Redaktion - Montag, 3. März 2025, 11:00 Uhr.
Der bekannte Vatikan-Experte Ulrich Nersinger hat eingeräumt: „Der Karneval ist in Rom einfach nicht mehr präsent.“ Zu dieser Entwicklung sei es mit dem Ende des Kirchenstaates im Jahr 1870 gekommen, nachdem die Päpste zuvor sogar Förderer des närrischen Treibens waren, das traditionell bis zum Dienstag vor Aschermittwoch andauert.
„Nach dem Ende des Kirchenstaates 1870 wollte die italienische Regierung mehr Seriosität propagieren und hat den Karneval als etwas Niederes, als etwas Plebejisches angesehen und hat das Volksfest mehr oder weniger unterbunden“, erläuterte Nersinger im Gespräch mit dem Kölner Domradio am Sonntag. „Der Karneval konnte sich nach der Zeit, als die Päpste als große Förderer aktiv gewesen waren, nicht mehr erholen.“
„Wenn man Reinhard Raffalt, den großen Schriftsteller, der viel über Rom geschrieben hat, zur Hand nimmt, dann liest man von deprimierenden Zuständen“, sagte Nersinger. „Man habe damals nur noch vereinzelt Kinder gesehen, gekleidet mit schlecht sitzenden Uniformen der Schweizer Garde, und ein paar wenige Leute, die Konfetti warfen. Aber der echte römische Karneval ist seither leider tot.“
Vor dem Ende des Kirchenstaates sei der Karneval im Vatikan selbst „weniger ausgeprägt gewesen, aber die Päpste waren große Förderer des Römischen Karnevals. Also vor allen Dingen Martin V., der 1417 auf dem Konzil von Konstanz zum Papst gewählt wurde.“
„Teilweise wurde der Karneval direkt durch die Päpste finanziert“, so Nersinger weiter. „Sixtus IV. hat im 15. Jahrhundert die Gehälter der Professoren und Lektoren der Sapienza, der großen römischen Universität, zur Finanzierung des Karnevalsfestes besteuert.“
Der Karneval sei „seit der Antike eine Institution des Zusammenlebens“ gewesen, auch weil die Verhältnisse des täglichen Lebens umgekehrt wurden: „Aus dem Sklaven oder aus dem Diener wurde der Herr, und aus dem Herrn wurde der Diener.“
„Im Karneval sah man einen Anlass, der auch Kritik an den bestehenden Verhältnissen erlaubte und damit auch viel Dampf aus mancher angespannten Situation herausnahm“, sagte der Vatikan-Experte. „Es handelte sich also um ein Korrektiv in politisch schwierigen Situationen.“