20. September 2021
Vielleicht kennen Sie neben irritierten Katholiken auch Agnostiker, Suchende, Zweifler und Schwestern und Brüder aus den Kirchengemeinschaften der Reformation, ebenso Muslime und Andersgläubige, die staunend und ratlos auf den "Synodalen Weg" blicken.
Positionen, die bis vor einiger Zeit noch exotisch galten, werden dort offensiv vorgestellt. Grundlagentexte werden als theologisch ausgegeben und zeigen die Entfremdung von Gott und der Kirche des Herrn an. Die katholische Theologie scheint hier eigentümlich entkernt zu sein. Von außen betrachtet wirkt der "Synodale Weg" wie ein über viele Jahre gestreckter Parteitag. Vatikanische Einwände bleiben unberücksichtigt. Schulmeisterliche Belehrungsversuche – so etwa im Bereich einer deutschkatholischen Moral- und Sexuallehre – finden statt. Papst Franziskus wünscht sich die Neuevangelisierung, aber dies findet, zumindest bei der synodalen Mehrheit, keine Resonanz. Pater Karl Wallner stellt pointiert fest: "Papst Franziskus ist im deutschen Sprachraum nach wie vor populär. Das, was er von uns Gläubigen will, aber nicht!"
Vor kurzem wurde dankenswerterweise die Homepage www.synodale-beitraege.de eingerichtet – und öffentlich sichtbar wurde, dass unter den Delegierten Einzelne, wie Katharina Westerhorstmann und Bischof Dr. Stefan Oster, mit der Kirche denken und ihr von Herzen zugetan und verbunden sind.
Mit großer Freude dürften gläubige Katholiken wie Interessierte nun wahrnehmen, dass ein reichhaltiger, lesenswerter Band publiziert wurde, in dem die Gestalt und die Thesen des "Synodalen Weges" kritisch diskutiert werden. Zugleich stellen die Autoren konstruktiv, schwungvoll und lebendig wie anschaulich Gedanken und Ideen vor, die für wahre Aufbrüche im Glauben und für die Erneuerung der Kirche in Christus stehen. Die Namen vieler Mitarbeiter sind bekannt. Dazu gehören die Kardinäle Kurt Koch, Gerhard Müller und Paul Josef Cordes, der Pastoraltheologe Andreas Wollbold, der Dogmatiker Karl-Heinz Menke und der Kirchenrechtler Christoph Ohly, um nur einige Namen zu nennen. Menke schreibt: "Wenn die Kirche sich reformieren will, muss sie auf Christus blicken. Denn Christus ist die Wahrheit, die die Kirche verkündigen und sakramental darstellen soll." Die Kirche in Deutschland wirke "krank", weil ein "gigantischer Glaubensverlust" stattgefunden habe. Der "Synodale Weg" weiß nichts davon, so scheint es. Menke wirbt für eine Erneuerung des sakramentalen Denkens: "Nur wer sakramental denkt, erkennt den Zusammenhang zwischen Christusrepräsentation und Zölibat. Nur wer sakramental denkt, versteht die Untrennbarkeit der Erlösungsordnung und der Schöpfungsordnung – zum Beispiel die Bedeutung der Geschlechterdifferenz von Mann und Frau für die sakramentale Darstellung des Verhältnisses Christi zu seiner Kirche. Eine Reform der Kirche, die diesen Namen verdient, ist immer praktische Christologie."
Besitzt eine subjektive Meinung einen objektiven Geltungsanspruch? Kann eine Mehrheit eine neue Wahrheit etablieren? Christoph Ohly legt dar, dass natürlich auch – demokratisch nicht legitimierte, sondern irgendwie benannte – Personen der Synodalversammlung mehrheitlich einen Beschluss fassen können. Wenn der "innere Bezug zum Glauben der Kirche fehlt", und gemeint ist die Kirche aller Zeiten und Orte, dann könne die Wahrheit auch nicht durch eine Mehrheit der Stimmen erkennbar werden. Andernfalls besteht, scheint mir, nur eine regionale Diktatur des Relativismus, zusammengestellt aus möglichen, aber unerheblichen Ansichten und Meinungen. Der Sünder bleibt Sünder, auch wenn er sich selbst nicht als Sünder versteht. Das ist die Wahrheit, an der etwa eine subjektive Meinung nichts ändern kann.
Christoph Binninger, seit über 30 Jahren Priester und tief erschüttert vom Missbrauchsskandal, denkt über das Priesterbild nach. Zugleich erklärt er: "Es kann nicht sein, dass wir Priester mitunter pauschal hingestellt werden, als seien wir durch unseren gelebten Zölibat potenzielle Gefahrenquellen für das Kindeswohl." Der Priester sei ein "zerbrechliches menschliches Gefäß, das Christus erfüllen möchte, um mit ihm zu handeln", aber die "sakramentale Gegenwart Christi befreie ihn nicht "von Versuchung und Sünde". Zugleich lähmt seinen Dienst die "überbordende Bürokratisierung". Der Priester bedarf des Gebetes: "Da der Priester von Gott aus der Kirche für die Kirche berufen wird, ist und bleibt er Bruder aller Gläubigen in der Familie Gottes. Mit ihnen ist er Christ, für sie Priester. Aus diesem Grund verlangt es die Nächstenliebe, dass seine Brüder und Schwestern ihn gerade auch in seinen Schwächen stützen, ermutigen und helfen, damit er sein Hirtenamt im Namen Christi für sie leben kann." Wissen Sie, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, wann Sie zuletzt für Ihren Pfarrer vor Ort, für Ihren Bischof und für den Papst bewusst gebetet haben?
Über den "Segen für alle" wird in vielen Bistümern nachgedacht, mancherorts wird dieser offensiv gefordert. Karl-Heinz Menke legt dar, dass die "Verweigerung von kirchlichen Segensfeiern für in irregulären Verbindungen lebende Paare" niemals ein "moralisches Urteil" sei oder deren "Zugehörigkeit zur Kirche" in Zweifel ziehe. Seelsorgliche Begleitung sei hier besonders nötig. Er stellt fest: "Die Kirche kann und darf auch im Einzelfall nicht das Gegenteil von dem tun, was sie dogmatisch und kirchenrechtlich für verbindlich erklärt hat. Die Kirche ist kein Service-Unternehmen, das sich nach irgendwelchen Bedürfnissen ausrichtet. Die Kirche muss dem Zeitgeist gerade da widerstehen, wo gesellschaftliche Plausibilitäten einfordern, was angeblich barmherzig, in Wahrheit aber selbstwidersprüchlich ist."
Gegen alle müßigen und fruchtlosen Debatten setzt Pater Wallner auf Evangelisierung. Die Kirche sei nicht dazu da, "selbstreferenziell um sich selbst zu kreisen": "Die Kirche hat nicht Mission, sie ist Mission." Er wirbt für eine "fröhlich werbende Stimmung" – und für eine motivierende Korrektur des banalen Entlassungsrufs "Gehet hin in Frieden!" am Ende der heiligen Messe: "Ihr habt eine Sendung, ihr seid gesandt!" In diesem Sinne schreibt auch Dorothea Schmidt von Maria 1.0: "Evangelisierung – das bedeutet Oasen schaffen, in denen Menschen aus der Welt herausgenommen werden und ein Stück Paradies verkosten können durch die Begegnung mit dem Auferstandenen."
Mit großer Sorge spricht Paul Josef Kardinal Cordes über etliche Bischöfe in Deutschland, die anscheinend die Zeichen der Zeit gänzlich missverstehen: "In ihrer Sorge um das Image verzichten Bischöfe offenbar auf die Jahrhunderte der Kirchen-Geschichte, ihr geistliches Gefüge, ja die Gottes-Offenbarung." So würden "Glaubensaspekte" bewusst ausgeschlossen, und die Kirche werde auf "ihr äußerliches Erscheinungsbild in der Gesellschaft" reduziert. Diese begründete Sorge verbindet alle Autoren dieses Bandes. Diese Sorge teilen auch viele Leser. Diese Sorge ist meine Sorge – und Ihre vielleicht auch? Dann möchte ich Ihnen dieses wichtige Buch ans Herz legen, auch zur eigenen Bestärkung. Sie werden sehen: Sie sind nicht allein. Wir müssen als Familie Gottes einander beistehen. Es gibt in ganz Deutschland und darüber hinaus so viele treue Katholiken, die die Kirche lieben und durch ihr Leben, ihr Denken und ihr Beispiel Zeugen des Herrn sind. Wir brauchen, so Pater Karl Wallner, die positive, hoffnungsfrohe "Dynamik der Dreifaltigkeit" – und ein "engagiertes und liebevolles Füreinander". Papst Benedikt XVI. stellte seine Apostolische Reise nach Bayern 2006 unter das Motto: "Wer glaubt, ist nie allein." Christus ist und bleibt zu allen Zeiten der Weg, die Wahrheit und das Leben. Davon berichtet dieses ausgezeichnete Buch.
Christoph Binninger, Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Karl-Heinz Menke, Christoph Ohly (Hg.): "»Was ER euch sagt, das tut!«. Kritische Beleuchtung des Synodalen Weges" ist im Verlag Friedrich Pustet erschienen und hat 262 Seiten.
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