wir am Aschermittwoch mit Asche auf das Haupt zeichnen. Wir eröffnen damit die Österliche Busszeit und bringen zum Ausdruck, dass diese Zeit besonders unter dem Zeichen des Kreuzes steht. Wir sagen damit ein sichtbares und öffentliches Ja zu Jesus Christus, der Mensch geworden ist und für unsere Sünden am Kreuz gelitten hat. Denn Gottes Wille besteht darin, dass wir uns mit Gott versöhnen, wie dies Paulus in der heutigen Lesung von Christus bekennt: "Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit würden" (2 Kor 5, 21). Um uns Menschen mit Gott zu versöhnen, hat Gott einen sehr hohen Preis bezahlt, nämlich das Blut seines eingeborenen Sohnes. Am Kreuz Jesu wird sichtbar, dass Gottes Liebe keine Grenzen kennt, dass er uns Menschen bis zum Ende liebt und diese Liebe teuer bezahlt hat.

Wie aber gehen Liebe und Kreuz zusammen? Für viele Menschen und selbst Christen heute gehen diese beiden Wirklichkeiten gerade nicht zusammen, sondern werden als strikter Gegensatz wahrgenommen. Eine tragfähige Antwort auf diese brennende Frage kommt uns nur zu, wenn wir genauer danach fragen, worin denn Liebe besteht, und dabei wahrnehmen, dass es Liebe gar nicht ohne Opfer geben kann. Denn Liebe als Hingabe seiner selbst an den Anderen und deshalb als Hingabe des eigenen Lebens gegenüber einem Anderen, ist Opfer. Diese Wahrheit zeigt sich am deutlichsten am Kreuz Jesu. Es offenbart uns die Logik seiner radikalen Liebe zu uns Menschen und zeigt uns, dass der Gute Hirte selbst dann nicht von seiner barmherzigen Suche nach dem Verlorenen ablässt, wenn die bösen Mächte in den Menschen entbrennen und den Guten Hirten selbst treffen. Der Kreuzestod Jesu offenbart uns das konsequente Handeln eines grenzenlos liebenden Guten Hirten, der uns Menschen bis in die tiefsten Abgründe und verborgenen Katakomben eines durch-Kreuz-ten Lebens nahe sein will, um uns mit seiner Liebe zu erlösen. Das Kreuz ist die Erscheinung der grössten Liebe Gottes oder, wie Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika über die christliche Liebe sagt, "Liebe in ihrer radikalsten Form"[1]. Denn das Kreuz ist das deutlichste Zeichen dafür, dass Jesus sich nicht mit verbalen Liebeserklärungen an uns Menschen begnügt, sondern selbst einen hohen Preis für seine Liebe bezahlt hat, indem er am Kreuz in Liebe sein Herzblut für uns Menschen investiert hat.

Um die Tiefe dieser grenzenlosen Liebe erahnen zu können, haben die Kirchenväter im Opfertod Jesu am Kreuz die endgültige Erfüllung der Opferung Isaaks durch Abraham erblickt. Wiewohl Abraham bereit gewesen ist, den eigenen Sohn hinzugeben und damit Gott seine grösste Liebe zu opfern, hat Gott Isaak verschont und sich mit dem Widder begnügt, der sich im Gestrüpp verfangen hat und den Abraham anstelle seines Sohnes Gott dargebracht hat. Während der alttestamentliche Isaak nicht sterben musste, sondern durch einen Widder ersetzt wurde, hat der neue Isaak, nämlich Jesus Christus, sein Leben selbst ohne jeden Ersatz dahingegeben, wie Origenes sensibel bemerkt hat: "In wunderbarer Weise wetteifert Gott in der Freigebigkeit mit den Menschen: Abraham hat Gott einen sterblichen Sohn geopfert, ohne dass dieser sterben musste; Gott hat den unsterblichen Sohn dem Tod überliefert für die Menschen."[2] Und Maximus der Bekenner war deshalb überzeugt, dass Christus "sozusagen göttlich gestorben ist, weil er freiwillig gestorben ist"[3]. Das wahre und neue Opfer Jesu Christi konnte nicht mehr wie im Tempel in der Übergabe von Tieren bestehen, sondern nur in der Selbsthingabe des Sohnes an seinen Vater für uns Menschen. Indem der Gute Hirte selbst Lamm geworden ist, um auf die Seite der bedrängten Lämmer zu treten, hat Jesus den alttestamentlichen Kult von Tieropfern überwunden, und an seine Stelle ist der neue Kult getreten, den Christus am Kreuz seinem Vater dargebracht hat und der im Sich-Selbst-Geben besteht. In diesem neuen Kult gibt es keinen Ersatz durch Tieropfer mehr, sondern nur Einsatz des eigenen Lebens.

Zeichen des Todes – Zeichen des Lebens

Diesen neuen Kult hat Christus für uns Menschen dargebracht. Wird diese Botschaft der Liebe aber nicht Lügen gestraft, wenn am Aschermittwoch das Kreuzzeichen mit Asche gemacht wird und der Priester dazu spricht: "Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst"? Mit diesen Worten werden wir zu den Anfängen der Menschheitsgeschichte zurückgeführt, als nach dem Sündenfall Gott zu Adam gesprochen hat: "Im Schweisse deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bist du zurückkehrst zum Ackerboden, von ihm bist du ja genommen. Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück" (Gen 3, 19). Damit werden wir an unsere Verletzlichkeit, Gebrechlichkeit, Hinfälligkeit und damit an unseren bevorstehenden Tod erinnert, der die letzte Konsequenz unserer conditio humana ist. Staub und Asche sind Zeichen des Sterbens und des Todes.

Das Zeichen des Aschenkreuzes erinnert uns unmissverständlich daran, dass wir Menschen Staub sind und wieder zum Staub zurückkehren werden. Es ist gut, daran erinnert zu werden, zumal in einer Zeit, in der wir Menschen den Tod aus unserem Leben zu verdrängen pflegen und damit keineswegs dem Leben dienen. Denn wenn der Tod nicht mehr als zum Leben selbst gehörend betrachtet wird, gefährden wir nicht nur die Würde des Sterbens, sondern auch die Würde des Lebens. Die heutigen Diskussionen und Bestrebungen um die Straflosigkeit der Beihilfe zum Suizid zeigen uns, wohin es führt, wenn wir Menschen nur noch gesund sterben wollen.

Der Aschermittwoch fordert uns heraus, uns dem eigenen Tod zu stellen. Dies ist aber nur deshalb heilsam, weil der Aschermittwoch uns noch eine andere Botschaft bereithält. In der Liturgie dieses Tages wird die Asche nicht nur als Zeichen des Todes, sondern auch als Zeichen des Lebens gefeiert. Denn die Liturgie verkündet uns, dass selbst der menschliche Staub für Gott kostbar ist, weil Gott uns Menschen geschaffen und zum ewigen Leben bestimmt hat. Wie Jesus mit uns Menschen das Geschick der Verletzlichkeit und Sterblichkeit teilen wollte, aber am Kreuz seinen gewaltsamen Tod in einen Akt der Liebe verwandelt hat, der zum Weg hin zur Auferstehung geworden ist, so ist auch uns in der Taufe verheissen, dass wir wieder zum Staub zurückkehren, dass Gott aber diesen Staub ins ewige Leben hinein verwandeln wird. Der Aschermittwoch als Beginn der Österlichen Busszeit lädt uns deshalb ein, dass wir in dieser Zeit das Paschamysterium von Tod und Auferstehung Jesu Christi und unsere Teilnahme an diesem Geheimnis bedenken und unseren Glauben erneuern.

Der Weg zum ewigen Leben

Darauf weist auch der ursprüngliche Name der Österlichen Busszeit hin, nämlich Quadragesima. Er erinnert uns an die vierzig Tage des Fastens Jesu in der Wüste, die für ihn eine Zeit der Versuchung, aber auch eine Zeit der besonderen Nähe mit seinem himmlischen Vater gewesen ist. Auch wir Christen werden in dieser Zeit in die Wüste geschickt, um uns neu zu orientieren und den Weg auf Ostern, das Fest des ewigen Lebens neu zu gehen. Dies kann uns aber nur gelingen, wenn wir das Ziel klar vor Augen haben, zu dem uns Gott bestimmt hat, nämlich das ewige Leben, das im Kern darin besteht, dass wir Gott erkennen, wie der Johanneische Jesus dies uns nahebringt: "Dies ist das ewige Leben: dich, den einzigen und wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast" (Joh 17, 3). Worin anders könnte denn das ewige Leben bestehen wenn nicht darin, Gott in seinem dreifaltigen Leben zu erkennen und in seiner Gegenwart ewig zu leben. Je mehr wir uns dieses Ziel vor Augen halten, desto mehr werden wir bereits im jetzigen Leben das ewige Leben erfahren, indem wir Gott erkennen und in seiner Gegenwart unser Leben gestalten.

Darin besteht der Anruf der Österlichen Busszeit, der ein Ruf zur Umkehr ist, wie dies in der neueren Spendeformel bei der Austeilung des Aschenkreuzes zum Ausdruck gebracht wird: "Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium." Wie bereits Israel in seiner Spätzeit rückblickend die vierzig Jahre der Wüstenwanderung als die Zeit der ersten Liebe Gottes zu Israel und Israels zu Gott verstanden hat, so lädt uns die Österliche Busszeit zwischen Aschermittwoch und Ostern ein, uns an die erste Liebe Gottes zu uns, die uns im Sakrament der Taufe geschenkt worden ist, zu erinnern und zu ihr umzukehren.

Die Österliche Busszeit zeigt uns auch die Wege auf, die uns helfen, diesen Anruf zu befolgen. Es sind dieselben Wege, die Jesus im heutigen Evangelium seinen Jüngern empfiehlt und die zu den klassischen Wegweisungen in der Österlichen Busszeit geworden sind, nämlich das Gebet, das Fasten und das Geben von Almosen. Jesus legt dabei einen besonderen Akzent darauf, dass diese Wegweisungen nicht nur äusserlich befolgt, sondern innerlich vollzogen werden. Nur so sind sie Wege zu Gott.

Damit wird der eigentliche Sinn der christlichen Askese, beziehungsweise des christlichen Training sichtbar. Sie bringt zum Ausdruck, dass das Leben des christlichen Glaubens kein leichter Weg ist, sondern Übung und Training braucht. Doch auf diesem Weg gelangen wir zu Christus als dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Indem wir uns zu ihm hin führen lassen, entdecken wir in frischer Weise, wie sehr Gott die Welt liebt und wie unendlich kostbar wir Menschen Gott sind. Davon legt auch die Asche Zeugnis ab, die uns heute auf den Kopf gestreut wird. Sie verheisst uns, dass wir zwar Staub sind und wieder zu Staub werden, dass aber selbst der Staub bei Gott aufgehoben ist und zum ewigen Leben verwandelt wird. In dieser frohen Gewissheit vollziehen wir diesen schönen und tiefen Ritus am Beginn der Österlichen Busszeit und bekennen damit unseren Glauben an den lebendigen Gott und sein Geschenk des ewigen Lebens.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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[1]  Benedikt XVI., Deus caritas est. Nr. 12.

[2]  Origenes, Homilia in Genesim, 8.

[3]  Maximus Confessor, Ambigua 91, 1056.

 

 

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