Straßburg - Dienstag, 28. Februar 2017, 16:47 Uhr.
Norwegen genießt einen Ruf als Vorreiter in Sachen Menschenrechte und Sozialwesen. Doch Vorwürfe der "Kindesentführung" durch die mächtige, staatlich finanzierte "Barnevernet"-Behörde haben weltweit Empörung ausgelöst. Nun soll der Europäische Gerichtshof für die Menschenrechte das Vorgehen untersuchen.
Tatsächlich ist die Behörde wegen einer ganzen Reihe von Fällen mittlerweile Gegenstand wütender Proteste geworden. Nachdem Delegationen anderer Länder und internationale Nachrichten-Teams ins Land gereist waren, um darüber zu berichten, beeilte sich die Regierung Norwegens zu versichern, dass der Staat sich an geltendes internationales Recht halte.
Folgen für Familien in ganz Europa
Wie Lawrence Wilkinson, Menschenrechts-Anwalt der "Alliance Defending Freedom", schreibt, reagieren Norweger auf die internationale Aufmerksamkeit oft mit Unverständnis. "Die meinen, ein oder zwei Einzelfälle würden da stark verzerrt dargestellt", schreibt Wilkinson in einer am gestrigen Montag veröffentlichten Kolumne von "Forbes".
Dennoch haben die Vorwürfe nun den Europarat erreicht, schreibt Wilkinson weiter: Die Organisation, deren Auftrag es ist, in de 47 Mitgliedsländern mit 820 Millionen Bürgern über die Einhaltung von Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu wachen.
Der Europarat ist auch Sitz des Europäischen Gerichtshof für die Menschenrechte.
Dessen Untersuchung des Vorgehens von "Barnevernet" werde Folgen für Familien in ganz Europa haben, erklärt Menschenrechts-Anwalt Wilkinson.
Es geht nicht nur um "Übereifrigkeit"
Tatsächlich steht die Behörde seit Jahren in der Kritik für "übereifriges" Vorgehen, vor allem gegenüber Eltern, die aus dem Ausland kommen. Doch die Vorwürfe sind mittlerweile viel schwerwiegender, die Liste der Fälle lang. Immer wieder erregt "Barnvernet" Aufmerksamkeit, bis hin zu diplomatischen Eklats mit europäischen Ländern, deren Bürger in Norwegen leben.
Schlagzeilen etwa machte 1996 das Urteil eines norwegischen Gerichts im Fall "Johansen gegen Norwegen", demzufolge die Behörde die Rechte einer Mutter verletzt hatte, denen die Beamte Kontakt zum eigenen Kind versperrten.
Einen diplomatischen Zwischenfall verursachte "Barnevernet" im Jahr 2011, als es einem indischen Ehepaar die Kinder entzog, die in Norwegen mit einem Arbeitsvisum lebten. Als Grund führte die Behörde unter anderem an, die Eltern würden ja die Kinder mit blosser Hand füttern und mit ihnen bisweilen im gleichen Bett schlafen - was nicht nur in indischen Kulturen völlig normales, gesundes Verhalten ist; für die staatliche Behörde jedoch ein Beleg dafür war, dass die Eltern nicht in der Lage seien, sich um ihre Kinder angemessen zu kümmern.
Weltweite Empörung erregte "Barnevernet", berichtet Wilkinson, dann im Jahr 2015: Die Behörde nahm einer christlichen Familie alle fünf Kinder weg.
Marius und Ruth Bodnariu lebten mit ihren fünf Kindern im Alter von drei Monaten bis neun Jahren in einer ländlichen Gemeinde. Marius ist ein IT-Experte aus Rumänien, der nach Norwegen gezogen war und dort die Norwegerin Ruth kennengelernt und geheiratet hatte.
Kinder ohne Vorwarnung weggenommen
Ohne jegliche Vorwarnung tauchten eines Tages vor dem Haus der Familie die staatlichen "Kinderschützer" auf und teilten mit, dass die beiden älteren Töchter direkt von der Schule in eine "Notunterkunft" gebracht worden seien. Dann nahmen sie der Familie auch noch die beiden ältesten Söhne weg.
Am nächsten Tag kam "Barnevernet" wieder. Nicht um die Kinder heimzubringen. Die Behörde nahm den Eltern auch noch das drei Monate alte Baby weg.
Wilkinson schreibt: "Obwohl zuerst von Vorwürfen angeblicher körperlicher Bestrafung die Rede war (was in Norwegen verboten wäre), war das extreme Vorgehen der Autoritäten schwer zu verstehen".
Die rumänische Regierung schickte eine Delegation nach Norwegen, um den Fall zu untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass der Grund für das Verhalten der "Kinderschützer" ein ganz anderer war: Die örtlichen Behörden waren "besorgt", dass die Eltern die Kinder mit ihrem christlichen Glauben "indoktrinieren" könnten.
Der daraufhin ausbrechende internationale Protest führte dazu, dass "Barnevernet" den Fall schliessen musste. Die Kinder konnten - nach sieben Monaten in separaten Pflegefamilien - wieder heim zu ihren Eltern.
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Warum diese Hebamme in Schweden nicht arbeiten kann – Bericht von @LaurieVuoto https://t.co/vzDjNlV6QM pic.twitter.com/ZspytSg5Ea
— CNA Deutsch (@CNAdeutsch) January 11, 2016