Warum der Missbrauch-Skandal um die Jesuiten in Bolivien eine politische Dimension hat

Fassade des Parlaments von Bolivien, der „Asamblea Legislativa Plurinacional“
Wikimedia Commons

Ein Jahr nach der Veröffentlichung des Berichts „Tagebuch eines pädophilen Priesters“ durch die spanische Zeitung El País über den notorischen Jesuiten Alfonso Pedrajas haben Journalisten von ACI Prensa vor Ort recherchiert. 

Der Fall von „Pater Pica“ hat nicht nur die Jesuiten erschüttert – die Gesellschaft Jesu ist seit Jahren wegen zahlreichen Missbrauchsfällen und Vertuschungsfällen in die Schlagzeilen geraten, von Bolivien bis nach Rom und Slowenien, wo Ex-Jesuit Marko Rupnik weiter auf freiem Fuß lebt. 

Der spanische Jesuitenpater Pedrajas, besser bekannt als „Padre Pica”, kam in den frühen 1960er Jahren zu den Jesuiten nach Südamerika. Zehn Jahre lang lebte er in Peru und Ecuador – wo er bereits als Seminarist sexuellen Missbrauch verübt haben soll – und ließ sich 1971 dauerhaft in Bolivien nieder.

Die Jesuiten ernannten ihn zum stellvertretenden Direktor eines Internats, das vor allem Kinder aus ärmlichen Verhältnissen aufnahm. Drei Jahre später wurde Pater Pica zum Direktor der Schule ernannt, an der er fast 30 Jahre lang mehr als 80 Minderjährige sexuell missbraucht haben soll.

Seit Bekanntwerden des Skandals haben sowohl die Jesuiten in Bolivien als auch die bolivianische Bischofskonferenz (CEB) Maßnahmen ergriffen, um mit den staatlichen Behörden zusammenzuarbeiten und die Betroffenen zu unterstützen. Es wurden auch mehrere Initiativen gefördert, um sicherzustellen, dass die Opfer gehört und angemessen begleitet werden.

In diesem Kontext wurden mehrere weitere Jesuiten wegen Missbrauchs angezeigt. Außerdem reichte eine Gruppe ehemaliger Schüler eine Sammelklage gegen den derzeitigen Provinzial der Gesellschaft Jesu im Land ein, Pater Bernardo Mercado. Gegen ihn ermittelt die bolivianische Ziviljustiz.

Wahrheitskommission soll aufklären helfen

Im bolivianischen Senat wurde eine Wahrheitskommission zur Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe eingerichtet, die jedoch wegen angeblicher Voreingenommenheit und politischer Manipulation durch die Regierungspartei in die Kritik geraten ist. Die bolivianische Bischofskonferenz verurteilte das Vorgehen des Senats als höchst voreingenommen, beeinflusst durch politische Instrumentalisierung und Druck der Mehrheitspartei in der Regierung.

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Senatorin Nelly Gallo Soruco, Mitglied der Oppositionspartei Community Citizen (CC), sprach mit ACI Prensa über die jüngsten Bemühungen der Kommission und ihre zukünftige Ausrichtung. Sie betonte, dass das primäre Ziel der Wahrheitskommission darin bestehe, eine Untersuchung durchzuführen und dem Senatspräsidium einen Bericht vorzulegen. Sie stellte jedoch klar, dass die Kommission nicht befugt sei, strafrechtliche Sanktionen zu verhängen oder Recht zu sprechen.

Die Kommission, die ihre Arbeit im Juni 2023 aufnahm, wurde aufgrund von Bedenken über eine mögliche politische Manipulation von Missbrauchsfällen, insbesondere solcher, in die die Kirche verwickelt ist, eingerichtet. Sie besteht aus sechs Senatoren, von denen die Hälfte der Partei der Bewegung für den Sozialismus (MAS) angehört, die dem ehemaligen bolivianischen Präsidenten Evo Morales nahesteht.

Senatorin Gallo unterstrich die heikle Natur der Missbrauchsproblematik in Bolivien und stellte fest, dass dieses Phänomen allem Anschein nach weit verbreitet sei und von den Behörden nicht ausreichend beachtet werde. Sie betonte, dass die Kommission die gesetzlichen Normen durchsetzen müsse, ohne sich von parteipolitischen Interessen beeinflussen zu lassen, um den Opfern und den beteiligten Institutionen Respekt zu verschaffen.

Besorgnis erregen mögliche Maßnahmen der Regierung gegen die Jesuiten: Manche befürchten die Enteignung von Eigentum des mächtigen Ordens unter dem Deckmantel der Entschädigung von Missbrauchsopfern.

Die laufenden Untersuchungen und die Arbeit der Kommission sind nicht nur für die Aufarbeitung des Missbrauchs in der Vergangenheit, sondern auch für den Schutz der Religionsfreiheit in Bolivien angesichts der wachsenden Besorgnis über den Druck, dem religiöse Institutionen im Land ausgesetzt sind, von entscheidender Bedeutung.

Übersetzt und redigiert aus dem Original von ACI Prensa, der spanischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch. 

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