Der Föderalismus in Deutschland ist oft als Flickenteppich - ironisch, kritisch und achselzuckend - bezeichnet worden. Dass die Staatsregierung in Bayern, dem Land, das unter dem Schutz der "Patrona Bavariae" steht, Heiligabend keine Erlaubnis für den Gottesdienstbesuch gestattet und die verhängte Ausgangssperre von 21 Uhr und bis 5 Uhr restriktiv umsetzen will, verwundert.

Die kirchlichen Infektionsschutzkonzepte sind überzeugend und bewährt. Die Pfarrgemeinden haben sich auf das hochheilige Weihnachtsfest, insbesondere auch auf die Mitternachtsmesse, vorbereitet. Dass der "Lockdown light" nicht zu der gewünschten Reduzierung der Inzidenzwerte, Infektionszahlen und Todesfälle geführt hat, war seit einiger Zeit absehbar – und nicht zuletzt die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hatte sich deutschlandweit, vor allem mit Blick auf Weihnachten, schärfere Maßnahmen gewünscht. Formaljuristisch mag es richtig sein, auf der Einhaltung der Ausgangssperre zu beharren. Das kann ich nicht beurteilen. Warum hat die Staatsregierung mit Blick auf Heiligabend, mit Blick auf die Vigil, nicht das Gespräch mit den Bischöfen und gemeinsam mit ihnen nach einer Lösung gesucht – etwa Anfang Dezember?

Die bayerischen Bischöfe hatten sich nun einmütig an die Staatsregierung gewandt: "Die Christmette ist ursprünglich eine Mitternachtsmesse und gehört gerade in Bayern zu den wichtigsten Gottesdiensten des Jahres. In den meisten Pfarreien beginnt sie am späten Abend um 22.00 Uhr oder 22.30 Uhr. In Anbetracht der Entwicklungen haben in allen Diözesen die Pfarrer und die mitverantwortlichen Haupt- und Ehrenamtlichen in den Pfarreien Konzepte entwickelt, die im Rahmen des beschränkten Platzangebotes vielen Gläubigen ermöglichen, eine weihnachtliche Liturgie an Heiligabend mitzufeiern. Da die Vorbereitungen der Haupt- und Ehrenamtlichen weitgehend abgeschlossen, strenge Hygienekonzepte entwickelt, persönliche Platzkarten (ggf. auch fälschungssicher) ausgegeben sind und das Gottesdienstangebot über den ganzen Nachmittag und Abend erheblich erweitert und somit entzerrt ist, trifft die Ausgangssperre ab 21.00 Uhr alle Beteiligten hart.

Die zeitliche Ausweitung der Gottesdienste über den ganzen Abend würde das Infektionsrisiko nach Auffassung der Bischöfe mindern im Gegensatz zu einer Verdichtung in der Zeit vor 19.30 Uhr. Der Besuch der Christmette trägt zudem mit der religiösen Stärkung erheblich zur seelischen Gesundheit und Stabilisierung der Menschen in dieser Krisenzeit bei. Den bayerischen Bischöfen ist der Ernst der Lage voll bewusst und alle gemeinsam unterstreichen ihr Anliegen, für die von der Staatsregierung erbetene Ausnahme von der Ausgangsbeschränkung alles daranzusetzen, dass von den Weihnachtsgottesdiensten kein erhöhtes Infektionsrisiko ausgehen darf. Die Bischöfe sind sich einig, dass am Heiligen Abend so viele Gottesdienste wie möglich gefeiert werden sollen, und haben dringend darum gebeten, dass diese schmerzhafte Entscheidung der Ausgangssperre an Heilig Abend eine einzige Ausnahme erfahren kann." Abgesprochen war diese Ausgangssperre an Heiligabend mit der Kirche nicht, so erklärte der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer am 15. Dezember in einer Messe und sagte zudem: "Da traf es uns gestern wie Blitz, als wir aus München hörten, dass es keine Ausnahmen von der Ausgangssperre geben solle, auch nicht an Heilig Abend." Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder bekräftigte in seiner Regierungserklärung am selben Tag: "Die Zeit der Ausnahmen ist vorbei. Was für alle gilt, ist auch gerecht."

Möglicherweise geht es hier weniger um eine Ausnahme, als um eine ganz andere ernsthafte Frage: Welchen Rang und welchen Stellenwert hat die Religionsfreiheit und damit die öffentliche Ausübung dieser in der Zeit der Pandemie? Die nötigen Infektionsschutzkonzepte bestehen und gelten. Niemand unter den Bischöfen verkennt den Ernst der Lage und bestreitet die Sinnhaftigkeit der Hygienemaßnahmen. Jene Gläubigen, die sich schon für die Mitternachtsmessen angemeldet hatten, werden vom Gottesdienstbesuch an Heiligabend ausgeschlossen. Sie sind damit gezwungen, dies als persönliches Opfer anzunehmen. Inwieweit aber entspricht die Entscheidung der bayerischen Staatsregierung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit? 

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