30. Dezember 2018
"Der Herr krönt das Jahr mit seinem Segen", so singen und beten wir zum Jahresschluss. Der Jahresschluss ist auch eine Zeit, sich gute Vorsätze zu überlegen. Was erwartet uns 2019? Was kann von uns erwartet werden? Wenn man, so wie ich, auf gewisse Weise – zumindest akademisch, wenn auch nicht theologisch und philosophisch, "außer Dienst" ist –, bleiben Zeit und Muße für Gedanken, die nicht ganz unnütz sein mögen: nämlich kleine katholische Anregungen für 2019. Philosophische Gelassenheit rät mit dem Prediger Salomo: Alles hat seine Zeit. Die theologische Einsicht weiß: Sein ist die Zeit. Mit Schwung und geistlicher Dynamik ins Jahr 2019, was könnte uns helfen?
Was könnten wir uns vornehmen? Hier sind fünf Empfehlungen:
1. Geistliche Lektüre
Mehr lesen: keine Skandalromane, keine Zeitgeistliteratur, sondern die Bibel, den Katechismus der Katholischen Kirche (auch den "grünen Katechismus") und katholische Autoren. Bunte Nachrichten aus Kirche und Welt in der Tagespresse oder im Internet kosten Zeit. Sie machen uns müde und zornig. Darum: Wollen wir uns 2019 nicht von Gottes Wort führen lassen? Deswegen müssen Sie noch keinen Bibelkreis gründen (Sie dürfen freilich schon und überall, wenn Sie möchten). Manchmal genügt der "Liturgische Kalender".
Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. spricht im Prolog zur Jesus-Trilogie von "wartenden Worten". Warten Sie noch auf ein Bibelwort – das aufschlussreich sein, das wichtig werden könnte für Sie? Sorgen Sie nicht für Überraschungen in der Kirche, sondern lassen Sie sich überraschen – vom Wort des lebendigen Gottes! Sein ist die Zeit, darum: Seinem Wort vertrauen. Und nicht zu viele weltliche Worte machen, aber trotzdem…
2. Mit anderen Menschen ins Gespräch kommen
Die Gesichter der anderen und den anderen, anders gesagt: den Nächsten ernst nehmen, nicht das "Gesichtsbuch". Also: "Face to face" statt "Facebook". Wahrhaft kommunizieren, glaubwürdig, leise, mit Gott und so auch miteinander. "Wir sind Kirche"? Wahrscheinlich nicht im Sinne dieses Verbandes, aber: Wir sind als getaufte Christen Glieder der römisch-katholischen Kirche aller Zeiten und Orte. Am Ende jeder heiligen Messe hören wir: "Ite, missa est." Das bedeutet eigentlich: "Geht hinaus, es ist Sendung!" Und übrigens nicht: Wir wollen noch ein Lied singen und auch nicht: "Gehet hin in Frieden!" Also eher: Bewegt Euch mit dem Herrn hinein in diese Welt!
Müssen wir dafür neue Kommissionen und diverse Komitees gründen? Teams bilden? Lenkungsgruppen installieren? Neue, sogenannte "pastorale" Begriffe erfinden ("lokale Kirchenentwicklung" – wird oft als "lokale Kirchenschließung" erlebt –, "Überpfarrlicher Einsatz" oder "Kirche 2.0")? Wie wäre es mit: Weniger Gremien, weniger Ausschüsse, weniger Sitzungen, weniger Beschlüsse und weniger Protokolle? Ist das ein naiver, sogar häretischer Gedanke? Nur für die verweltlichte Kirche in der verwalteten Welt. Es gilt, miteinander zu reden und nicht alles zu zerreden.
Wir dürfen einfach nur katholisch sein und die Kirche lieben, als Schwestern und Brüder, verbunden in der Familie Gottes, im Glauben an den einen Herrn Jesus Christus, verbunden in der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche. Darf man das heute noch sagen? Natürlich: Die Kirche ist der "mystische Leib Christi", zwar befleckt und beschmutzt von unseren Sünden, aber dennoch als Kirche des Herrn ganz und gar heilig! Wer einen wohltätigen Steuerzahlerbund liebt, verhält sich verdächtig. Wer eine Behörde wertschätzt, wirkt seltsam. Wir müssen weder säkulare Strukturen noch Machtapparate lieben.
Die Kirche ist weder eine Partei noch ein Fußballverein. Sie braucht auch keine demokratischen Strukturen, wozu? Sie muss den Staat weder abbilden noch vervielfachen. Die Kirche muss sich der weltlichen Gerichtsbarkeit stellen, und ihre Amtsträger dürfen, wie jedermann sonst, keine Straftaten begehen oder vertuschen, selbstverständlich. Aber die Kirche ist niemals eine "Täterorganisation", wenn wir an den journalistischen Begriff denken, für den der Limburger Bischof Georg Bätzing vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals im November 2018 Verständnis geäußert hat, unbegreiflicherweise. Ein guter Vorsatz für Katholiken wäre 2019, dass sie zur Kirche und zum kirchlichen Lehramt in unverbrüchlicher Treue stehen und auch den dritten Vorsatz erwägen, nämlich …
3. Den Zölibat verteidigen
Warum? Weil es die Lebensform Jesu und der Apostel ist. Der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer hat das am 31. Oktober 2018 – und Katholiken gedenken an diesem Tag noch immer des hl. Wolfgang, Halloween feiern sie nicht – auf eindrucksvolle Weise getan: "Und so ist denn auch kaum mehr von den Opfern und einer Verbesserung der Prävention die Rede, sondern von grundstürzenden Veränderungen in der Kirche und der Gestalt des geistlichen Dienstamtes. Ich halte das, liebe Schwestern und Brüder, für einen Missbrauch des Missbrauchs, insbesondere für einen Missbrauch der Opfer des Missbrauchs. Wenn der Zölibat ursächlich wäre für diese Verbrechen, wie erklärt es sich dann, dass 99,9 Prozent dieser Fälle von nicht zölibatär lebenden Männern getan werden? Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ist die Lebensform Jesu und der Apostel, sie stand in der Kirche von Anfang an wegen ihres Zeugnischarakters in hohem Ansehen und wurde vom Mönchtum, aber auch von Bischöfen und Priestern gelebt, lange bevor sie dann für den Bereich der Westkirche im Mittelalter verbindlich vorgeschrieben wurde. Zu behaupten, der Zölibat sei im Mittelalter ausschließlich aus ökonomischen Gründen eingeführt worden, entbehrt jeder historischen Vernunft. Grundlage, ich wiederhole es, ist die Lebensform Jesu und der Apostel; ein Charisma, das auf die anbrechende Gottesherrschaft verweist."
Was gut gesagt ist, dürfen wir auch weitersagen: Bischof Voderholzers Predigt, von katholischer Klarheit, verdient es, gelesen und verbreitet zu werden. (Bericht und Wortlaut finden Sie hier). Damit wir die Kirche, Seine Kirche und nur darum unsere Heimat, immer mehr lieben können. So können wir durch unser Zeugnis vielleicht 2019 anderen Menschen etwas Gutes schenken, nämlich …
4. Freude am Glauben
Wir sind zu Zeugen des Herrn bestellt, nicht zu Aposteln der etablierten Kirchenkritik und auch nicht zu Propheten des Untergangs. Wenn der Herr mit uns ist, wovor sollten wir uns fürchten? Bischof Dr. Heiner Wilmer aus Hildesheim sagte in einem bemerkenswerten Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" richtig: Die Kirche sei ja nicht die "katholische Stiftung Warentest". Negativ formuliert, aber grundsätzlich gut gesagt. Aber was ist die Kirche dann – im positiven Sinne?
Die Kirche ist, mit den Worten des unvergessenen Kardinals Joachim Meisner, die letzte "Hoffnungsbewegung in einer müde gewordenen Welt".
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Wir sehen das am Beispiel der ganzen Vielfalt der geistlichen Gemeinschaften: Am Zeugnis neokatechumenaler Gruppen, in Kolpingsfamilien und bei Fokolaren, am Erfolg des Gebetshauses in Augsburg, beim "Opus Dei", bei "Nightfever", bei Verbänden wie "Pro Missa Tridentina", bei der Schönstatt-Bewegung oder auch bei "Pax Christi", in der Petrusbruderschaft – welch geistliche Oasen sind die kostbaren Orte, an denen die heilige Messe in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus gefeiert werden! Wir wissen von so vielen Gruppen und Verbänden ohne Namen, die sich in Seinem Namen versammeln und das "Licht der Welt" bezeugen, dem eigenen Charisma entsprechend, in Treue zum Heiligen Vater und damit zur Kirche aller Zeiten und Orte stehend. Das genügt? Es genügt auch der bloß angedeutete Glaube des guten Schächers am Kreuz für die Zusage des Herrn: "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein."
Strahlen wir die Freude am Glauben aus, der eigenen Begabung gemäß, froh und dankbar im Alltag? Erzählen wir durch das Zeugnis unseres Lebens von Gott? Wie gewinnt die "Freude am Glauben" auch Gestalt in unserem Alltag? Papst Benedikt XVI. sagte in der heiligen Messe zur Amtseinführung auf dem Petersplatz: "Die Kirche ist jung, und die Kirche lebt." Jetzt. Gestern. Heute. Morgen: 2019, mitten in Deutschland.
Ein fünfter und letzter Vorsatz für das kommende Jahr bleibt. Es ist keine Überraschung, sondern immer derselbe, bleibend gültig, bleibend wichtig. Die Anregung lautet nämlich …
5. Beten
"Betet für mich!", dazu rief Papst Franziskus zu Beginn des Pontifikates auf. Er wiederholt das ständig. Er meint es ernst. Nehmen wir unseren Papst auch ernst? Beten wir für Papst Franziskus? Beten wir für unsere Bischöfe? Beten wir um priesterliche Berufungen?
Sie würden gerne, aber Sie haben sich über den Papst, Ihren Bischof und Ihren Pfarrer in 2018 zu sehr geärgert? Weil er zu konservativ, zu liberal und zu wenig ansprechbar ist? Beten Sie für ihn. Sie haben sich über einen sturen Religionslehrer oder einen progressiven Theologieprofessor aufgeregt? Beten Sie für ihn. Sie empören sich über die Regierenden? Beten Sie für die Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft.
Wenn Sie jetzt sagen: "Aber das sind ja nicht mal Christen!" Dann beten Sie erst recht für Sie. Oder Sie empören sich über die Opposition? Beten Sie auch für alle, die nicht an der Regierung beteiligt sind. Im Alltag: Sie stöhnen über Ihren Banknachbarn, weil er zum falschen Zeitpunkt kniet? Über Ihre Nachbarin, die selten, gar nicht oder nur zu Weihnachten zur Kirche geht? Sie gehen für auch alle mit, die nicht gehen. Freuen Sie sich darüber, wenn sie Weihnachten zur Kirche findet. Nicht zuletzt, ganz einfach: Beten Sie für sie. Sie regen sich auf über das "Zentralkomitee der deutschen Katholiken", das behauptet, Ihre Interessen zu vertreten, und dass Sie nie gewählt haben oder hätten? Beten Sie, beten Sie für alle und ohne Unterlass. Beten Sie, immer, für den Lebensschutz, für verfolgte Christen in aller Welt und auch für ironisch belächelte, leise verhöhnte Kirchgänger in unserem Land – und hoffen wir, dass auch für uns gebetet wird.
Das Gebet trägt uns, hält uns und schenkt uns Hoffnung. Auch wenn wir betend manchmal nur stammeln und stottern können. Wir sind alle Bettler vor Gott.
Die Heiligen beten für uns, unsere Namenspatrone, unsere lieben Verstorbenen tun das vom Himmel her. Beten wir für Selig- und Heiligsprechungen. An wen denken Sie dabei? Zu wem beten Sie im Verborgenen? Vielleicht zu Pius XII.? Zu Johann Michael Sailer und Georg Michael Wittmann? Um ein Wunder auf Fürsprache des seliggesprochenen Kardinal Clemens August von Galen? Das ist vielleicht der wichtigste Vorschlag für einen guten Vorsatz für 2019 überhaupt: Lasst uns beten, die wir zu Hause in der Kirche des Herrn sein dürfen. Beten wir besonders für unseren Papst Franziskus. Vergessen wir auch nie, für seinen Amtsvorgänger, unseren lieben und hochverehrten "Papa Emerito" Benedikt XVI., zu beten, der uns allen im Gebet nahe ist und bleiben wird.
PS: Eine wichtige Frage bleibt vielleicht doch noch übrig: Brauchen wir nicht Reformen? Eine neue Theologie? Wenn wir gefragt würden: Was sollte sich eigentlich 2019 als Erstes an der Kirche ändern? Für uns alle hat schon die heilige Mutter Teresa darauf geantwortet: "Sie und ich!"
Dr. Thorsten Paprotny lehrte von 1998 bis 2010 am Philosophischen Seminar und von 2010 bis 2017 am Institut für Theologie und Religionswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover. Er publizierte zahlreiche Bücher im Verlag Herder. Gegenwärtig arbeitet er an einer Studie zum Verhältnis von Systematischer Theologie und Exegese im Werk von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. Er publiziert regelmäßig in den "Mitteilungen des Instituts Papst Benedikt XVI.".
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