CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden sechsten Sonntag der Osterzeit.

An diesem Sonntag haben sowohl das Evangelium (Joh 15,9–17) als auch die zweite Lesung (1 Joh 4,7–10) als Thema die Liebe. Ein faszinierendes Wort, aber so schwer greifbar – bis zu dem Punkt, dass es manchmal jegliche Bedeutung verliert.

Das Wort „Liebe“ fasziniert uns, weil es ein Versprechen von Freude in sich zu bergen scheint. Es öffnet für die Hoffnung, dass alle unsere Wünsche vollständig erfüllt werden. Es bezieht den Geist, das Herz und die Sinne, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft mit ein. Die Liebe ist eine Verheißung von Totalität und Ewigkeit. Aber die Liebe erweist sich uns auch als schwer fassbar, weil das Versprechen, das sie enthält, vage erscheint und vor allem, weil wir dem Wort „Liebe“ an sich keine klare Bedeutung geben können.

In der zweiten Lesung (1 Joh 4,7–10) lesen wir, dass die Liebe aus Gott ist und sogar, dass Gott die Liebe ist. Wir alle kennen diese Aussage und sehen darin – zu Recht – die zentrale Bestätigung unseres Glaubens. Und doch – und das ist kurios – handelt es sich nicht um einen Satz, der direkt von Jesus ausgesprochen wurde, sondern um eine Formulierung, die wir (zweimal) im ersten Johannesbrief finden, also in einer der letzten Schriften des Neuen Testaments. Sie ist kein Ausgangspunkt, sondern vielmehr der Endpunkt der gesamten Betrachtung über das Leben und den Tod Christi und über seine Beziehung zum Vater.

Das muss betont werden, denn andernfalls – wie C. S. Lewis anmerkt – „könnte die Wahrheit, dass Gott die Liebe ist, in die entgegengesetzte Behauptung kippen, dass die Liebe unser Gott ist“. Die menschlichen Zuneigungen, je „reiner“ oder „edler“ sie sind, neigen dazu, eine göttliche Autorität für sich zu beanspruchen. Es fällt uns leicht, in die Naivität zu verfallen, die Stimme dieser Zuneigungen mit dem Willen Gottes selbst zu verwechseln. Es ist eine Stimme, die uns anspornt, vor keinem Hindernis stehenzubleiben und bereit zu sein, jeden Preis zu zahlen; sie verlangt das völlige Selbstopfer und führt zur Vernachlässigung jedes anderen Anspruchs.

„Ich habe es aus Liebe getan!“: Dieser Satz scheint jede Handlung zu rechtfertigen, ja, er scheint sie ipso facto zu einer verdienstvollen Handlung zu machen. „Aus Liebe“ ist es möglich, den Ehepartner, die Kinder, Freunde, das Land zu betrügen; es ist möglich, „aus Liebe” zu stehlen und zu töten; „aus Liebe“ ist es möglich, den Glauben zu verleugnen. Liebe wird in dem Moment, in dem sie vergöttlicht wird, zu einem Dämon.

Um zu verstehen, was es wirklich bedeutet, dass Gott die Liebe ist, müssen wir auf Jesus blicken: Darin offenbarte sich die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben (1 Joh 4,9).

Die Liebe Gottes ist in erster Linie die Liebe zwischen dem Vater und seinem eingeborenen Sohn: Sie ist das Leben Gottes selbst! Und diese Liebe wurde in Christus Jesus historisch sichtbar und greifbar, in seinem ganzen für uns hingegebenen Leben: Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe (Joh 15,9).

Unsere Liebe muss sich also durch die Liebe Gottes reinigen lassen. Wir sind aufgerufen, nicht in unseren konfusen Lieben zu bleiben, sondern in der Liebe Christi. Es geht darum, sich von der Freundschaft Jesu packen zu lassen, in die Vertrautheit mit ihm aufgenommen zu werden und darin zu verbleiben; in Intimität mit ihm, der uns das Geheimnis seines Herzens offenbart hat.

Die Liebe, die von uns verlangt wird, ist ein Geschenk, das wir erhalten: Die Liebe ist aus Gott (1 Joh 4,7). Und der Beweis für dieses „Aus Gott sein“ liegt im Halten der Gebote Gottes.

Wer nicht liebt, kann die Gebote nicht halten, weil ihm die Motivation dazu fehlt; aber der Beweis, dass wir lieben, liegt gerade darin, dass wir seine Gebote halten: Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe (Joh 15,10).

„Niemand täusche sich mit der Rede, er liebe ihn, wenn er seine Gebote nicht hält“ (Hl. Augustinus, In Ioh. Ev., 82,3). Sein Gebot ist, dass wir einander lieben, aber nicht nach dem Maß unserer ungeordneten Zuneigung, sondern nach dem Maß seiner Liebe, der sein Leben für uns hingegeben hat.

Das ist der Weg, damit die Verheißung der Freude, die uns so sehr an der Idee der Liebe fasziniert, sich konkret verwirklichen kann: Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.

Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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