Vatikanstadt - Dienstag, 5. November 2019, 9:10 Uhr.
Die umstrittenen Investitionen des Vatikans in eine Londoner Luxus-Immobilie wurde auf Kredit finanziert. Das haben führende Quellen im Vatikan gegenüber CNA mitgeteilt. Sie widersprechen damit der Darstellung, der Heilige Stuhl habe dafür eigene Geldmittel investiert.
Separate hochrangige Quellen sowohl in der Präfektur für Wirtschaft als auch der Güterverwaltung APSA, der Zentralbank des Vatikans, teilten CNA mit, dass Investitionen in Höhe von 200 Millionen Dollar in ein luxuriöses Londoner Apartmenthaus durch ein kurzfristiges Kreditpaket finanziert wurden, das von Schweizer Banken auf Anregung von Kardinal Angelo Becciu ermöglicht wurde.
Das Darlehen sah vor, dass der Vatikan für einen Zeitraum von drei Jahren nur Zinszahlungen leisten durfte und sollte Immobilienspekulationen auf dem Londoner Immobilienmarkt finanzieren. Die Bedingungen der Kredite im Detail, einschließlich des Zinssatzes und der Frage, welche Sicherheiten gegebenenfalls angeboten wurden, sind nicht klar.
Das Immobiliengeschäft des Vatikans im Jahr 2014, das von Kardinal Angelo Becciu während seiner Amtszeit als Sostituto im Staatssekretariat des Heiligen Stuhls genehmigt wurde, steht im Mittelpunkt weltweiter medialer Aufmerksamkeit, seit einer Razzia der Polizei des Vatikans sowie der Finanzaufsicht der Kurie am 1. Oktober.
Offenbar stand die von Kardinal Becciu genehmigte 200-Millionen-Dollar-Investition im Mittelpunkt der Ermittlungen.
Bisherige Medienberichte waren davon ausgegangen, dass die Spekulation durch Gelder des Vatikans finanziert wurde, die auf Schweizer Bankkonten lagen und über eine in Luxemburg ansässige Investmentgesellschaft abgewickelt wurden. Doch zwei hohe Amtsträger des Vatikans haben CNA gesagt, dass die Investition tatsächlich über Darlehen finanziert wurde.
Einer hochrangigen Quelle in der Wirtschaftspräfektur zufolge versuchte Becciu im Jahr 2015, diese Darlehen in den Budgets des Vatikans zu verschleiern, indem er sie gegen den Wert des Eigentums aufrechnete, das in der Londoner Nachbarschaft von Chelsea erworben wurde: Ein Buchhaltungsmanöver, das gegen die neuen Finanzregeln verstoßen würde, die von Papst Franziskus 2014 erlassen wurden.
Der Verschleierungsversuch wurde von der Wirtschaftspräfektur entdeckt und beim Wirtschaftsrat angesprochen, einer Einrichtung unter der Leitung von Kardinal Reinhard Marx, die für die endgültige Aufsicht über die vatikanischen Finanztransaktionen zuständig ist.
Eine hochrangige Quelle innerhalb der Kurie sagte gegenüber CNA, dass das Thema dort "zur Kenntnis genommen wurde". Aber der Rat habe nichts unternommen, trotz der offensichtlichen Unregelmäßigkeiten.
In den vergangenen Wochen hat Kardinal Becciu versucht, die Investition und seinen eigenen Ruf gegen sogenannte "verleumderischen Anschuldigungen" zu verteidigen.
"Es ist üblich, dass der Heilige Stuhl in Immobilien investiert, das hat er immer getan: in Rom, in Paris, in der Schweiz und auch in London", sagte Becciu. Bis dato war nicht berichtet worden, dass das Geschäft auf Kredit finanziert wurde.
In Reaktion auf Beccius Aussagen sagte eine hochrangige Quelle im Vatikan, dass "es vielleicht akzeptiert wurde, aber das bedeutet nicht, dass es akzeptabel ist".
Die "Financial Times", die den Betrag ermittelt hat, und die Firma "Athena Capital", die Investmentgesellschaft, die das Geschäft des Vatikans zum Kauf einer Beteiligung am Gebäude vermittelt hat, hatten zuerst über das Investitionsgeschäft berichtet.
Am 2. November meldete die "Financial Times", dass der frühere Eigentümer der Beteiligung des Vatikans am Londoner Gebäude Raffaele Mincione ist, der Eigentümer von Athena Capital. Die Zeitung berichtete weiter, dass die Beteiligung über sein Unternehmen an den Vatikan verkauft wurde, "zu einem deutlich höheren Preis, alsMincione zwei Jahre zuvor dafür bezahlt hatte".
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Hochrangige Quellen in der Wirschaftspräfektur sowie bei APSA berichteten gegenüber CNA auch, dass das Ringen um Transparenz bei der vatikanischen Zentralbank ebenso wie im Staatssekretariat eine entscheidende Rolle dabei spielten, dass der erste Generalrechnungsprüfers des Vatikans, Libero Milone, im Jahr 2017 entlassen wurde.
Milone wurde nach eigenen Angaben zum Rücktritt gezwungen, weil er aufklären wollte, was es mit Geldsummen in Höhe von Hunderten Millionen Euro auf sich hat, die vom Staatssekretariat und anderen Kurienbehörden auf Schweizer Bankkonten gehalten werden – aber nirgendwo in den Bilanzen des Vatikans auftauchten.
"Einige Leute hatten Angst, dass ich etwas aufdecken würde, was ich nicht sehen sollte", sagte Milone gegenüber der "Financial Times" am 2. November. Deshalb habe man ihm mit falschen Vorwürfen überzogen und beseitigt.
Zum Zeitpunkt seiner erzwungenen Kündigung verteidigte Kardinal Becciu seine Rolle bei der Entfernung von Milone: Er sagte, dass der von Papst Franziskus im Jahr 2015 ernannte Auditor sein Mandat überschritten habe.
Becciu im Jahr 2017 wörtlich: "Er verstieß gegen alle Regeln und spionierte das Privatleben seiner Vorgesetzten und Mitarbeiter aus, einschließlich das meiner Person." Hätte Milone seiner Kündigung nicht zugestimmt, hätte man ihn strafrechtlich verfolgt, so Becciu damals weiter.
Wie Quellen in der Wirtschaftspräfektur sowie bei APSA, der Zentralbank des Vatikans, gegenüber CNA mitteilten, waren intern Bedenken erhoben worden, warum die Transaktionsgebühren beim Kauf der Immobilie "weit über der Norm" lagen.
Ein Amtsträger sagte CNA, der Deal habe ernsthafte Fragen aufgeworfen: "Ob diese Gebühren aus Naivität oder Mittäterschaft vereinbart wurden, kann ich nicht sagen."
Vergangene Woche sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, dass es sich bei der Investition um ein Einzelgeschäft gehandelt habe".
"Wir arbeiten daran, alles zu klären. Dieses Geschäft war ziemlich undurchsichtig und jetzt versuchen wir, es zu aufklären", sagte Parolin.
Becciu diente von 2011-2018 als Sostituto oder Stellvertreter im Staatssekretariat, bis Papst Franziskus ihn zum Kardinal ernannte – und zum Leiter der Kongregation für Heiligsprechungsverfahren der Kirche.
Kardinal Becciu lehnte eine Anfrage von CNA zu dem Fall ab.
Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur.
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