München - Sonntag, 20. November 2016, 18:06 Uhr.
Am heutigen Christkönigssonntag ging das außerordentliche Heilige Jahr 2015/2016 zu Ende. Damit endete auch der Dienst der Missionare der Barmherzigkeit: Am Aschermittwoch hatte Papst Franziskus über 1.000 Priester aus der ganzen Welt beauftragt und ausgesandt – als "Zeichen der mütterlichen Sorge der Kirche für das Volk Gottes" (Bulle "Misericordiae Vultus", Nr. 18). Unter ihnen war mit Pater Julian Backes O.Praem. auch ein junger Priester aus Deutschland. Der 31-Jährige ist Chorherr der Abtei Hamborn in Duisburg (Bistum Essen). Er arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neues Testament der Ruhr-Universität Bochum. Im Interview mit CNA spricht der Prämonstratenser über seine Erfahrungen im Jahr der Barmherzigkeit.
CNA: Pater Julian, das Jubiläum der Barmherzigkeit ist vorbei. Was für eine Bilanz ziehen Sie für die Kirche? Wie haben Sie dieses Jahr erlebt?
JULIAN BACKES: Für die Kirche wird – soweit mir bekannt ist – der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung eine Evaluation durchführen. Dort können dann Erfahrungswerte aus den verschiedenen Erdteilen zusammenlaufen. Auf die Ergebnisse und Schlussfolgerungen bin ich gespannt.
Meine persönlichen Erfahrungen entsprechen weitgehend meinen Erwartungen: nämlich dass auf der einen Seite das Konzept "Volksmission" heutzutage so nicht mehr anwendbar ist, auf der anderen Seite aber immer gutwillige Menschen da sind, die Gott und die alles verändernde Berührung mit ihm in den Sakramenten und im Wort suchen. Die sogenannten Themenjahre bieten die Gelegenheit, in den Vordergrund zu stellen, wofür die Kirche in Wahrheit da ist.
CNA: Wesentliches Merkmal des Heiligen Jahres war für Papst Franziskus die Beichte; als Missionar der Barmherzigkeit waren ja auch Sie dazu beauftragt, die Menschen wieder zum Bußsakrament zu führen. Wie haben die Menschen in Deutschland darauf reagiert?
JULIAN BACKES: Der kirchliche Apparat in Deutschland war – von ein paar Ausnahmen abgesehen – sicherlich ein wenig zurückhaltend, wenn es darum ging, das Jahr der Barmherzigkeit an den Mann zu bringen. Dafür mag es unterschiedliche Gründe geben, beispielsweise auch die verhältnismäßig kurze Vorlaufzeit. Jedenfalls lebte das Projekt meines Erachtens vor allem von seiner Verbreitung über das Internet; CNA und EWTN haben dankenswerterweise ihren Teil dazu beigetragen.
In der Abtei haben wir unsere Beichtzeiten weiter ausgebaut und sind damit sehr glücklich. Obwohl ich feste, öffentlich bekannte Beicht- und Gesprächszeiten habe, kamen viele Anfragen via E-Mail und Facebook herein. Darüber hinaus haben mich einige Priester und Caritas-Mitarbeiter für Vorträge, Gesprächsrunden und Beichtangebote an ihre Wirkungsorte eingeladen; das waren starke Stunden des Glaubens. Unter dem Strich gingen sogar mehr Einladungen ein als ich anzunehmen fähig war. Einschränkend muss man wohl festhalten, dass vom Jahr der Barmherzigkeit natürlich besonders Gläubige profitiert haben, deren Pfarrer ohnehin engagiert und solchen Programmen gegenüber aufgeschlossen sind. Insofern würde ich den Radius des Heiligen Jahres als verengt bezeichnen. Die zahlreichen Heiligen Pforten etwa konnten daran nicht viel ändern, wo sie weitgehend unkommentiert im Raum stehen blieben.
CNA: Wie viele Beichten haben Sie hören können?
JULIAN BACKES: Wir haben bei uns grundsätzlich konstante Zahlen auf leicht überdurchschnittlichem Niveau. Im Heiligen Jahr haben auch einige Menschen wieder Zugang zum Bußsakrament finden können, die jahrelang nicht gebeichtet haben, aber geistlich in Bewegung geblieben, das heißt innerlich auf der Suche gewesen und von der Initiative des Papstes irgendwie angesprochen worden sind; daneben hatte ich auch mit Gläubigen zu tun, die etwas Schwerwiegendes mit sich herumgetragen und mir aufgrund der päpstlichen Sendung einen ganz besonderen Vertrauensvorschuss entgegengebracht haben.
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CNA: Wie geht es nun für Sie weiter? Was nehmen Sie für sich mit aus den Erlebnissen der vergangenen Monate?
JULIAN BACKES: Einzelne Termine, die im Heiligen Jahr nicht untergebracht werden konnten, habe ich noch nachzulegen: zum Beispiel im Dezember eine Pfarrkatechese zum Stellenwert der Sühne im christlichen Glauben und im März einen Vortrag zur Neuevangelisierung aus katholischer Perspektive – übrigens auf einer Tagung der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Einerseits bin ich der Ansicht, dass das eine oder andere Wort oder Zeichen im Kontext des Heiligen Jahres einer Verflachung oder Sentimentalisierung von Barmherzigkeit Vorschub zu leisten imstande ist, andererseits sehe ich es als Chance, in der Seelsorge deutlicher und vertiefter als bisher darlegen zu müssen, was wir barmherzig nennen können und wo wir barmherzig sein sollen bzw. wo wir auf Barmherzigkeit hoffen dürfen, aber auch, was wir als willkürlich und selbstgerecht zurückweisen müssen. Von daher hat das Heilige Jahr etwas angestoßen, das uns weiterhin beschäftigen wird.
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So war meine unvergessliche Beichte bei Papst Franziskus: https://t.co/sCGCp7Pu5k von @eharris_it pic.twitter.com/7uNg1iWnX0
— CNA Deutsch (@CNAdeutsch) March 14, 2016