Edmonton - Dienstag, 26. Juli 2022, 18:14 Uhr.
Papst Franziskus hat im "Commonwealth Stadium" in Edmonton (Kanada) am Dienstagmorgen um 10:15 Uhr (Ortszeit) an der Heiligen Messe teilgenommen, sie aber nicht selbst gefeiert. In seiner Predigt gedachte der Heilige Vater der Großeltern Jesu, Joachim und Anna, deren Gedenktag die Kirche am 26. Juli begeht.
Der Pontifex rief dazu auf, sich an die Liebe und Erfahrung der Vorfahren zu erinnern und nicht zu vergessen, "dass Liebe niemals ein Zwang ist, dass sie den anderen niemals seiner inneren Freiheit beraubt".
Dankbarkeit für Geschenk des Lebens und des Glaubens
In seiner Predigt erinnerte der Papst daran, dass Joachim und Anna, die heiligen Großeltern Jesu Christi, die Gläubigen an ihre eigenen familiären Wurzeln erinnern wollen. "Wir sind Kinder einer Geschichte, die es zu hüten gilt", so der Papst, "wir sind keine isolierten Individuen, wir sind keine Inseln, niemand kommt losgelöst von den anderen auf die Welt."
Die Vorfahren, die den "Schatz des Lebens weitergegeben haben", seien wichtig für einen jeden Menschen. Papst Franziskus sagte wörtlich:
Oft waren sie es, die uns vorbehaltlos geliebt haben, ohne etwas von uns zu erwarten: Sie haben uns an die Hand genommen, wenn wir Angst hatten, sie haben uns in der Dunkelheit der Nacht beruhigt, sie haben uns ermutigt, wenn wir uns im Tageslicht den Entscheidungen des Lebens stellen mussten. Dank unserer Großeltern haben wir von der Geschichte, die uns vorausging, eine liebevolle Geste empfangen: Wir haben gelernt, dass das Gute, die Zärtlichkeit und die Weisheit feste Wurzeln der Menschheit sind.
Auch für die Glaubensweitergabe spielen Großeltern eine wichtige Rolle, betonte der Papst und ergänzte: "Viele von uns haben im Haus der Großeltern den Duft des Evangeliums eingeatmet, die Kraft eines Glaubens, der nach Heimat schmeckt. Dank ihnen haben wir einen familiären, häuslichen Glauben entdeckt; ja, denn der Glaube wird im Wesentlichen auf diese Weise vermittelt, er wird 'im Dialekt' vermittelt, er wird durch Zuneigung und Ermutigung, durch Fürsorge und Nähe vermittelt."
Papst: "Unterdrücken wir niemals das Gewissen der anderen"
Von den Großeltern könne man außerdem lernen, "dass Liebe niemals ein Zwang ist, dass sie den anderen niemals seiner inneren Freiheit beraubt", fuhr der Heilige Vater fort. Auch Joachim und Anna hätten Maria auf diese Art geliebt, die wiederum diese Art der Liebe an Jesus weitergegeben habe "mit einer Liebe, die ihn nie erstickte oder zurückhielt, sondern ihn begleitete, um die Sendung zu erfüllen, für die er in die Welt gekommen war". Davon müsse auch die Kirche lernen, betonte Franziskus.
Lernen wir dies als Einzelne und als Kirche: Unterdrücken wir niemals das Gewissen der anderen, fesseln wir niemals die Freiheit unseres Gegenübers, und lassen wir es vor allem niemals an Liebe und Respekt für die Menschen fehlen, die uns vorausgegangen und uns anvertraut sind: Denn sie sind kostbare Schätze, die eine Geschichte hüten, die größer ist als sie selbst.
Der Papst ermunterte dazu, "immer wieder in die Schule zurückzukehren, in der wir die Liebe erlernt und erlebt haben", indem man immer wieder ältere Menschen um Rat frage. "Sind wir Kinder und Enkelkinder, die den Reichtum, den wir erhalten haben, zu schätzen wissen", fragte der Pontifex die Gläubigen, "erinnern wir uns an die guten Lehren, die wir vermittelt bekommen haben?" Er ergänzte:
Sprechen wir mit unseren älteren Menschen, nehmen wir uns die Zeit, ihnen zuzuhören? Und gelingt es uns, in unseren immer besser ausgestatteten, modernen und funktionalen Häusern einen würdigen Platz für ihr Andenken zu schaffen, einen besonderen Ort, ein kleines Familienheiligtum, das uns durch Bilder und liebgewonnene Gegenstände auch die Möglichkeit gibt, unsere Gedanken und Gebete für die zu erheben, die uns vorausgegangen sind? Haben wir die Bibel und den Rosenkranz unserer Vorfahren aufbewahrt?
Papst Franziskus über "wahre Tradition"
Papst Franziskus mahnte auch an, nicht die Wurzeln zu vergessen. "Wahre Tradition drückt sich in dieser vertikalen Dimension aus: von unten nach oben", so der Pontifex. "Hüten wir uns davor, in die Karikatur der Tradition zu verfallen, die sich nicht in einer vertikalen Linie – von den Wurzeln zu den Früchten – bewegt, sondern in einer horizontalen Linie – vorwärts/rückwärts –, die uns zur Kultur der 'Rückwärtsgewandtheit' als egoistischem Zufluchtsort führt; und die nichts anderes tut, als die Gegenwart einzukapseln und sie mit der Logik des 'das wurde schon immer so gemacht' aufzubewahren."
Franziskus erinnerte die jüngere Generation daran, sich selbst in die Heilsgeschichte mit einzubringen und ebenfalls Spuren zu hinterlassen. Dabei solle man sein Leben nicht nur am Geld und an der Karriere messen, sondern an den folgenden Kategorien:
Erzeuge ich Leben? Bringe ich eine neue und erneuerte Liebe in die Geschichte ein, die vorher nicht da war? Verkünde ich das Evangelium dort, wo ich lebe, diene ich jemandem ohne Gegenleistung, so wie es meine Vorfahren mit mir getan haben? Was tue ich für meine Kirche, meine Stadt und meine Gesellschaft? Es ist leicht, Kritik zu üben, aber der Herr möchte nicht, dass wir nur Kritiker des Systems sind, er möchte nicht, dass wir verschlossen und rückwärtsgewandt sind, sondern Handwerker einer neuen Geschichte, Hoffnungsträger, Erbauer der Zukunft, Friedensstifter.
Abschließend appellierte der Papst an alle Menschen, an einer Zukunft mitzuwirken, in der ältere Menschen "nicht beiseitegeschoben werden, weil sie funktional gesehen 'nicht mehr gebraucht werden'", und in der der Wert eines Menschen "nicht nur danach beurteilt wird, wie viel er produziert".
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