Genf - Mittwoch, 5. Oktober 2016, 9:36 Uhr.
"Muslime in Europa – der Weg zu gesellschaftlicher Harmonie": Unter diesem Motto hat das Genfer "Zentrum für den Fortschritt der Menschenrechte und globalen Dialog" während der 33. Sitzung des Menschenrechtsrats bei den Vereinten Nationen eine Podiumsdiskussion organisiert.
"Wir, die Muslime, die in Europa leben, sind dafür verantwortlich, das friedliche Wesen des Islam zu repräsentieren und uns in die jeweilige Gesellschaft zu integrieren", sagte Abdulla Nasser Al Rahbi, ständiger Vertreter Omans bei den Vereinten Nationen in Genf – ein Land, das selber mit islamischem Extremismus ringt und in dem Christen sowie andere Minderheiten laut Open Doors verfolgt werden.
Der Botschafter Omans fuhr fort: "Trotzdem bedeutet Integration nicht die Vereinnahmung der eigenen Kultur durch eine andere. Jeder sollte seine Identität behalten. Wir müssen jedoch die Kultur des Gastgeberlandes verstehen und respektieren."
Die Veranstaltung des Zentrums warf einen Blick auf die Herausforderungen gesellschaftlichen Zusammenlebens vor dem Hintergrund der Gewalt und Spannungen, verrusacht vor allem durch die Kriege im Nahen Osten, die andauernde Massenmigration nach Europa sowie den mittlerweile globalen islamistischen Terror verursachen.
Druck auf gemäßtigte Muslime von mehreren Seiten
Eine Schattenseite islamistischer Gewalt ist nicht nur die mörderische Christenverfolgung, die längst auch im Westen angekommen ist. Eine weitere ist der Druck, den die Extremisten, welche aggressiv alle Deutungshoheit religiöser Inhalte beanspruchen, wiederum auf Muslime ausüben.
Gleichzeitig fühlen sich gemäßigte Muslime in Europa und Amerika auch von der säkularen Seite oft nicht verstanden oder unfair behandelt, sei es durch einseitige mediale Berichterstattung, kulturelle Differenzen, schwierigen Behördenkontakt oder andere Erlebnisse: Vorfälle von öffentlicher Beschimpfung von Muslimen werden auch aus Deutschland berichtet. Dies wiederum, warnen Experten, ist ein Faktor, der manche bislang moderate Muslime empfänglicher für die Botschaft des extremistischen Islam machen kann.
Eine Schlüsselrolle spielen hierbei die Medien, mahnt Botschafter Idriss Jazairy, Geschäftsführer des Genfer "Zentrums für den Fortschritt der Menschenrechte und globalen Dialog". Er warnt davor, islamistische Terroristen einfach als islamische Kämpfer zu bezeichnen: Damit verleihen Medien "ihnen genau jene Legitimation, die sie zu erlangen versuchen."
Verständnis für "ganz normale" Muslime
Als ein gutes Beispiel dafür, wie eine Kultur der Begegnung und des Verstehens der anderen über die sozialen Medien gefördert werden kann, wurden die Videos "Meet a Muslim Person" und "Meet a Muslim Family" von Adam Saleh genannt. Die Filme eines durch YouTube bekannten New Yorker Schauspielers und Rappers wurden bereits von über zwei Millionen Menschen auf YouTube gesehen.
Pater Mike Deeb, Vertreter der "Dominikaner für Frieden und Gerechtigkeit" bei den Vereinten Nationen, sagte: "Es sind nicht nur die Muslime – wir können das gleiche über viele andere Gruppen, religiöse oder ethnische Minderheiten sagen. Es ist unsere große Aufgabe, die Menschen diesbezüglich zu bilden, so dass klar wird: Mein Bruder, meine Schwester ist anders – aber es ist trotzdem immer noch mein Bruder und meine Schwester."
Das Genfer Zentrum betont, es trete dafür ein, dass Anstiftung zu religiösem Hass und Gewalt gesetzlich zu verbieten sei. Ein Ziel ist dabei, "Islamophobie" zum Gegenstand internationalen Strafrechts zu machen.
Rolle von Papst Franziskus
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Als ein Parade-Beispiel für einen gelungenen Austausch zwischen Westen und Islam wurde das Treffen von Papst Franziskus mit dem Kronprinzen von Abu Dhabi genannt – auch wenn der Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche alles andere als ein Vertreter des Westens, geschweige denn säkularer westlicher Werte ist.
"Wir begrüssen solche Treffen und ähnliche Initiativen, bei denen religiöse und weltliche Führungspersönlichkeiten zusammenkommen, um für eine Kultur der Toleranz und des Verstehens zu werben. Letzten Endes haben wir nur diesen einen Planeten, auf dem wir gemeinsam leben. Diese Gemeinsamkeit müssen wir erreichen und hart erarbeiten", sagte Hanif Hassan Ali Al Qassim, Vorstandvorsitzender des Genfer Zentrums.
Ähnlich äußerte sich Botschafter Abdul Wahab, Vorsitzender der unabhängigen ständigen Menschenrechtskommission der OIC, der "Organisation für islamische Zusammenarbeit": Papst Franziskus sei ein erstklassiges Vorbild, da "er auch ein großer Befürworter" eines Erhalts des Dialogs sei, "für gegenseitiges Verständnis, für gegenseitigen Respekt, Schuldzuweisungen zu vermeiden und Verständnis gegenüber Andersdenkenden zu praktizieren."
Dialog und Differenzierung
Die Diskussionsteilnehmer sprachen von einem Trend, dass durch eine Berichterstattung über den Terror im Namen des Islam dieser mit dem muslimischen Glauben gleichgesetzt werden könne. Dies würde die Botschaft des Islams verzerren.
Wie schwierig freilich eine Differenzierung zwischen der Wahrnehmung des Islam und dessen Botschaften ist – zumal als Religion, die alle Bereiche des Lebens durchdringt, zeigt das Beispiel der Verschleierung.
In Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Teilen Spaniens und nun auch Bulgarien ist die umstrittene Vollverschleierung – etwa durch Burka oder Niqab – mittlerweile verboten. In anderen Ländern ist ein solches im Gespräch – auch islamischen, wie dem Senegal.
Die Präsidentin des "Forums für europäische muslimische Frauen", Fawzia Al Ashmawi, sagte in Genf, das Tragen des Hidschab, des islamischen Kopftuchs für Frauen, sei andererseits "Ausübung der Ausdrucksfreiheit. Das ist ein Artikel der allgemein erklärten Menschenrechte. Jeder Mensch hat das Recht, sich auszudrücken und zu tragen was sie oder er will."
Ein Recht, das freilich im Umkehrschluss auch bedeutet, dass muslimische Frauen keineswegs Kopftuch tragen müssen, wenn sie nicht wollen. Immer wieder kommt es vor, dass nicht nur im Nahen Osten oder Nord-Afrika, sondern mitten in Europa arabisch oder türkisch aussehende Frauen von selber verschleierten Musliminnen aggressiv aufgefordert werden, sich zu verschleiern.
In diesem Zusammenhang paraphrasierte Botschafter Jazairy das bekannte Zitat des – selber sehr islamkritischen – Aufklärers Voltaire: "Das, was du trägst, gefällt mir nicht, aber ich werde bis zum Tod dafür kämpfen, dass du es tragen darfst."
Die Diskussionsrunde erklärte zudem, nur der offene Dialog zwischen Kulturen und Glaubensrichtungen über religiöse Werte könne helfen, "Liebe und Frieden" in der Welt voranzubringen.
Dieser Bericht wurde vom U.N.-Korrespondenten Christian Peschken, Pax Press Agency in Genf, verfasst. Der Bericht wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins 'Vatikano'. Weitere Informationen zu Pax Press Agency unter www.paxpressagency.com
Hinweis: Dieser Blogpost und die darin wiedergegebenen Ansichten sind ein Beitrag des Autors, nicht der Redaktion von CNA Deutsch.