4. Juni 2017
Es ist soweit. Die Diakonenweihe steht vor der Tür und der Countdown läuft: nur noch wenige Wochen trennen mich von dem Tag an dem ich dem Herrn mein Leben endgültig und ganz übergeben werde um Ihm und der Kirche zu dienen. Ich tue dies mit großer Freude und Zuversicht.
Aber wenn ich ganz ehrlich bin, so stellt sich mir schon manches Mal die Frage, ob ich dieser Verpflichtung zur Treue auf Lebenszeit gewachsen bin. Tatsächlich waren alle bisherigen Entscheidungen, die ich in meinem Leben treffen musste immer nur vorläufig: Studium, Berufsrichtung, Standort. Die Weihe zum Diakon im Hinblick auf das Priestertum ist dagegen ein endgültiger Schritt.
Der aktuelle gesellschaftliche Kontext scheint mir von einer solch schwerwiegenden Entscheidung eher abzuraten: hohe Scheidungsraten, Spaßgesellschaft, Kultur des Provisorischen, von der ich, ob ich es will oder nicht, geprägt bin. Ist nicht eher derjenige wirklich glücklich, der endgültigen Entscheidungen aus dem Weg geht? Ist der Treue nicht irgendwo der Dumme, der sich gerade jene Optionen verbaut für die er sich nicht entscheidet?
Ich muss da in letzter Zeit oft an eine Begegnung denken, die ich vor einigen Jahren mit einer ganz beeindruckenden Person haben durfte: Es handelt sich um den damals schon 98-jährigen Priester Herrmann Scheipers. Ich hatte zu der Zeit schon entschieden, in das Priesterseminar der Gemeinschaft Sankt Martin in Frankreich, einzutreten. Zwischen meiner Entscheidung und dem tatsächlichen Eintritt lagen aber noch ganze neun Monate, die es zu überbrücken galt. Irgendwie merkte ich, dass ich noch ein Zeichen brauchte um meiner wackeligen Entscheidung etwas Halt zu geben. Hatte ich nicht zu vorschnell gehandelt? War das wirklich mein Weg?
Sein beeindruckender Lebenslauf war mir schon bekannt: er war der letzte Überlebende des berühmten Priesterblocks im KZ Dachau, wo während des Zweiten Weltkrieges rund 2600 katholische Priester aus ganz Europa eingesperrt waren. Als junger Priester im Bistum Meißen in Sachsen tätig, wurde er 1940 von der Gestapo wegen seines Einsatzes für polnische Zwangsarbeiter verhaftet und bald darauf ins KZ Dachau überführt. Nach fünf Jahren zwischen Leben und Tod kam er 1945 frei und kehrte nach dem Krieg, als gebürtiger Münsteraner, freiwillig nach Sachsen zurück und wirkte dort noch rund vierzig Jahre als Priester unter der SED-Diktatur.
Pater Scheipers hatte sein Leben lang viel für seine Treue zu Christus leiden müssen. Ich hätte darum eher ein von schweren Prüfungen gezeichnetes, vielleicht etwas verhärtetes Gesicht erwartet. Doch der kleinwüchsige, höfliche und bescheidene alte Herr, der mich damals empfing, war ganz anders: er strahlte, trotz seines hohen Alters eine solche Freude und Lebenskraft aus, dass ich davon ganz eingenommen war. Diese ansteckende Freude war das Zeichen der Vorsehung, dass ich damals gesucht hatte: es ist nicht nur möglich dem Herrn ein Leben lang treu zu sein; mehr noch: wer stets mit Christus verbunden bleibt, wenn auch durch manch schwere Prüfungen hindurch, der wird wahrhaft glücklich.
Pater Hermann Scheipers ist vor einem Jahr mit 102 Jahren verstorben. Heute, rund sechs Jahre nach unserer Begegnung, bin ich diesem Priester für das Beispiel seiner Treue unendlich dankbar. Er, wie auch andere, haben mir den Weg der Treue zum Herrn lebendig bezeugt und mir den Mut gegeben nun meinerseits, so Gott will, ein treuer und fröhlicher Zeuge Christi zu sein und den Menschen um mich herum den Mut zur Treue zu geben.
Wohl wissend, dass die Kraft dazu nur von Christus und den Sakramenten kommt, die er seiner Kirche anvertraut hat, möchte ich mit dem wunderschönen Gebet schließen, dass jeder Priester in der Messe im Stillen vor dem Empfang der Kommunion betet:
"Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, dem Willen des Vaters gehorsam, hast du im Heiligen Geist durch deinen Tod der Welt das Leben geschenkt. Erlöse mich durch deinen Leib und dein Blut von allen Sünden und allem Bösen. Hilf mir, dass ich deine Gebote treu erfülle und laß nicht zu, dass ich jemals von dir getrennt werde."
Matthäus Trauttmansdorff ist Seminarist der Gemeinschaft Sankt Martin in Frankreich. Der gebürtige Österreicher wird dort am 24. Juni 2017 zum Diakon geweiht.
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Warum ein junger Mann aus Aachen lieber in Frankreich Priester wird – aber hofft, in Deutschland wirken zu können: https://t.co/NT03shCXvP
— CNA Deutsch (@CNAdeutsch) March 31, 2017
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