Buenos Aires - Donnerstag, 17. August 2023, 15:30 Uhr.
Argentinien, das Heimatland von Papst Franziskus, steht vor einer politischen Veränderung, die das Land in seinen Grundfesten erschüttern könnte: In den Gassen von Buenos Aires hallt ein neuer Klang wider, und er kommt nicht von den traditionellen Tangoklängen der Stadt. Es ist die Stimme von Javier Milei, einem libertären Ökonomen, der sich in den letzten Jahren als politischer Außenseiter in der argentinischen Politiklandschaft etabliert hat. Mit seiner wilden Frisur, seinem "Rockstar"-Auftreten und seinen provozierenden Aussagen hat der vermeintliche "Messias" Milei die traditionelle Politik Argentiniens auf den Kopf gestellt. Was aber denkt Papst Franziskus über den populistischen Politiker?
Die argentinischen Wähler haben bei Vorwahlen am vergangenen Sonntag die beiden wichtigsten politischen Kräfte des Landes abgestraft und den Außenseiterkandidaten auf den ersten Platz katapultiert, was zu einer großen Umwälzung im Rennen um die Präsidentschaftswahlen im Oktober führte.
Reuters meldete, dass nach Auszählung von etwa 90 % der Stimmen der rechtsliberale Wirtschaftswissenschaftler auf 30,5 % der Stimmen und lag damit weit über den Prognosen. Der wichtigste konservative Oppositionsblock kam auf 28 % und die regierende peronistische Koalition auf 27 %.
Die Agentur stellte trocken fest: "Angesichts einer Inflationsrate von 116% und einer Lebenshaltungskostenkrise, die vier von zehn Menschen in die Armut treibt, ist das Ergebnis eine herbe Abfuhr für die Mitte-Links-Koalition der Peronisten und den konservativen Oppositionsblock Together for Change."
Der angebliche "Rockstar" reagierte selbstbewusst: "Wir sind die wahre Opposition", sagte Milei in einer optimistischen Rede nach diesem Wahlergebnis. "Ein anderes Argentinien ist unmöglich mit den gleichen alten Dingen, die immer gescheitert sind."
Wer ist Milei, und was will er?
Politisch wird Milei von Kritikern wahlweise als rechtsextrem, ultrakonservativ, und rechtslibertär beschrieben. Als Ökonom ist er Autor mehrerer Bücher, gilt als Anhänger der Österreichischen Schule und Anarcho-Kapitalist.
Unabhängig davon, wie hilfreich diese Etikettierungen sind: Für die Kirche und katholische Gemeinschaft Argentiniens stellt Milei eine besondere Herausforderung dar.
Während einige seiner Ansichten, insbesondere seine Kritik am politischen Establishment und seine Betonung der individuellen Freiheit, bei vielen Katholiken Anklang finden, stehen andere in direktem Widerspruch zur Soziallehre der Kirche. Fray Nelson Medina, ein bekannter katholischer Priester, warnte die Gläubigen davor, sich von Mileis Charisma blenden zu lassen und betonte laut ACI Prensa, der spanischen Partneragentur von CNA Deutsch: "[Milei] ist kein Messias, und Politik ist kein Ersatz für das Evangelium".
Es bleibt abzuwarten, wie weit Mileis politischer Stern steigen wird. Doch eines ist sicher: Der 52-jährige hat die argentinische Politiklandschaft verändert. In einer Zeit tiefgreifender Unsicherheit und Veränderung repräsentiert Milei die Sehnsucht vieler Argentinier nach einer neuen politischen Richtung und einem Bruch mit der Vergangenheit.
Der Pontifex und der Politiker
Der Papst und der Politiker haben wenig gemeinsam, auch wenn beide, Jorge Bergoglio und Javier Milei, Sprösslinge italienischer Einwanderer sind, und offenbar auch im Fall des Politikers katholisch — ganz zu schweigen, dass beide von manchen Kritikern als "Populisten" bezeichnet werden.
Der Jesuit und Pontifex hat die Argentinier dazu aufgerufen, sich für den sozialen Frieden und die Einheit des Landes einzusetzen. Während er sich nicht direkt zu Milei geäußert hat, betont der Franziskus immer wieder die Bedeutung der Solidarität und des Gemeinwohls in der Politik
Wie ACI Prensa berichtet, hat Milei dagegen einmal gesagt: "Die Kirche sollte sich nicht in die Wirtschaft einmischen, denn wenn sie es tut, wird sie zu einer NGO".
Damit stellt sich der Ökonom nicht nur gegen die katholische Soziallehre: Er spricht seinem Landsmann Papst Franziskus ausgerechnet Kompetenzen zu Themen ab, die diesem besonders am Herzen liegen, etwa Migration, wirtschaftliche Ausbeutung und Umweltschutz.
Sorgt die Krise für den Erfolg dieses Außenseiters?
Milei, der sich selbst als Verfechter der Freiheit bezeichnet, hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte politische Reise hinter sich gebracht. Von einem bekannten Wirtschaftskommentator, der für seine radikalen libertären Ansichten bekannt ist, hat er sich zu einem ernsthaften Präsidentschaftskandidaten entwickelt, der bei den Vorwahlen überraschend gut abgeschnitten hat.
Seine Ansichten sind kontrovers. Er leugnet die Schwere des Klimawandels, beschreibt die Sexualerziehung als Versuch, die Kernfamilie zu zerstören, und fordert die Abschaffung der argentinischen Zentralbank. Doch trotz dieser radikalen Ansichten hat Milei eine wachsende Anhängerschaft, insbesondere unter jungen Argentiniern, gewonnen. Er verspricht, das politische Establishment zu zerschlagen und eine neue Ära der Freiheit und des Wohlstands für Argentinien einzuläuten.
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Doch hinter dem populistischen Image verbirgt sich eine komplexere Figur. Mileis Aufstieg kann nicht nur auf seine Persönlichkeit oder seine politischen Ansichten zurückgeführt werden. Er ist vielmehr ein Symptom für die tiefe Unzufriedenheit und Entfremdung, die viele Argentinier gegenüber dem politischen Establishment empfinden. In einem Land, das von Hyperinflation, wirtschaftlicher Stagnation und politischer Korruption geplagt wird, suchen viele nach einer Alternative zum Status quo.
Vergleiche mit Donald Trump greifen zu kurz
Die englischsprachigen Medien vergleichen Milei oft mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Beide sind polarisierende Figuren, die das politische Establishment herausfordern und eine treue Anhängerschaft von Unterstützern haben, die ihre unkonventionellen Ansichten und ihren unverblümten Stil schätzen.
Doch während Trumps Aufstieg oft auf seine Fähigkeit zurückgeführt wird, die Ängste und Hoffnungen der "vergessenen" Amerikaner anzusprechen, ist Mileis Anziehungskraft komplexer. Er spricht nicht nur die wirtschaftlichen Ängste der Argentinier an, sondern auch ihre tief verwurzelten kulturellen und sozialen Unzufriedenheiten.
Genau diese Unzufriedenheiten sind aber auch, wo die Kirche gerne "pastoral" bei den Menschen wäre, wie Papst Franziskus nicht müde wird, zu betonen. Eine tiefgründige Frage ist, ob und wie sie das glaubwürdig tun kann — oder will. Die Antwort darauf wird auch entscheidend für den Umgang mit Politikern wie Javier Milei und seinen Positionen sein.
Walter Sanchez Silva und Julieta Vilar von ACI Prensa trugen zur Berichterstattung bei.