Vatikanstadt - Donnerstag, 9. Mai 2019, 9:47 Uhr.
Was bringt die Kurienreform? Führt sie eventuell zu einer Schwächung Roms infolge des Versuchs, in führende Positionen der Kurie Laien einzusetzen, weil dies letztlich mehr Entscheidungsgewalt auf die Ebene der Bischofskonferenzen delegieren würde?
Das ist die Sorge einiger Mitarbeiter im Vatikan.
Papst Franziskus soll in den kommenden Monaten in Kraft setzen, was unter dem Titel Evangelium Praedicate einen Abschluss der sechs Jahre der Reformbemühungen darstellt, die der Kardinalsrat begleitet und vorangetrieben hat: Eine neue Verfassung der Kurie.
Im Vorfeld der Veröffentlichung des Dokuments haben mehrere Mitglieder der Römischen Kurie Bedenken hinsichtlich des aktuellen Entwurfs des Dokuments angemeldet, insbesondere mit Blick auf die Frage, ob und wie Laien eine stärkere Rolle zukommen kann.
Teil der Reform ist die Auflösung kleinerer "Päpstlicher Räte" in große Kongregationen der Kurie. Erklärtes Ziel solcher Schritte ist es, eine effizientere Bürokratie zu schaffen, die besser geeignet ist, dem Papst und den Diözesen auf der ganzen Welt zu dienen.
Viel diskutiert und kommentiert wurde die Meldung einiger Medien, die Kongregation für die Glaubenslehre könnte an Rang einbüßen gegenüber der als Propaganda Fide bekannte Kongregation für die Evangelisierung der Völker.
Ein solcher Schritt würde jedoch gewaltige ekklesiologische Probleme aufwerfen.
Papst Franziskus hat zudem in der Weihnachtsansprache des Jahres 2016 wörtlich betont, "dass alle Dikasterien rechtlich gleichgestellt sind", und "in direktem Bezug" dem Papst unterstehen.
Warum also dieses Gerücht? Personen im Vatikan, die mit dem Textentwurf vertraut sind, warnen davor, dass die Frage der Rangordnung nur eine Ablenkung ist. Auf dem Spiel stehe vielmehr die Ausübung von Autorität innerhalb der Abteilungen – auch und gerade mit Blick darauf, wie Laien – Frauen wie Männer – in den zusammengeschlossenen neuen Einheiten Veranwortung übernehmen.
Diese Entwicklung ist bereits in vollem Gange. Im vergangenen Jahr war das neue Dikasterium für Kommunikation das erste, das einen Laien zum Präfekten erhielt. Franziskus hat auch zwei Frauen ernannt, die als Unterstaatssekretariate im Dikasterium für Laien, Familie und Leben leiten. Laien besetzen auch leitende Positionen im Wirtschaftssekretariat.
Nun haben - wie Recherchen von CNA zeigen - einige Mitglieder des Kardinalsrates offenbar darauf gedrängt, auch Laien Ämter ausüben zu lassen, die traditionell von Kardinälen ausgeübt werden.
Während es bei der Neugestaltung der Kurie ein viel diskutiertes Ziel war, Laien die Besetzung höherer vatikanischer Ämter zu ermöglichen, hat diese Entwicklung bei vielen Amtsträgern Besorgnis ausgelöst.
"Es gibt definitiv den Wunsch, Laien, vorzugsweise eine Frau, in einer Rolle zu haben, die traditionell und prominent von einem Kardinal wahrgenommen wird", sagte ein Amtsträger des Vatikans, der mit dem Entwurfsprozess vertraut ist, gegenüber CNA.
"Aber es gibt vielleicht mehr Begeisterung als Verständnis dafür."
Viele Aspekte des kirchlichen Lebens und der kirchlichen Leitung bedürfen der Zustimmung Roms – meist einer Kongregation, die im Auftrag des Papstes handelt, etwa wenn es um neue Übersetzungen für die Liturgie geht, oder den Verkauf kirchlicher Mittel ab einer bestimmten Betragshöhe.
Einige Mitarbeiter der Kurie warnen nun: Die Reformschritte können eine Vielzahl von rechtlichen und ekklesiologischen Problemen aufwerfen, weil sie den theologischen Bezug der Kurie zur Ausübung päpstlicher Autorität ignorieren.
Im Mittelpunkt steht eine theologische Frage: Welche Rollen in der Leitung der Kirche erfordern eine sakramentale Weihe, und welche können von Laien ausgeübt werden?
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Das Kirchenrecht definiert die Weihe als eine notwendige Voraussetzung für die Ausübung der kirchlichen Entscheidungsgewalt. Laien können – laut dem CIC, dem Codex des Kirchenrechts - bei der Ausübung zwar "mitwirken", sie aber nicht selbst ausüben.
"Es kann gut sein, Laien in höheren Positionen zu haben", sagte ein Kurienerzbischof, der einen aktuellen Entwurf der neuen Verfassung gesehen hat, gegenüber CNA. "Aber eines ist klar: man kann nicht zulassen, dass Laien die Entscheidungsgewalt alleine ausüben."
In der Praxis ist diese auf Diözesanebene gelöst, etwa wenn Kirchenrechtler, die nicht zum Klerus gehören, als Richter in Annullierungsverfahren fungieren. Dabei bleiben Laienrichter eine Minderheit, und geleitet werden diese Gremien stets von einem Geistlichen.
Laien können bislang in höheren Diözesanrollen wie dem Kanzler tätig sein, aber nicht in Rollen mit einer stabilen Leitungsfunktion wie dem Generalvikar. Dies gilt auch für den Fall der Erzdiözese München und Freising, wo die Rolle aufgetrennt werden soll.
Ähnlich könnte – so Quellen im Vatikan – eine Lösung auch in Rom aussehen. Ein Laie würde als Sekretär etwa Entscheidungen treffen, die dann von einem Präfekten unterzeichnet werden. Doch wenn etwa eine Laienkatholikin selber Präfektin wird: Dann müsste der Papst selber die Entscheidung verantworten, so der Kurienerzbischof gegenüber CNA.
Andere Quellen aus dem Umfeld des Kardinalsrates haben vorgeschlagen, dass es bei dem Drängen auf Laien in Führungspositionen eigentlich weniger darum geht, Laien zu ermächtigen, als vielmehr darum, die Macht ganz von Rom wegzunehmen.
"Es gibt eine Minderheit, die die Laien als ein Mittel zum Zweck sieht, die Rolle der Kurie zu brechen", sagte ein Priester, der dem Kardinalsrat nahesteht, zu CNA. "Man gibt ihnen Aufgaben, die sie nicht mit voller Befugnis entscheiden können, aber man gibt ihnen gleichzeitig die Befugnis, die Entscheidungsgewalt faktisch den Bischofskonferenzen zu übertragen."
"Zumindest einige der[K6]-Kardinäle sehen in Laienpräfekten eine Möglichkeit, die römische Macht abzuschneiden, nicht nur die der Kurie, sondern auch des Papstes. Wenn man Laienpräfekten hat, muss man die Kompetenz [des Dikasteriums] einschränken, und man gibt den Bischofskonferenzen die Entscheidungsgewalt", so der Geistliche.
"Rom gewinnt so den Anschein, Laien in wichtigen Positionen zu haben, die Laien erhalten den Anschein von Macht, und die Konferenzen erhalten die wahre Macht", fuhr der Priester fort, "und dann nennen sie das Subsidiarität".
Wie es scheint, bedarf der bisherige Entwurf der Verfassung einer breiten Debatte in den kommenden Wochen.
Übersetzt und redigiert aus dem englischen Original.
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