Freiburg - Dienstag, 18. April 2023, 13:10 Uhr.
Die am Dienstagmittag veröffentlichte Missbrauchsstudie für das Erzbistum Freiburg hat ergeben, dass es sein Ende des Zweiten Weltkriegs mehr als 250 mögliche Missbrauchstäter und 540 Betroffene von Missbrauch gegeben habe.
In der Zusammenfassung der knapp 600-seitigen Studie heißt es, die Erzbischöfe Oskar Saier, der von 1978 bis 2002 im Amt war, und sein Nachfolger Robert Zollitsch, der bis 2013 als Erzbischof tätig und mehrere Jahre Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) war, hätten „in Fällen der Beschuldigung eines Klerikers wegen sexuellen Missbrauchs bzw. sexualisierter Gewalt gegenüber einer minderjährigen Person ein konkretes Vertuschungsverhalten praktiziert“.
Konkret habe Saier es grundsätzlich abgelehnt, „in Missbrauchsangelegenheiten gegen beschuldigte und/oder verurteilte Priester kanonische Voruntersuchungen einzuleiten oder diesbezüglich auch nur substantiierte Erwägungen anzustellen. Ferner war er nicht bereit, staatliche Strafverfolgungsbehörden zu unterrichten oder bei den Ermittlungen zu unterstützen.“
Zollitsch habe als Personalreferent unter Saier „mit großer Wahrscheinlichkeit einen gewichtigen Einfluss auf personelle Maßnahmen und sonstige Entscheidungen im Zusammenhang mit Missbrauchsbeschuldigungen gehabt hat. Ungeachtet dessen muss angenommen werden, dass er nicht eigenmächtig gehandelt, sondern Erzbischof Dr. Saier einbezogen hatte. Die faktische Mitwirkung von Generalvikar Dr. Bechtold dürfte eher von geringerer Bedeutung gewesen sein.“
„Eine Verschriftung der Vorgänge (Gespräche, Befragungen, Anweisungen u. a.) war bei Missbrauchsbeschuldigungen während beider Episkopate weitgehend unterblieben“, so die Studie. „Inhaltlich relevantes eingehendes (Missbrauchs-)Schriftgut wurde in manchen Fällen entweder von vornherein nicht zu den Akten genommen oder alsbald danach – vor dem Tod des Beschuldigten – aus den Akten entfernt. Da es dauerhaft verschwunden blieb, muss von dessen physischer Vernichtung ausgegangen werden.“
Die Studie wirft Zollitsch vor, auch dann keine „Verhaltensänderung“ vorgenommen zu haben, als ab dem Aufkommen des Missbrauchsskandals in Deutschland im Jahr 2010 Papst Benedikt XVI. „die Befolgung des kanonischen Rechts ausdrücklich angemahnt und Dr. Zollitsch selbst seit 2010 gegenüber der Öffentlichkeit allgemein eingeräumt hatte, dass in der katholischen Kirche in Missbrauchsfällen Fehler begangen und die Betroffenen nicht ausreichend in den Blick genommen worden seien“.
Auch zur Amtsführung von Erzbischof Stephan Burger, der seit 2014 und bis heute im Amt ist, äußerte sich die Studie. Es gebe „keine Hinweise auf ein – auch nur mittelbares – Vertuschungsverhalten. Die kanonisch, insbesondere auch präventiv, gebotenen Entscheidungen werden nunmehr unverzüglich getroffen. Eine weitere Optimierung in der Bearbeitung solcher Causae erscheint allerdings in formeller Hinsicht noch wünschenswert (Einhaltung der eigenen Regelungen unterhalb der normativen Ebene).“
Burger ist seit September 2022 Stellvertreter des Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Helmut Dieser von Aachen.