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Verfolgung, Ermordung, Vertreibung: Wie geht es weiter mit dem orientalischen Christentum?

Irakische Christen in einem Flüchtlingslager

Alltägliches Leiden, Niedergang und Verfolgung sind seit Jahren die Realität der Christen in vielen Ländern des Nahen Ostens. Bei einer Konferenz in Rom wurde in den vergangenen beiden Tagen nun ausführlich über die "genozidale Dimension" der Ermordung, Vertreibung und Abwanderung von Christen gesprochen, wurden Sachverhalte differenziert und Zukunftsperspektiven erörtert. 

Anwesend bei der internationalen Fachkonferenz "Christen, christliche Kirchen und Religion in einem sich wandelnden Nahen Osten" waren zahlreiche Kirchenführer und Wissenschaftler. Die Teilnehmer kamen aus mehreren europäischen Ländern, aus Nordamerika und den Staaten des Nahen Osten.

"Wir wollten Bischöfen und Kirchenverantwortlichen die Gelegenheit geben, eigene Erfahrungen und Kenntnisse mit wissenschaftlichen Analysen und Bewertungen in Beziehung zu setzen", sagte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der DBK. "So konnten neue Einsichten über Hintergründe und Ursachen der heutigen Situation, über Gefahren und Zukunftsperspektiven gewonnen werden."

Niedergang der christlichen Kirchen

In dramatischen Worten beschrieben die Bischöfe aus den arabischen Ländern das alltägliche Leiden in den Konfliktregionen und den Niedergang der christlichen Kirchen, die durch Vertreibung und Abwanderung ausgezehrt werden. Professor Heiner Bielefeldt, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, sprach von der "genozidalen Dimension" der Verfolgung religiöser Minderheiten, die sich im Herrschaftsgebiet des selbsternannten Islamischen Staates (IS) gegen Christen, Jesiden, Schiiten und andere Muslime richte, die nicht der salafistischen, radikalen Form des Islam anhängen, die der IS praktiziert.

Bei der Konferenz wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass die Christen von Konflikten betroffen sind, die nicht von ihnen ausgehen.

Für diese Konflikte gibt es mehrere Ursachen. Hauptgrund ist die globale Radikalisierung des Islam in praktisch allen Ländern mit muslimischer Bevölkerung; aber auch die Konfrontationen zwischen Sunniten und Schiiten, andere Identitätskonflikte innerhalb des Islam sowie seit Langem ungelöste politische Auseinandersetzungen, etwa zwischen Israelis und Palästinensern.

Exodus des orientalischen Christentums seit Jahren 

"Die massenhafte Abwanderung der Christen nach Europa und Nordamerika ist eine akute Gefährdung für den Fortbestand des orientalischen Christentums", so Erzbischof Schick. "Mit einem Exodus der Christen aus dem Nahen Osten dürfen wir uns nicht abfinden. Auf allen Ebenen und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln müssen wir darauf hinarbeiten, dass Christen in ihren angestammten Ländern Lebensbedingungen vorfinden, die es ihnen erlauben zu bleiben."

Der Exodus dauert seit Jahren: Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen berichtete im März 2007, dass Christen im Irak ihres Lebens nicht mehr sicher seien und "religiös motivierte Gewalttaten" eskalierten. Ein österreichischer Vertreter, Roland Schönbauer, erklärte damals, die Verfolgung habe explosionsartig zugenommen, was einen regelrechten Exodus orientalischer Christen zur Folge habe. Medien meldeten ein Jahr später, dass von den rund 700.000 irakischen Christen, die noch vor dem Krieg im Irak lebten, etwa die Hälfte geflohen seien. 

Viele muslimische Länder akzeptieren nicht moderne Menschenrechte 

Übereinstimmend betonten die Bischöfe nun in Rom dennoch die "gleichberechtigte Staatsbürgerschaft" aller – unabhängig vom religiösen Bekenntnis – als Leitperspektive für die Erneuerung der arabischen Staaten. Einem solchen Konzept steht jedoch entgegen, dass das moderne Menschenrechtsdenken und damit auch die Religionsfreiheit in großen Teilen der muslimischen Welt nicht akzeptiert werden.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Das Anliegen der "gleichberechtigten Staatsbürgerschaft" müsse – so Bischöfe und Experten – in die politische Öffentlichkeit der Länder, aber auch in den interreligiösen Dialog eingebracht werden. Erzbischof Schick unterstrich, dass dieser Dialog in Wahrheit, Liebe und Respekt geführt werden müsse: "Eine neue Ernsthaftigkeit und eine konkrete Ausrichtung der Gespräche sind zwingend geboten."

Selbstkritik: Unterlegenheitsgefühl der Christen

Die Teilnehmer diskutierten auch selbstkritisch das Handeln der Kirchen. Christen und Kirchen seien immer noch zu stark von einem Unterlegenheitsgefühl bestimmt, das sich in Jahrhunderten muslimischer Dominanz verfestigt habe. Auch sprächen die Kirchen – trotz ökumenischer Fortschritte in einzelnen Fragen – zu selten mit einer Stimme.

Die Bischöfe appellierten - wie schon zuvor Papst Franziskus - an die Staatengemeinschaft, den Schutz der Christen und anderer bedrohter Gruppen zu einer Priorität der internationalen Politik zu machen. Dabei komme, so Erzbischof Schick, der Beendigung von Kriegen und Bürgerkriegen eine wesentliche Rolle zu. "Nur mit einer echten Friedenspolitik, bei der die Interessen der auswärtigen Mächte zurücktreten müssen, kann für die Verfolgten und Bedrängten etwas erreicht werden."

"Ökumene des Blutes" im Nahen Osten

Obwohl die Region des Nahen Ostens durch gemeinsame Trends charakterisiert ist, zeigen sich in den einzelnen Ländern doch markante Unterschiede. In Gebieten, die von Krieg und Bürgerkrieg gezeichnet sind (Irak und Syrien etwa) ist eine dramatische Abwanderung von Christen zu beobachten.

Der Präfekt der Päpstlichen Kongregation für die orientalischen Kirchen, Kardinal Leonardo Sandri, sprach mit Blick auf diese Länder von einer "Ökumene des Blutes".

Die Lage der Kirchen im Libanon ist angespannt, wie der Patriarch der Maronitischen Kirche, Béchara Pierre Kardinal Raï, in seinem Referat darstellte. In Ägypten haben die Christen nach der Herrschaft des islamistischen Präsidenten Mursi einerseits wieder etwas mehr Luft zum Atmen gewonnen, doch der Druck durch Islamisten steigt andererseits auch dort weiter an. Der Islamische Staat hat auch auf ägyptischem Boden Unterstützer und Kämpfer.

Einen scheinbaren Sonderfall stellen die arabischen Golfstaaten dar, wo die Zahl der katholischen Gastarbeiter inzwischen die Millionengrenze überschritten haben dürfte. Aber auch dort unterstützt die Politik zu weiten Teilen den radikalen Islamismus, herrscht keine echte Religionsfreiheit, und werden christliche Symbole nur in einem sehr strengen Rahmen erlaubt.

Die dreitägige Veranstaltung wurde im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz von ihrer "Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben" abgehalten. Die Projektleitung lag bei Professor Stephan Stetter von der Universität der Bundeswehr in München.

Hinweis der Redaktion: CNA Deutsche Ausgabe verwendet den Begriff "Naher Osten" für die Region, die im Englischen als "Middle East" bezeichnet wird. Einige der Protagonisten dieses Berichtes verwendeten den Begriff "Mittlerer Osten"; dieser bezeichnet im Deutschen aber üblicherweise nicht die gemeinten Länder, etwa den Irak oder Syrien, sondern Südasien ab dem Iran, also etwa Indien, Bangladesh oder Myanmar.

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