Kardinal warnt Priester in Hong Kong: "Passt bloß auf, was Ihr sagt"

Katholiken bestürzt über Vorgehen der Bistumsleitung – Priester warnt, Anweisung für Gläubige wie ein "Eimer kalter Kotze"

Kardinal John Tong Hon
Rock Li/wikimedia. CC BY SA 3.0

Die Priester in Hong Kong sollen bloß "aufpassen", was sie sagen und am besten über Politik "nicht predigen": Mit dieser scharfen Warnung hat sich Kardinal John Tong Hon an die Geistlichen in seiner Diözese gewandt.

Das Schreiben liegt der "Catholic News Agency" (CNA) vor.  Es wurde am vergangenen Freitag von Kardinal Tong an alle Priester in Hong Kong verschickt.  Tong ist der amtierende Administrator – und ehemalige Bischof – der Diözese.

In seiner Anweisung beruft sich der Kardinal nicht direkt auf die Repressalien der kommunistischen Behörden gegen Christen und die Meinungsfreiheit, sondern auf Gott: "Die Predigt soll nicht die persönlichen Ansichten des Predigers (etwa seine eigene Ansicht zu einem sozialen oder politischen Thema), sondern die Botschaft Gottes vermitteln".

Der Kardinal betont: "Unsere Predigten dürfen den Bezug zu unserem täglichen Leben und zur konkreten Situation der Gesellschaft nicht verlieren. Ein Verweis auf oder eine kurze Analyse aktueller gesellschaftlicher Fragen wäre oft hilfreich und manchmal sogar notwendig für eine Predigt", mit dem Ziel, "die Gläubigen zu ermutigen ..., im sozialen Leben und bei der gesellschaftlichen Umgestaltung christliches Zeugnis abzulegen", fügte er hinzu.

"Verleumderische und beleidigende Äußerungen, die Hass und soziale Unordnung schüren oder aufstacheln, sind jedoch unchristlich und für die Liturgie ungeeignet".

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Auch wenn der Brief nicht ausdrücklich auf die derzeitige politische Situation Bezug nimmt, warnt darin der Kardinal, dass Priester und Diakone "sich sehr wohl bewusst sein sollten, dass unsere Gläubigen die ganze Zeit zuhören, was wir sagen, und beobachten, was wir tun".

"Deshalb müssen wir umsichtig und aufmerksam auf das achten, was wir in unseren Predigten, Ansprachen und Reden sagen."

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Administrator des Bistums mit regimetreuer Rhetorik an die Öffentlichkeit wendet. Kardinal Tong hat auch die sogenannten "Sicherheitsgesetze" begrüßt, die am 1. Juli in Kraft getreten sind (CNA Deutsch berichtete).

Tong behauptete sogar, dass das Gesetz "keine Auswirkungen" auf die Religionsfreiheit der Ortskirche haben werde. Tatsächlich sind seit Inkrafttreten des Gesetzes katholische Journalisten, politische Aktivisten und Geschäftsleute wegen "Aufruhrs" und anderer "Vergehen" verhaftet worden.

"Eine Kirche und ihr Altarraum sind heilige Orte, an denen die Gläubigen Gott begegnen", so Kardinal Tong am Freitag. "In einer kritischen Zeit wie heute hoffen unsere Gläubigen, von den Predigern während der Liturgie etwas Tröstliches, Konstruktives und Ermutigendes zu hören".

"Durch das Predigen können wir dazu beitragen, ihre Gemüter zu beruhigen. Dies erreichen wir aber nicht durch beleidigende oder provozierende Aussagen".

"Wir sollten vor allem aufpassen, was wir sagen", warnt der Kirchenmann seine Priester.

"Wie ein Eimer kalter Kotze"


Tongs Brief ist in verschiedenen Teilen der Ortskirche auf Entsetzen und Widerstand gestoßen.

Ein Priester sagte gegenüber CNA, der Brief sei bei vielen Katholiken vor Ort "wie ein Eimer kalter Kotze runtergegangen". Der Priester, der darum bat, nicht namentlich genannt zu werden, weil er befürchtete, dass er durch das "Nationale Sicherheitsgesetz" strafrechtlich verfolgt werden könnte, sagte am Dienstag, dass viele Katholiken vor Ort über das Vorgehen von Kardinal Tong bestürzt sind.

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"Die Jugend der Kirche ist nun einmal für die Demokratie", sagte er gegenüber CNA. "Sie suchen nach einer Leitfigur, und ich bezweifle, dass Sie hier einen Katholiken unter 35 Jahren finden würden, der nicht wütend ist und der die offizielle Kirchenvertretung nicht auf der Seite der Täter sieht, die sie in den Straßen mit Tränengas angreifen".

"Die Kirche ist für die Menschenwürde, für die Menschenrechte. In diesen Zeiten so zu tun, als könnten wir in der Predigt ein Schlaflied singen, ist absurd".

Ein anderer Pfarrer, der ebenfalls darum bat, nicht namentlich genannt zu werden, sagte gegenüber CNA, der Brief des Kardinals sollte einen "abschreckenden Effekt" auf Priester haben, die über die politische Situation sprechen.

"Die Regierung sieht die Anwesenheit sehr vieler Katholiken bei den Demonstrationen. Sie hören die Worte von [Kardinal] Zen und [Kardinal] Bo und sehen: Die Kirche könnte sich für die Grundrechte einsetzen", erklärte der Kleriker.

"Ich glaube, dass Kardinal [Tong] verhindern will, dass die Kirche zur Zielscheibe wird. Er möchte, dass die Leute in Predigten nicht die Regierung kritisieren. Er sagt selbst: Die Leute schauen immer zu."

Der Priester sagte, es sei wichtig, darauf hinzuweisen, dass viele in der Kirche, vor allem junge Katholiken, der pro-demokratischen Bewegung zwar Sympathie entgegenbrächten, aber nicht die gesamte Diözese repräsentierten. Manche Katholiken unterstützten auch das Regime. 

Für Aufregung unter den Katholiken sorgte auch ein Brief des Bildungsbeauftragten der Diözese an katholische Schulen in Hong Kong. Darin werden Schulleiter aufgefordert, die neuen Sicherheitsgesetze zu "erklären" und in der Schule "patriotische Werte" zu fördern.

Sogar eine Fürbitte der "Justitita et Pax"-Gruppe des Bistums, das eine Zeitung veröffentlichen wollte, wurde von der Bistumsleitung kassiert, weil es regierungskritisch sei.

"Sinisierung" und Verfolgung von Religion in China

 

Die kommunistische Regierung unter dem "Präsidenten auf Lebenszeit", Xi Jinping, will die Kirche in China nicht nur verfolgen, sondern durch "Sinisierung" gezielt gleichschalten. Dazu gehört einerseits das Zerstören von Kirchen, andererseits das Abhängen von Kreuzen und deren Ersetzung mit dem Konterfei von Kommunisten.

Das in diesem Monat auslaufende "vorläufige Abkommen" mit dem Vatikan, das Papst Franziskus verantwortet, hat die Verfolgung der Kirche in China nach einhelliger Einschätzung der Opfer, Menschenrechtler und westlicher Politiker dramatisch verschlimmert. Seine mögliche Verlängerung wird derzeit hinter den Kulissen heftig diskutiert.

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