11. Juli 2023
Ein gewisses Maß an Enthaltsamkeit in der Sommerzeit scheint ratsam, bekömmlich und bisweilen unverzichtbar zu sein. Wir gewinnen Abstand, erholen uns, regenerieren und schöpfen neue Kraft. Das ist dringend nötig. Medial vernehmen wir eine Art kirchenpolitisches Dauerfeuer, nur vom Feuer des Heiligen Geistes ist wenig zu spüren.
Die führenden Experten und Vordenker des deutschen Synodalen Weges, ob Bischöfe oder Funktionäre aus dem „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“, fühlen sich verstimmt und pikiert, dass die Bischöfe von Eichstätt, Passau und Regensburg sowie der Erzbischof von Köln sich weigern, den „Synodalen Ausschuss“ mitzufinanzieren. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf teilte in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ daraufhin mit: „Wer aus den Beratungen des synodalen Ausschusses jetzt aussteigt, wird inhaltlich künftig wenig Einfluss auf die Beratungen nehmen können.“ Die Bischöfe Hanke, Oster und Voderholzer sowie Kardinal Woelki vertreten indessen mit ihrer Entscheidung all jene Katholiken, die nicht Synodalität an sich ablehnen, aber die Beschlüsse, die auf dem deutschen Synodalen Weg gefasst wurden, als unvereinbar mit dem Evangelium Jesu Christi und der Lehre der Kirche ansehen.
Bischof Kohlgraf führt weiter aus: „Wenn ich mir die Beschlusstexte des Synodalen Weg anschaue, kann ich das Narrativ, die katholische Kirche in Deutschland geht ihren eigenen Weg, nicht sehen. Das mag zwar im Kopf mancher Teilnehmer immer noch rumgeistern. Die Beschlusstexte sind jetzt mit der Botschaft unterwegs: Die Weltkirche und der Heilige Vater mögen prüfen. Die Weltkirche ist also eine Chance. Auch bei der Weltsynode spielen Themen wie Machtmissbrauch, Amtsverständnis, Zulassungsbestimmung zu Priesteramt sowie Bewertung von Sexualität eine erhebliche Rolle. Ich wundere mich darum, wie es kleinen, aber lauten Gruppe immer wieder gelingt, das Narrativ vom deutschen Sonderweg zu bedienen. Ich sehe ihn jedenfalls nicht.“ In der öffentlichen Wahrnehmung scheinen aber eher die Apologeten der deutschen Ideen lautstark zu agieren, kirchenrechtswidrige Praktiken zuzulassen – wie die „Segnungen für alle, die sich lieben“ oder die Laienpredigt durch Frauen und Männer in der Eucharistiefeier – und die Zerrissenheit des Episkopats zu bezeugen. Abgesehen von ganz säkularen Stillosigkeiten und Unverschämtheiten, wie die Ausladung von Kardinal Woelki bei der Aachener Heiligtumsfahrt durch Bischof Dieser oder die wiederholten Statements von Bischof Bätzing über das vermeintliche Zaudern des Papstes in der Causa Woelki – wie evangelisierend wirkt eine Kirche, die weithin schlechte Nachrichten erzeugt und wie eine erschöpfte politische Partei wirkt, in der Animositäten von Führungspersonen öffentlich ausgetragen werden?
Ein säkular gesinnter Kommentator wie Stephan-Andreas Castorff, der Herausgeber des „Tagesspiegels“, nahm Bätzings beständige Bemerkungen über Kardinal Woelki auf und schrieb in einem Kommentar: „Die Folgen der Untätigkeit des Papstes können immer noch größer werden. Heerscharen von Unzufriedenen treten aus der Kirche aus. Weil es wirkt, als sei der nichts mehr heilig.“ Wen aber überzeugt eine solch schlichte Analyse? Dass auch der deutsche Synodale Weg die Austritte beflügeln könnte, weil gläubige Kirchensteuerzahler dieses antirömische Programm nicht länger finanzieren möchten, auf diese Idee scheint Castorff nicht zu kommen. Er setzt ganz auf das leidenschaftliche Engagement von Bischof Bätzing: „Reformen sind vielleicht die letzte Chance. Für die scheut Bätzing die Konfrontation mit Rom nicht, weder mit Woelki noch mit Franziskus. Und 23 der 27 deutschen Bischöfe stehen hinter ihm. In Anlehnung an einen katholischen Mönch, der ein Reformator wurde: Da steht er und kann nicht anders. Bischof Bätzing will erkennbar auch nicht mehr anders. Wer hätte gedacht, dass es so weit kommt? Luther lässt grüßen.“
Doch im Ernst: Taugt der amtierende Limburger Bischof zum abtrünnigen Augustinermönch 2.0? Möglicherweise hätte Martin Luther sein berühmtes Tintenfass auch gegen die Autoren des deutsch-synodalen Reformationsprogramms geschleudert, das nicht auf der Bibel gründet, sondern auf den sogenannten „Humanwissenschaften“, die auf Impulse des wissenschaftlich auch unter Soziologen umstrittenen Michel Foucault zurückgehen, der das christliche Menschenbild aushebelt und sich zur Sexualität der Diversität bekennt.
Einfach gläubige Katholiken, die zur Kirche stehen und sie gotteskindlich lieben, verreisen nun, entspannen, machen Urlaub oder bleiben auch gelassen zu Hause. Aber die Akteure auf der kirchenpolitischen Provinzbühne kommen nicht zur Ruhe. Es scheint, als ob zentrifugale Kräfte in Deutschland wirken würden. Das antirömische Spektakel ist nicht nur überflüssig und töricht, sondern einfach auch – menschlich gesprochen – sehr peinlich. Wer zur Kirche des Herrn steht, wird aber wissen: Deus semper maior – Gott ist immer größer. Die Turbulenzen dieser Zeit müssen uns also nicht erschüttern oder verwirren. Trotzdem, wir dürfen träumen, hoffen und seufzen: Wie schön wäre es, wenn in der römischen-katholischen Kirche in Deutschland endlich wieder von Gott die Rede sein würde.
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