Warum bei Konrad Adenauer der Glaube und Europa zusammenhängen

Konrad Adenauer (zweiter von rechts) mit Vertretern der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT)
Martin Grünewald

Er war ein gläubiger Katholik und gehört zu den Gründervätern der europäischen Einigung. Rechtzeitig vor dem 150. Jubiläum der Geburt Konrad Adenauers am 5. Januar 2026 lud die Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) den Enkel des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland zu einer Erinnerung an einen der größten Deutschen ein. Die Schwerpunkte des Vortrags von Konrad Adenauer – so heißt der Enkel nämlich auch – waren Glaube und Europa.

Adenauer wurde 1949 im Alter von 73 Jahren zum Bundeskanzler gewählt. In diesem Amt blieb er bis 1963. Er gestaltete den Wiederaufbau des zerstörten und zerrütteten Landes, verankerte in der Zeit des Kalten Krieges die Westbindung Deutschlands, leitete nach dem Zweiten Weltkrieg zuerst die Versöhnung mit Frankreich ein und wurde dann zum Pionier der europäischen Einigung.

In der Familie Adenauer gibt es eine „Konrad-Tradition“: Konrad Adenauer gab seinen Vornamen an einen seiner Söhne weiter, was dieser auch eine Generation später praktizierte. Dieser Enkel Konrad Adenauer hielt nun also den Vortrag über die Verankerung seines Großvaters im katholischen Glauben und über dessen Engagement für Europa. Das geschah nicht ohne Emotionen in Köln-Lindenthal, wo die KHKT ihren Standort hat. „Unsere Familie ist hier seit anderthalb Jahrhunderten einheimisch. So freut mich die Existenz der KHKT an dieser Stelle sehr“, hob der Enkel hervor.

„Mein Großvater hat sich zumindest nicht ausführlich über seinen Glauben geäußert, auch nichts schriftlich dargelegt. Man kann seinen Glauben erkennen an seiner Haltung und seinem Verhalten“, berichtete Adenauer in der vollbesetzten KHKT-Aula.

Des späteren Bundeskanzlers politische Karriere verlief rasant: Kaum wurde er zum Beigeordneten vom Rat der Stadt Köln gewählt, wurde er Stellvertreter des Oberbürgermeisters und im Jahr 1917 dessen Nachfolger, aber auch Präsident des Katholikentages des Jahres 1922 in München: „Als Rechtsanwalt lernte mein Großvater durch sein häufiges Auftreten vor Gericht, frei zu reden und zu plädieren sowie selbstständig zu arbeiten.“

Nachgesagt wurden ihm nach Auskunft des Enkels die klassischen bürgerlichen Tugenden: Fleiß, Pflichtbewusstsein, Ordnungssinn, Sparsamkeit, Pünktlichkeit, Reinlichkeit, bei ihm besonders auch Zähigkeit und Durchhaltevermögen, Geduld – und Frömmigkeit.

Sein Enkel: „Schon für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stellte Adenauer fest, dass das deutsche Volk das religionsloseste und unchristlichste Volk Europas sei. Er beklagte früh die geistige Entwurzelung der Massen.“ Und: „Zu den Errungenschaften der christlich-abendländischen Kultur zählten für ihn das Naturrecht, der Rechtsstaat, die Demokratie, die friedliche Völkergemeinschaft und eben die Würde der Person.“

Adenauers Leben verlief keineswegs reibungslos, vielmehr wurde er von harten Schicksalsschlägen geprüft. Seine erste Ehefrau Emma starb bereits im Alter von 36 Jahren. Für seine drei kleinen Kinder war er nun alleine verantwortlich. Nach drei Jahren als Witwer fand er ein neues Glück mit der knapp 20 Jahre jüngeren Nachbarstochter Gussie, mit der er vier weitere Kinder aufzog.

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„Seine Absetzung als Oberbürgermeister von Köln im März 1933 durch die Nationalsozialisten bedeutete für Adenauer einen Sturz ins Bodenlose“, so der Enkel an der KHKT. Seinem Großvater sei es während des Dritten Reichs nicht möglich gewesen zu arbeiten, „er war geächtet und durfte nicht nach Köln zurück“.

Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde Adenauer verhaftet, in das Außenlager des KZ Buchenwald auf dem Kölner Messegelände eingeliefert und bis Ende November 1944 im Gestapogefängnis Brauweiler gefangen gehalten. Die Flucht gelang ihm, bevor er ins KZ Buchenwald verlegt werden konnte.
Sechs der sieben Kinder von Bundeskanzler Adenauer haben geheiratet und schenkten ihm insgesamt 24 Enkelkinder. Sein Sohn Paul wurde Priester. Für Adenauer war es selbstverständlich, sonntags die Messe zu besuchen. In Rhöndorf markiere bis heute eine Erinnerungstafel seinen Stammplatz in der Kirche St. Mariä Heimsuchung, berichtete sein Enkel.

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Auch auf Reisen und im Urlaub sei der Sonntagsgottesdienst selbstverständlich gewesen, sogar in Moskau, als er zehn Jahre nach Kriegsende – gegen enorme Widerstände der Kommunisten – die letzten 10.000 Kriegsgefangenen heimholte. Es gebe Hinweise, dass eine Gebetsgemeinschaft um den Schweizer Nationalpatron Nikolaus von Flüe zum Erfolg der Moskaureise seines Großvaters beigetragen habe, berichtete der Enkel. Sicher sei: Adenauer selbst habe die Flüeli-Kapelle im Jahr 1950 besucht. Zahlreiche Kirchenbesuche Adenauers in Cadenabbia am Comer See seien durch Fotografien belegt.

Im Rhöndorfer Wohnhaus Adenauers, so berichtete sein Enkel, gebe es zahlreiche Hinweise auf die innere Überzeugung des früheren Bundeskanzlers. Er habe mit Leidenschaft Gemälde alter Meister gesammelt, fast ausschließlich mit religiösen Motiven. Als er im April 1967 todkrank in Rhöndorf darniederlag, wies er nach Aussage seines Priestersohnes Paul auf das über seinem Bett hängende Gemälde eines sogenannten Gnadenstuhls hin und sagte: „Kein Grund zum Weinen“.

Eindrucksvoll auch sein Bekenntnis, als er zu dem evangelikalen Prediger Billy Graham in der USA im Sommer 1963 vor seinem Rücktritt als Bundeskanzler sagte: „Wenn Jesus Christus nicht von den Toten auferstanden ist, gibt es nicht den geringsten Hoffnungsschimmer für die Menschheit. Wenn ich mein Amt verlasse, werde ich den Rest meines Lebens damit verbringen, mich mit der Auferstehung Jesu Christi zu befassen, denn das ist das Wichtigste der Menschengeschichte.“

Adenauer war ein Freund der Katholischen Soziallehre und überzeugter Europäer. Er wurde Mitglied der 1922 gegründeten Paneuropa-Union des Grafen Richard von Coudenhove-Kalergi und Erbe der bereits von Außenminister Gustav Stresemann angestrebten deutsch-französischen Versöhnung. In Robert Schuman, französischer Ministerpräsident und von 1948 bis 1952 Außenminister, sowie in Alcide de Gasperi, Ministerpräsident von Italien, fand Adenauer die richtigen Bundesgenossen zum Aufbau eines geeinten Europas.

Den französischen Kollegen kannte der deutsche Kanzler bereits durch ein privates Treffen im Jahr 1948. Der Schuman-Plan führte zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Jahr 1951, auch Montanunion genannt. Sechs europäische Länder schlossen sich zusammen, um die Produktion und Kontrolle der wichtigsten Rohstoffe zur Herstellung von Kriegswaffen gemeinsam zu verwalten.

„Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“ – Diese Aussage von Bundeskanzler Adenauers in seiner Regierungserklärung vom 15. Dezember 1954 zeigt nicht nur sehr anschaulich den Weg der frühen europäischen Integration auf, sondern auch die Rolle, die Adenauer selbst auf diesem Weg spielte. Zu Recht gilt er heute als einer der Gründerväter Europas.

Später (1957) folgte die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit Zollunion und einem gemeinsamen Markt. Wichtige Meilensteine bildeten außerdem der deutsche Beitritt zum Europarat bereits im Jahre 1950 und die Lösung der Saarfrage, dem größten Problem zwischen Frankreich und Deutschland.

Konrad Adenauer, der Enkel des ersten Bundeskanzlers, sagte bei seinem Vortrag an der KHKT: „Ich sehe die Vereinigung Europas als eine zutiefst christliche Aufgabe, sie ist sozusagen aus dem Christentum geboren.“ Nicht als Begründung, aber zur Unterstreichung berichtete er: „Der Europarat wählte seinerzeit als Flagge ein blaues Tuch mit zwölf goldenen Sternen im Kreis darauf. Dieser Gestaltung lag die Flagge der Paneuropa-Union zugrunde.“

Das Motiv gehe auf „die Frau aus der Geheimen Offenbarung“ im Neuen Testament zurück: „Diese Frau steht auf einer Mondsichel, und ihr Haupt ist mit zwölf Sternen bekränzt. Diese Frau wird als Maria, die Mutter Gottes, gedeutet.“ Darum hängen also bei Konrad Adenauer, dem Bundeskanzler, Glaube und Europa zusammen.