30. August 2024
In einer offiziellen Gesprächsrunde des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf diskutierten Vertreter der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN, des Umweltprogramms der UN und der Stiftung „Caritas in Veritate“ über das Apostolische Schreiben Laudate Deum von Papst Franziskus und die Ergebnisse der Klimakonferenz COP28. Im Fokus stand die Verbindung zwischen Klimamaßnahmen, Ernährungssicherheit und der Nachhaltigkeit von Ernährungssystemen. Besonders beleuchtet wurde die Rolle religiöser Organisationen im Kampf gegen den Klimawandel. Neue Ideen und Technologien, die von jungen Leuten, Wissenschaftlern und Politikern eingebracht wurden, spielten ebenfalls eine zentrale Rolle. Ziel war es, nachhaltige Lebensmittelsysteme als Lösung für globale Krisen zu positionieren und die Teilnehmer über die Bedeutung von Laudate Deum bei der Klimakonferenz COP28 zu informieren. Erzbischof Ettore Balestrero, der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls bei der UN in Genf, nahm an der hochkarätigen Runde teil und sprach darüber mit Christian Peschken.
Was bedeutet es, Mensch zu sein, in einer Welt, die sich dramatisch verändert? Welche Verantwortung tragen wir gegenüber den kommenden Generationen? COP28, die UN-Klimakonferenz in Dubai, trifft auf Laudate Deum, das Apostolische Schreiben von Papst Franziskus. Wo ist die Verbindung?
Es ist mir wichtig, Ihnen dies mitzuteilen. Papst Franziskus hat kürzlich einen neuen Brief veröffentlicht, Laudate Deum, neun Jahre nach seinem wegweisenden Dokument Laudato Si’. In Laudato Si’ rief er die Weltgemeinschaft dazu auf, sich um unser gemeinsames Haus – die Erde – zu kümmern. Doch jetzt, neun Jahre später, sah sich der Papst gezwungen, erneut zu schreiben. Warum? Weil unsere bisherigen Antworten auf diese dringende Aufforderung nicht ausgereicht haben. Der Zustand der Welt hat sich weiter verschlechtert und die Situation ist alarmierend.
Papst Franziskus warnt eindringlich, dass die Welt, wie wir sie kennen, möglicherweise kurz vor einem unumkehrbaren Zusammenbruch steht. Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer spürbarer und betreffen das Leben unzähliger Menschen auf vielfältige Weise. Wir sehen die Folgen in der Gesundheitsversorgung, in den Arbeitsmärkten, im Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen, beim Wohnen und in der Zunahme erzwungener Migration. Diese Themen, die unser tägliches Leben durchdringen, sind eng mit den Botschaften von Laudato Si’ und Laudate Deum verknüpft.
Doch wie hängt das alles mit der bevorstehenden COP 28 zusammen, der großen Klimakonferenz, die in Dubai stattfinden wird? Seit mehreren Jahrzehnten kommen Vertreter von über 190 Ländern regelmäßig zusammen, um über den Klimawandel zu beraten. Diese internationale Zusammenarbeit begann 1992 mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen auf der Konferenz von Rio de Janeiro. Trotz dieser fortlaufenden Bemühungen, die Welt auf den richtigen Kurs zu bringen, stehen wir heute an einem gefährlichen Scheideweg.
Papst Franziskus sieht die dringende Notwendigkeit, über bloße Besorgnis hinauszugehen. Er fordert mutige, substanzielle Veränderungen – Veränderungen, die weit über Lippenbekenntnisse hinausgehen. Wir wissen heute, dass die globale Erwärmung auf dem besten Weg ist, die kritische Grenze von 1,5 Grad Celsius zu überschreiten. Und sollte dieser Punkt erreicht werden, könnten wir uns bald in einem Szenario wiederfinden, in dem die Temperaturen um drei Grad oder mehr steigen – mit katastrophalen Folgen für die Menschheit.
Der Papst mahnt, dass die Zeit für zögerliches Handeln vorbei ist. Die Kosten für Untätigkeit werden weit höher sein als die Herausforderungen, denen wir uns jetzt stellen müssen. Wenn wir weiter abwarten, riskieren wir, irreversible Schäden anzurichten, die uns alle betreffen werden – sozial, wirtschaftlich und ökologisch.
Mit seinem Brief vor der Klimakonferenz COP28 sendet Papst Franziskus eine klare Botschaft: Der Klimawandel ist kein reines Ökologieproblem, kein romantisches Anliegen, das von wirtschaftlichen Interessen abgetan werden kann. Es ist ein tiefgreifendes menschliches und soziales Problem, das uns alle auf vielen Ebenen betrifft. Deshalb ruft er zum entschlossenen Handeln auf. Es liegt an uns, das Aussterben so vieler Arten zu verhindern und eine drohende Klimakatastrophe abzuwenden. Die Zeit drängt – wir müssen jetzt handeln.
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht“, heißt es im Matthäus-Evangelium. Was hat für uns Christen den Vorrang: das Wort oder die Nahrung oder beides?
Es ist wichtig, ein Missverständnis aufzuklären, das leider immer wieder auftaucht, insbesondere in einigen Gemeinden. Oft hören wir das Argument, dass es entweder um die geistliche Nahrung oder um die körperliche Nahrung geht, als stünden beide in einem Widerspruch zueinander. Doch das ist ein falsches Dilemma. Beide sind untrennbar miteinander verbunden. Das Wort Gottes ist unsere geistliche Nahrung, die uns Kraft für unser Leben gibt. Aber ebenso brauchen wir körperliche Nahrung, um die Energie zu haben, Gottes Wort nicht nur zu hören, sondern auch danach zu leben.
Die geistliche Nahrung steht an erster Stelle, weil sie uns das ewige Leben schenkt – ein Leben, das niemals endet. Doch auch Jesus selbst sorgte dafür, dass seine hungrigen Jünger körperlich gestärkt wurden. Dies zeigt, dass beides Hand in Hand geht: Unser Körper und unser Geist müssen genährt werden. Die Nahrung, die wir zu uns nehmen, sollte nicht nur gut für unseren Körper sein, sondern wir sollten sie auch aus der Perspektive Gottes betrachten. Sie ist ein Mittel, um den Willen Gottes zu erfüllen.
Der eigentliche Punkt ist, dass wir unser Leben nicht nur auf diese vergängliche Welt ausrichten sollten. Wir müssen uns bewusst sein, dass unser Leben über das Hier und Jetzt hinausgeht. Es geht darum, die Perspektive der ewigen Welt zu bewahren und unser Leben in dieser Welt im Licht der Ewigkeit zu betrachten.
Deshalb ist die Landwirtschaft ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft, den wir unbedingt erhalten müssen.
Genau so ist es. Denn nur wenn wir unsere Landwirtschaft pflegen, können wir hochwertige, gesunde Lebensmittel erwarten.
Wie sieht der Heilige Stuhl die Rolle der moralischen und ethischen Gebote bei der Bewältigung des Klimawandels, insbesondere im Zusammenhang mit seinen Auswirkungen auf gefährdete Gemeinschaften?
Der Klimawandel ist nicht nur eine ökologische Krise – er ist ein globales soziales Problem, das tief mit der Würde des menschlichen Lebens verbunden ist. Der Kern der Herausforderung besteht darin, unser Verständnis von Menschlichkeit zu überdenken. Es ist an der Zeit, den Menschen nicht mehr als allmächtig und autonom zu betrachten, sondern uns selbst als Teil eines größeren Ganzen zu sehen. Unsere Entscheidungen haben weitreichende Auswirkungen, nicht nur auf unsere unmittelbare Umgebung, sondern auch auf Menschen in anderen Teilen der Welt und auf zukünftige Generationen.
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Die Ärmsten dieser Welt zahlen den höchsten Preis für die extremen Wetterphänomene, die durch den Klimawandel verursacht werden. Sie haben oft nicht die finanziellen Mittel, um Schutzinfrastrukturen zu errichten oder zerstörte Lebensgrundlagen wieder aufzubauen. Schon ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 0,5 Grad Celsius führt zu intensiveren Regenfällen und Überschwemmungen in einigen Regionen, während andere unter schweren Dürren leiden. Die letzten 50 Jahre haben einen beispiellosen Temperaturanstieg erlebt, der schneller voranschreitet als jemals zuvor in den letzten 2000 Jahren. Setzt sich dieser Trend fort, könnten wir in nur zehn Jahren die kritische Grenze von 1,5 Grad Celsius überschreiten.
Wenn die Temperatur weiter ansteigt und die 2-Grad-Marke überschritten wird, drohen katastrophale Folgen. Die Eiskappen Grönlands und große Teile der Antarktis könnten vollständig schmelzen, was weltweit zu verheerenden Dürreperioden und Überschwemmungen führen würde. Einige Inselstaaten bereiten sich bereits darauf vor, dass große Teile ihres Landes im Meer versinken könnten. In Genf tagt derzeit eine internationale Kommission, die sich mit den rechtlichen und menschlichen Konsequenzen befasst, wenn diese Länder aufgrund des steigenden Meeresspiegels ihre Staatlichkeit verlieren.
Viele der Auswirkungen der Klimakrise, wie der Anstieg der Meerestemperaturen, die Versauerung der Ozeane und der jährliche Rückgang des Sauerstoffgehalts, sind leider für hunderte Jahre irreversibel. Die Menschheit rodet jährlich Wälder in der Größe Portugals – ein Verlust, der verheerende Folgen für die betroffenen Ökosysteme und die Menschen hat, die auf diese Wälder angewiesen sind. Die Abholzung in den Tropen trägt erheblich zur Freisetzung von Treibhausgasen bei, die die Erderwärmung weiter vorantreiben.
Der Übergang zu erneuerbaren Energien und Anpassungsstrategien an den Klimawandel könnte hingegen unzählige Arbeitsplätze schaffen, wenn er richtig gesteuert wird. Es ist klar, dass der Lebensstil in wohlhabenden Ländern, insbesondere in den USA, drastisch überdacht werden muss.
Die Emissionen pro Kopf sind dort etwa doppelt so hoch wie in China und siebenmal höher als in den ärmsten Ländern. Eine grundlegende Veränderung dieses Lebensstils, gepaart mit notwendigen politischen Entscheidungen, könnte langfristig erhebliche Änderungen bringen. Letztlich geht es um mehr als nur technische Lösungen. Es geht um eine ethische und moralische Neuausrichtung – um eine echte Fürsorge füreinander und für unseren Planeten.
Verstehe ich Sie richtig: Gott lässt es zu, erlaubt es uns unseren Planeten selbst zu zerstören?
Gott, der Herr, schenkt uns Freiheit und es liegt an uns, sie verantwortungsvoll zu nutzen. Er tut alles in seiner Macht, um uns vor falschen Wegen zu bewahren. Sein Vertreter auf Erden, Papst Franziskus, warnt uns immer wieder aus tiefer Liebe zu uns, weil auch Gott uns liebt. Doch es genügt nicht, bei Worten oder bloßen Bekenntnissen zu bleiben; wir müssen unsere Überzeugungen in die Tat umsetzen. Genau das brauchen wir jetzt dringender denn je, und das ist es, was die Kirche – und damit Gott selbst durch sie – von uns erwartet.
Wie engagiert sich der Heilige Stuhl gemeinsam mit anderen religiösen Organisationen, um Umweltverantwortung und Klimapolitik voranzutreiben? Können Sie erfolgreiche Partnerschaften oder Initiativen in diesem Zusammenhang vorstellen?
Es gibt zahlreiche Beispiele für erfolgreiche Projekte, die die Prinzipien von Laudato Si’ und Laudate Deum verkörpern, auch wenn es schwierig ist, sie alle im Detail zu kennen. Eines dieser herausragenden Beispiele ist „Borgo“ in den Gärten der Päpstlichen Villen, das auf diesen Prinzipien aufgebaut wurde. Dieses Dorf, das einst die Residenz der Päpste war, hat sich zu einer Gemeinschaft entwickelt, die Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten vereint. Besonders bemerkenswert ist, dass dieses Dorf ein Modell für ökologische Umkehr für alle sein möchte – unabhängig davon, ob die Menschen eine Glaubenserfahrung haben oder nicht.
Das Dorf basiert auf drei grundlegenden Säulen, die seine nachhaltige und erfolgreiche Entwicklung ermöglichen. Die erste Säule ist die Ausbildung in integraler Ökologie, die darauf abzielt, ein ganzheitliches Verständnis von Umwelt und Gesellschaft zu vermitteln. Diese Ausbildung fördert ein Bewusstsein für die Verbindung zwischen dem Schutz der Schöpfung und der Würde des Menschen.
Die zweite Säule ist die Kreislaufwirtschaft und die generative Wirtschaft. Diese Ansätze setzen auf nachhaltige Produktions- und Konsummuster, die darauf abzielen, Ressourcen zu schonen und Abfälle zu minimieren. In diesem Dorf wird besonders darauf geachtet, dass Wirtschaft und Umweltschutz Hand in Hand gehen, um eine zukunftsfähige Lebensweise zu fördern.
Die dritte Säule des Dorfes ist die ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Hierzu gehört auch eine praxisorientierte Berufsausbildung, die auf die tatsächlichen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes in den Bereichen Gartenbau und Landwirtschaft abgestimmt ist. Diese Ausbildung bietet den Bewohnern nicht nur berufliche Perspektiven, sondern trägt auch zur Stärkung der Gemeinschaft und zur Sicherung der Lebensgrundlagen bei. Dieses Dorf ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie die Prinzipien von Laudato Si’ und Laudate Deum in die Praxis umgesetzt werden können. Es zeigt, dass ökologische Umkehr nicht nur ein Ideal ist, sondern durch konkrete Maßnahmen und gemeinsame Anstrengungen Wirklichkeit werden kann. Wenn wir nach weiteren Beispielen suchen, gibt es sicherlich viele Initiativen auf der ganzen Welt, die ähnliche Ansätze verfolgen und zur globalen Bewegung für Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit beitragen.
In der nächsten Ausgabe spricht Christian Peschken erneut mit dem Erzbischof und zwar über eine weitere Veranstaltung des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf. Dabei geht es um die spannenden Themen Künstliche Intelligenz, Ethik und Gemeinwohl. Wie prägt KI unser Leben und welche ethischen Überlegungen sind entscheidend für das Wohl unserer Gesellschaft?
Original-Interview aufgenommen in Genf von Laetitia und Alex Mur | Textbearbeitung, Redaktion, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency im Auftrag von EWTN, EWTN News und CNA Deutsch.
Hinweis: Dieser Beitrag – sein Inhalt sowie die darin geäußerten Ansichten – ist kein Beitrag der Redaktion von CNA Deutsch. Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln zudem nur die Ansichten der jeweiligen Autoren wider. Die Redaktion von CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.