9. April 2018
"Liebe Lilli! Hoffentlich geht´s dir gut im Himmel, grüß Flöckchen, grüß Gott!" schrieb unsere Große auf ein Bild, welches sie unserer Zwergkaninchendame Lilli mit ins Grab legte.
Flöckchen ist das erste von unseren vormals drei Kaninchen, welches gestorben war. Am nächsten Tag hatte sie noch Redebedarf und wollte das Grab ausheben, um nachzuschauen, ob Lilli schon im Himmel beim lieben Gott ist. Wir haben dann nochmal darüber gesprochen, wie sich das verhält mit dem Körper und der Seele und uns auch gefragt, ob Lilli als Hase überhaupt eine Seele vergleichbar mit der eines Menschen hat.
Schließlich kam ihr dann nach längerer Überlegung die Frage in den Sinn, ob alle Menschen in den Himmel kommen und ob Gott alle Menschen gleich lieb hat. Puuh, das Kind hatte es wieder einmal geschafft, mich ins Grübeln zu versetzen. Wie erkläre ich "Sünde", wie erkläre ich "Himmel und Hölle" wie erkläre ich "Vergebung" und schließlich "Beichte". Jedenfalls waren das die Begriffe, die mir gleich dazu in den Sinn kamen.
Wenn ich über diese Themen nachdenke, erinnere ich mich an meine Beichte als Kind zur Kommunionvorbereitung, die wir wie eine Reihenuntersuchung ablegen mussten. Ich habe damals fieberhaft darüber nachgedacht, was ich beichten könnte und habe dann schließlich über irgendeinen Streit mit meinem Bruder berichtet. Daraufhin sollte ich einige Vater Unser beten und das Thema war abgehakt. Damals fand ich das ganze Prozedere recht eindrücklich und aufregend. Gleichzeitig habe ich aber auch nicht so richtig verstanden, was es eigentlich heißt, zu beichten. Heute finde ich es schade, dass wir nicht ernsthafter an das Thema herangeführt wurden, da ich als Kind ein Gefühl von Beliebigkeit und einem Freifahrtschein für schlechtes Betragen, bekam. Und genau das ist es eben nicht.
Ein Streit mit dem Bruder ist sicherlich etwas, dass man beichten kann, aber letztlich empfinde ich solche Banalitäten auch als recht alltäglich und etwas, dass man vielleicht am Ende eines Tages mit dem lieben Gott im Gebet "klären" kann. Als Motiv für die Beichte sehe ich den Beziehungsabbruch mit Gott als grundlegend an. Wenn man so gehandelt hat, dass man weder Nächstenliebe, noch Gottesliebe einbezogen hat, dann hat ein Beziehungsbruch stattgefunden, welchen es zu bereinigen gilt. Nie ist die Sündenvergebung aber ein Freifahrtschein, sondern setzt Reue und Umkehr voraus.
Beichte wendet sich immer hin zu Gott und bezieht sich nicht nur auf den irdischen Beziehungsbruch, den man z.B. in einem Streit begangen hat. Nun gibt es ja Handlungen, die weit über einen Streit hinausgehen und da schließt sich die Frage meiner Tochter an, ob Gott alle Menschen gleich lieb hat. Meinem theoretischen Wissen nach, was Reue und Sündenvergebung betrifft, selbstverständlich. Wenn ich an konkrete Beispiele denke, wie Gewalt gegen Kinder, dann fällt es mir sehr schwer, daran zu glauben.
Ich bekomme das Gefühl, dass Vergebung, Feindesliebe und die Sündenfrage etwas ist, was mich mein Leben lang begleiten wird. Es gibt einfach Momente im Leben, wo man auf Rache sinnt, jemandem etwas Schlechtes wünscht oder das Gefühl hat, nicht verzeihen zu können. Aber breche ich dann nicht selber die Beziehung zu Gott ab, in dem ich so denke? Das Schöne und Schwierige zugleich ist wohl tatsächlich, dass Gott alle Menschen gleicht lieb hat und dass wir mit der ständigen Aufgabe konfrontiert sind, alle Menschen als Ebenbild Gottes zu betrachten.
Genau das, sage ich auch meiner Tochter, die natürlich direkt wissen will, was mit den "bösen Menschen" ist. "Böse Menschen" sind in ihrer Welt eine abstrakte Größe, eine vage Vorstellung, nichts, was sie direkt greifen könnte. "Böse Menschen nehmen anderen etwas weg, tun anderen weh und sind nicht lieb. Ich bin sicher, dass Gott alle Menschen liebt, ob sie sich zu ihm hinwenden oder nicht. Ganz bildhaft gesprochen, kann ich es mit einem Dialog erklären, den der junge Albert Einstein mit einem Professor geführt haben soll: "Kälte ist die Abwesenheit von Wärme. Dunkelheit ist die Abwesenheit von Licht. Das Böse ist alles, was Gottes Liebe noch nicht berührt hat!"
Wenn sich also jemand entscheidet, dass Gott nicht in sein Leben gehört und sich gegen seine Mitmenschen wendet, dann lebt dieser Mensch tatsächlich in Sünde und wird wohl eher nicht bei Gott im Himmel aufgenommen. "Ich würde die bösen Menschen auch nicht in meinem Haus haben wollen", versteht meine Tochter. Ja, richtig, so kann man es sehen. Wenn dieser "böse Mensch" aber bereut was er getan hat und sich zu Gott hinwendet, dann kann er auf Sündenvergebung vertrauen und darauf, dass Gott ihn bei sich aufnimmt, wie einen verlorenen Sohn, der nach langer Zeit umgekehrt ist und wieder zurück zum Vater kommt.
Als Mutter ist mir dieses Bild der Sündenvergebung am nächsten. Meine Töchter können immer darauf vertrauen, dass ich sie bedingungslos liebe, egal was sie tun, egal was sie nicht tun. Dass sie es uns Eltern nicht immer leicht machen, ist ganz menschlich und das, was Beziehung ausmacht. Ich sorge aber immer wieder dafür, dass uns Gottes Liebe berührt und wir so immer im Dialog miteinander und unserem Vater im Himmel bleiben.
Das Blog "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" mit Elisabeth Illig erscheint jeden Montag bei CNA Deutsch. Alle bisherigen Blogposts finden Sie hier im Überblick.
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