Washington, D.C. - Donnerstag, 21. März 2019, 14:32 Uhr.
Im Literatur-Klassiker "Herr der Ringe", der großen Erzählung des katholischen Autors J.R.R. Tolkien, gibt es eine Schlüsselszene: Der Moment, in dem das Unterfangen, den bösen, mächtigen Ring zu zerstören, völlig hoffnungslos erscheint. Dunkelheit und Gefahr umgeben den kleinen Hobbit mit Namen Frodo, seit er seine idyllische Heimat verlassen hat auf seiner Mission, den Ring zu vernichten. Und dann spitzt sich diese zu.
Über diesen Moment hat Erzbischof Charles Chaput gesprochen, um jungen Studenten ihre Berufung als Katholiken zu erklären – und den grundsätzlichen Sinn ihres Lebens zu sprechen.
Chaput sprach an der ihm besonders am Herz gelegenen University of Mary in Bismarck (North Dakota).
Die Schlüsselszene ist ein Moment großer Verzweiflung: Frodo wendet sich – erzählte Chaput – an seinen treuen Freund, Samwise Gamgee, einen Hobbit, der nicht von Frodos Seite gewichen ist. Und er fragt ihn, ob es sich überhaupt lohnt, diese scheinbar unmögliche Mission fortzusetzen.
Sam bejaht die Frage: "Es gibt etwas Gutes in dieser Welt Herr Frodo, und dafür lohnt es sich zu kämpfen".
Die US-Bundesstaaten Nord- und Süd Dakota, so Chaput in seiner Ansprache, erinnern an das idyllische Auenland, die Heimat der Hobbits bei Tolkien: Sie sind landschaftlich lieblich, sicher und fast nie im Mittelpunkt irgendwelcher Ereignisse.
"Ich habe als Bischof in drei verschiedenen Bistümern gedient, und ein jedes war gesegnet mit Freunden und Erfahrungen. Ich habe sie alle lieb gewonnen Aber meine große Liebe ist die Diözese Rapid City, South Dakota", so Chaput.
"In den Dakotas trifft man auf eine Schönheit und Vernunft, auf die man nirgendwo sonst stoßen kann. Ich glaube auch, dass der Teufel dazu tendiert, sich auf Orte wie New York und Washington zu konzentrieren, und Ort wie Bismarck für weniger wichtig zu halten. Das ist sein Fehler. Denn das bedeutet, dass man hier sehr gut Dinge erledigt bekommt, direkt vor seiner Nase", sagte er.
Aber wie die Hobbits nicht im Auenland geblieben sind, so der Erzbischof weiter, sind auch letztlich Christen aufgerufen, ihre Heimat und Stätten der Bildung zu verlassen, in die Welt zu ziehen und die Frohe Botschaft zu verkünden.
"Es kommt der Tag, an dem [die Hobbits] aus ihren Häusern gerufen werden, und in einen großen Kampf zwischen Gut und Böse um die Seele der weiten Welt – ein Krieg, in dem sie eine entscheidende Rolle spielen, gerade weil sie klein sind und scheinbar unbedeutend", sagte er.
Doch die Welt da draußen muss dringend neu geschaffen werden, so Chaput – auch innerhalb der katholischen Kirche.
Die durch Missbrauchsskandale verursachte Kirchenkrise mag den Eindruck erwecken, dass wir in einem finsteren Zeitalter leben, sagte der Erzbischof.
"Viele sehr gute Menschen sind wütend auf ihre Kirchenführer wegen des Missbrauchsskandals, und zwar zu Recht. Ich will diese Wut nicht verringern, weil wir sie brauchen; sie hat gesunde und gerechte Wurzeln", sagte er.
Aber die richtige Antwort auf diesen gerechten Zorn ist kein giftiger Groll, sondern eine Antwort in Demut und Liebe, die sowohl den Einzelnen als auch die Kirche reinigt, sagte Chaput den Studenten, ähnlich wie die heilige Katharina von Siena, die durch ihre Heiligkeit und Beharrlichkeit den Papst davon überzeugt hat, nach Rom zurückzukehren.
"Gott ruft uns alle auf, nicht nur das Antlitz der Erde mit seinem Geist zu erneuern, sondern das Herz der Kirche mit unserem Leben zu erneuern; sie immer wieder jung und schön zu machen, damit sie mit seiner Liebe zur Welt erstrahlt. Das ist unsere Aufgabe. Das ist unsere Berufung. Das ist eine Berufung – eine Berufung von Gott mit unserem Namen darauf."
Es gibt auch viel Dunkelheit in der Welt, die von außerhalb der Kirche kommt, erinnerte Chaput seine Zuhörer. Heute werde das Leben eines Menschen durch drei große Fragen erschwert.
"Was ist Liebe? Was ist Wahrheit? Und wer ist Jesus Christus?", sagte er. "Die weltliche Welt hat Antworten auf eine jede dieser großen Fragen. Und sie sind falsch."
Die Welt definiert Liebe nur mit Emotionen und sexueller Kompatibilität, während sie Wahrheit als etwas definiert, das nur durch objektive, messbare Daten beobachtet werden kann, erklärte der Erzbischof. Die Welt sage auch, dass Jesus Christus ein guter Mensch in einer langen Reihe guter Lehrer war, aber letztendlich ist es nur ein schöner abergläubischer Glaube und nicht eine echte Person, die der Sohn Gottes und Retter der Welt ist.
"Das Wichtigste an all diesen weltlichen Antworten ist Folgendes. Sie sind nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Sie reduzieren unseren menschlichen Geist auf unseren Appetit. Sie senken die menschliche Vorstellungskraft und die Suche nach Bedeutung auf das, was wir konsumieren können. Und weil das menschliche Herz nach einer Bedeutung hungert, die die weltliche Kultur nicht bieten kann, betäuben wir diesen Hunger mit Lärm und Drogen, Sex und Ablenkung. Aber der Hunger kommt immer wieder zurück".
Die weltliche Gegenwart bietet einfache Antworten, stellte er fest, aber sie bietet keine befriedigenden Antworten auf einige der tiefsten menschlichen Fragen, die man sich stellen könnte: "Warum bin ich hier, was bedeutet mein Leben, warum werden die Menschen, die ich liebe, alt und sterben, und werde ich sie jemals wieder sehen? Die säkulare Welt hat keine befriedigende Antwort auf eine dieser Fragen. Sie will nicht einmal, dass wir solche Fragen stellen, weil sie selbst blind ist; sie kann eine höhere Ordnung als sich selbst nicht tolerieren – dies würde sie verpflichten, sich so zu verhalten, wie sie sich nicht verhalten will. Und so hasst sie, wie Kain es tat, diejenigen, die versuchen, anders zu leben."
Die Antwort auf all diese Fragen, sagte Chaput, ist nicht irgendeine Theorie oder Gleichung, sondern die Person Jesu Christi.
"Er ist der einzige zuverlässige Wegweiser für unsere Reise durch die Welt. Die Christen folgen ihm nach wie die Apostel, denn in ihm und in seinem Beispiel spricht Gott direkt zu uns und führt uns auf dem Weg nach Hause in sein Reich. Um es anders auszudrücken, Jesus ist nicht nur die Verkörperung Gottes, sondern auch die Verkörperung dessen, was wir sein sollen."
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Und die Botschaft Jesu ist, dass jedes Leben "unwiederholbar und kostbar ist[und] einen Sinn und eine Bestimmung hat, die Gott nur für dich bestimmt. Nur für dich", sagte er.
Für viele Menschen bedeutet dies, die Berufung zur Ehe zu leben und Christus in der Familie, bei Freunden und am Arbeitsplatz zu bezeugen, "und du wirst der Welt mit einem täglichen Zeugnis des christlichen Lebens einen Stempel aufdrücken", sagte er.
"Ehe und Familie sind zutiefst gute Dinge", fügte er hinzu, und betonte: Laien sind dazu berufen, nicht nur "Helfer" des höheren Klerus zu sein, sondern auch eine gleichberechtigte Verantwortung bei der Förderung der Sendung der Kirche zu schultern.
"Denkt daran, wenn ihr über eure eigene Zukunft nachdenkt", sagte Chaput.
Gott rufe immer wieder Menschen auf, radikale Zeugen der Heiligkeit im Priestertum oder im geweihten Ordensleben zu sein, sagte er.
"Die Ordensleute sind ein lebendiges Zeugnis für radikale Bekehrung und radikale Liebe; ein ständiger Beweis dafür, dass die Seligpreisungen mehr sind als nur schöne Ideale, sondern vielmehr der Weg zu einem neuen und besseren Leben", sagte er.
"Und die Priester haben das Privileg, den Gott der Schöpfung in ihren Händen zu halten. Ohne Priester gibt es keine Eucharistie. Ohne die Eucharistie gibt es keine Kirche. Und ohne die Kirche als lebendige und organisierte Gemeinschaft gibt es keine Gegenwart von Jesus Christus in der Welt."
Der Schlüssel zur Suche nach der Berufung und dem Sinn des Lebens sind Stille und Gebet, die Platz für Gottes Stimme machen, sagte er.
"Zeit für Stille und Gebet sollte die wichtigste Fastenpraxis für uns alle sein – aber besonders für jeden, der Gottes Willen für sein eigenes Leben sucht."
Anstatt also die Tatsache zu beklagen, dass die Zeiten schlecht sind, forderte Chaput die Studenten auf, sich daran zu erinnern, dass sie aus einem bestimmten Grund in dieser Zeit leben und durch ihre Heiligkeit und ihr Zeugnis ihres Lebens die Zeiten neu gestalten können.
"Als Bischof lebte der heilige Augustinus in einer Zeit, in der die ganze Welt auseinanderzubrechen schien, und die Kirche selbst kämpfte mit bitteren theologischen Spaltungen. Aber wann immer sein Volk sich über die Finsternis der Zeit beschweren würde, würde er es daran erinnern, dass die Zeiten durch die Entscheidungen und Handlungen der Menschen, die sie bewohnen, bestimmt werden", sagte er.
"Mit anderen Worten, wir sind es, welche die Zeiten zu dem machen, was sie sind. Wir sind die Subjekte der Geschichte, nicht nur ihre Objekte. Und wenn wir nicht bewusst daran arbeiten, die Zeiten mit dem Licht Jesu Christi besser zu machen, dann werden die Zeiten uns mit ihrer Dunkelheit schlechter machen."
"Es gibt etwas Gutes in dieser Welt, und dafür lohnt es sich zu kämpfen", wiederholte Chaput und erinnerte erneut an den Herrn der Ringe. "Das ist eine ziemlich gute Beschreibung der Berufung, die Gott von jedem von uns verlangt."
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