Vatikanstadt - Donnerstag, 8. Oktober 2015, 12:48 Uhr.
Kardinal Walter Brandmüller hat eine Besinnung auf die wesentlichen Fragen der Synode gefordert – auch in der darüber geführten Debatte in der deutschsprachigen Öffentlichkeit. „Bei dieser Diskussion würde ich bitten, der Versuchung zu widerstehen, die üblichen Reizthemen in den Vordergrund zu stellen.”
Diese Themen, „also Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene, Ehe oder ehe-ähnliche Verbindungen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern”, würde er an den Rand schieben, so der Kardinal in einem Interview mit dem katholischen Fernsehsender EWTN Deutschland: „Und zwar aus dem einfachen Grund, weil sie tatsächlich Randthemen darstellen. Wenn Sie zugrunde legen, dass etwa 50 Prozent aller Ehen geschieden werden. Dann sind von diesen maximal 50 Prozent katholisch, und von diesen etwa 10 Prozent praktizierende Katholiken” – und selbst unter diesen wäre dann zu klären, wer von ihnen zu den Sakramenten dränge, so der Kardinal.
„Da würde ich schon sagen, dass es viel wichtigere Themen gibt als diese Randproblematik. Und das gleiche gilt für gleichgeschlichtliche Verbindungen”, so der Kardinal im Interview mit Martin Rothweiler und Robert Rauhut von EWTN Deutschland.
Heilige Schrift ist eindeutig – Geschichtliche Präzedenzfälle
Der 86-jährige Kurienkardinal, der unter anderem von 1998 bis 2009 Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft war, sagte, dass die Heilige Schrift zudem in dieser Hinsicht ziemlich eindeutig sei: „Es ist klar, dass Unauflöslichkeit der Ehe in der Heiligen Schrift des Neuen Testamentes kein Problem ist. Und für die praktizierte Homosexualität hat der Apostel Paulus auch ganz eindeutige Aussagen gemacht”, so Brandmüller wörtlich.
Mit Blick darauf, dass die Diskussion über das katholische Eheverständnis nicht zum ersten Mal stattfindet, wies der Kirchenhistoriker auf die berühmten Fälle des englischen Königs Heinrich VIII und des deutschen Landgrafes Philipp von Hessen hin. Im Falle Heinrichs habe dies nicht nur zur Kirchenspaltung geführt, sondern auch zum Martyrium des Heiligen Thomas Morus and weiterer Blutzeugen, erinnerte Brandmüller.
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Der Fall Heinrichs VIII. wie jener der berüchtigten Doppelehe des Landgrafen Philipp sei Hintergrund für Aussagen des Konzils von Trient gewesen, so Brandmüller. Die Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon hätten sich nach langer Überlegung entschlossen, eine zweite Heirat zu billigen, erinnerte der Kardinal. Dies habe das Konzil aufgegriffen um die Lehre der Ehe noch einmal klar zu formulieren und am Ende in knappen Sätzen zusammen zu fassen. „Dort heisst es in Kanon 2: Wenn jemand sagen sollte, dem Christen sei es erlaubt, gleichzeitig mehrere Frauen zu haben, und dies sei durch kein göttliches Gesetz verboten, der sei im Banne – ‘anathema sit’”, zitierte der Kardinal.
„Es handelt sich um Bigamie”
Brandmüller betonte gegenüber EWTN Deutschland, diese Sichtweise des Konzils gelte auch für wiederverheiratete Geschiedene, deren ursprüngliches Band ja nach katholischem Verständnis fortbestehe. Aus dieser Sicht stehe fest: „Es handelt sich um Bigamie”, so der Kardinal, und zitierte weiter Kanon 5 des Konzils, „wenn jemand sagen sollte, das Band der Ehe könne wegen Häresie, Schwierigkeiten des Zusammenlebens, vorsätzliche Abwesenheit eines Gatten gelöst werden, der sei im Banne.”
Auf die Frage nach den Gründen, wie trotz dieser historischen Tatsachen die Diskussion im deutschsprachigen Raum geführt werde, antwortete Brandmüller: „Der Mangel an Glaubensinformation spielt in all diesen Dingen eine große Rolle. Wenn dann eine Glaubenswahrheit herausgestellt, betont wird, dann kommt natürlich Protest”.
Glaubensinformation bietet in moderner Weise ein Text, auf den abschliessend Martin Rothweiler den Kardinal ansprach. Wie CNA Deutsche Ausgabe exklusiv berichtete, hatten alle Synodenväter zum Beginn der Familiensynode ein Büchlein mit der italienischen Übersetzung eines Briefs einer deutschen Schriftstellerin in einem Kuvert erhalten, welches das rot gestempelte Wappen des Kardinals zierte. Es handelt sich um die Zeilen über die Ehe, welche Ida Friederike Görres im April 1948 geschrieben hatte. Dazu sage Kardinal Brandmüller: „Das ist ein prophetischer Text, der Bleibendes formuliert, das im gegenwärtigen Augenblick neuer Beherzigung bedürfte”.
Das Buch „Von Ehe und Einsamkeit” von Ida Friederike Görres, in dem der Brief zu finden ist, wurde 2012 neu aufgelegt beim Kairos Verlag, Wien.