Im Überblick: Die bisherigen Berichte des deutschen Zirkels

Drei prominente Mitglieder der einzigen deutschsprachigen Gruppe: Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof Heiner Koch und Bischof Franz-Josef Bode
CNA/Petrik Bohumil

Nur eine der 13 Sprachgruppen der Familiensynode berät sich in deutscher Sprache. Hier die beiden kompletten Texte, die bisher vom Berichterstatter des „Circulus Germanicus", Berlins Erzbischof Heiner Koch, vorgelegt wurden.

Erstes Dokument, vorgestellt zum ersten Teil des umstrittenen „Instrumentum Laboris", veröffentlicht vom Heiligen Stuhl am 9. Oktober 2015: 

Im deutschen Zirkel unter Leitung von Christoph Kardinal Schönborn O.P. haben wir in einer sehr offenen und guten Atmosphäre den ersten Teil des Instrumentum laboris bedacht und bearbeitet. Die verschiedenen Sichtweisen der Teilnehmer waren bereichernd und wurden so auch wahrgenommen. Die Arbeit in dieser Gruppe zeigte meines Erachtens wieder einmal: Vielfalt macht reich.

Der Gesamtduktus des Textes fand einmütiglich Zustimmung. Auch sind wir mit der gegebenen Reihenfolge des Instrumentum laboris, also mit der Anordnung der drei Kapitel, sehr einverstanden. Sie greift den Aufbau die Papiere früherer Synoden und Konferenzen auf, die vom Sehen zum Urteilen führen und schließlich in das Handeln münden.

Wir haben aber auch Elemente hinzugefügt, die uns wichtig sind. So schlagen wir vor und bitten, am Beginn des ersten Kapitels einen Abschnitt einzufügen, der die Schönheit der Ehe und den Auftrag der Ehen und Familien umschreibt und greifen dabei das Anliegen der Betrachtungen von Papst Franziskus auf. Dankbar und staunend nehmen wir wahr, dass die Ehe berufen ist an der Schöpfungskraft Gottes teilzunehmen und an seinem Werk der Erlösung. Die Ehe ist nicht nur ein Thema des katholischen Glaubens sondern erweist sich in ihrem tiefsten Gehalt als Grundsehnsucht der Menschen. Sie zeigt sich weit über die kulturellen und religiösen Grenzen und über allen gesellschaftlichen Wandel hinweg als bemerkenswert konstant. Der Mensch sehnt sich danach, geliebt zu werden und Liebe zu schenken. Liebe ist das umfassende und bedingungslose Ja zu einem anderen Menschen – um seiner selbst willen, ohne Hintergedanken und Vorbehalte. Auch ist es ein menschlicher Grundzug, dass Liebe sich stets weiterschenken will. So entfaltet sich die Ehe in der Liebe zu den Kindern und den anderen Familienangehörigen. So wächst aus der Ehe die Familie, die ausstrahlt in Gesellschaft und Kirche. Die christliche Ehe ist damit ein Stück gelebte Kirche.

Wir schlagen auch vor, in diesem einleitenden Gedanken den Eheleuten und Familien für ihren großen Dienst füreinander, für unsere Gesellschaft und für unsere Kirche zu danken. Wir wollen auch denen besonders danken, die in Schwierigkeiten beieinander geblieben sind und so ein sichtbares Zeichen der Treue Gottes geworden sind.

In diesem einleitenden Wort möchten wir auch erwähnen, warum wir als Bischöfe zur Ehe und Familie Stellung nehmen: Wir kommen aus Familien, leben als Familie und nehmen Anteil am Leben der Familie. In unserer Verantwortung als Hirten sorgen wir Bischöfe uns um das Leben der Ehen und Familien. Wir möchten aber auch Hinhören auf ihre Lebensumstände und ihre Herausforderungen und sie mit dem liebenden Blick des Evangeliums begleiten und stärken.

In einer anderen Ergänzung möchten wir beispielsweise das Familienthema Verwandtschaft aufgreifen. In ihrer jeweiligen kulturellen Prägung bieten vor allem die Verwandtschaftsbeziehungen weit über die Kernfamilie hinaus vielerlei Möglichkeiten der Unterstützung in der Erziehung von Kindern und des familiären Zusammenlebens. Sie sind besonders wichtig, wo durch Migration, Katastrophen und Flucht, aber auch durch die Effekte der Arbeitsmobilität oder infolge zerbrochener menschlicher Beziehungen das Leben der Kernfamilie erschwert, beeinträchtigt oder sogar zerstört ist. Gerade in diesen Situationen erweist sich das weite Netz der Verwandtschaft als kostbare Hilfe.

Diese beiden Beispiele mögen zeigen, dass wir den uns vorgelegten Text positiv angenommen haben, aber auch weiter zu entwickeln und zu ergänzen versucht haben.

Eine Anmerkung möchte ich noch vortragen zur Wahrnehmung und Beurteilung unterschiedlicher kultureller Gegebenheiten. Ein Synodendokument muss die jeweiligen kulturellen Eigenheiten und Unterschiede sachgerecht wahrnehmen. Besonders dann, wenn es um ambivalente oder aus kirchlicher Sicht problematische Elemente der heutigen kulturellen Wirklichkeit geht. Hier ist eine differenzierte Analyse und Beurteilung unabdingbar, um zu einem sachgerechten und nuancierten weltkirchlich-interkulturellen Austausch beizutragen. An einem Beispiel darf ich dies verdeutlichen: Oftmals ist im ersten Kapitel vom Individualismus die Rede. Als egoistischer Grundzug ist er zweifelsohne eine große Gefahr für das Leben der Menschen. Nicht verwechselt aber darf er werden mit der Individualität des Menschen. Jeder einzelne Mensch ist von Gott ganz einmalig und großartig geschaffen und verdient seine Hochachtung und den Schutz der Würde seiner Person. In unserem Text ist mehrmals vom Individualismus die Rede, aber wenig werden die positiven Zeichen der Zeit gewürdigt, die sich aus der Achtung der Individualität des Menschen ergeben. Wenn wir hier nicht differenziert wahrnehmen, kommen wir auch zu unterschiedlichen Bewertungen unserer Gesellschaft und folglich auch zu unterschiedlichen pastoralen Empfehlungen. Unser Zirkel bittet, nicht zu sehr in eine Überbewertung der eher pessimistischen Wahrnehmung unserer Gesellschaft zu verfallen.

Schließlich: Es stellt sich ein doppeltes Problem der Übersetzung, das der wörtlichen Übersetzung der italienischen Texte und das der kulturellen Übersetzung der Inhalte.

Die deutsche Übersetzung folgt relativ genau dem italienischen Text, was aber bisweilen den deutschen Text oft schwer verständlich macht. Gründe dafür sind oft die überlangen Sätze, die im deutschen kürzere Sätze erfordern. Auch der verschachtelte Stil macht zu schaffen. Hier ist generell auf kürzere Sätze zu achten und bessere Strukturierung der Inhalte. Bei der Übersetzung der endgültigen Texte ist auf einen guten Stil, angenehme Lesbarkeit und klaren Duktus zu achten. Die Übersetzung sollten nicht interlinear, sondern sinngemäß sein.

Bei der Verfassung der Texte sollte darauf geachtet werden, dass kirchliche und theologische Positionen nicht nur intern verständlich sind, sondern auch in einer säkularen Umwelt zugänglich sind. Daher bedarf es auch eine „kulturellen Übersetzung“, gleichsam einer Inkulturation. Daraus folgt bei der Redaktion des Gesamtdokuments, ob eine negativ abgrenzende und normativ verurteilende Sprache vorherrscht (forensischer Stil) oder eine positive, die christliche Position entfaltende Sprache, die damit implizit zur Sprache bringt, welche Positionen christlich inkompatibel sind. Dazu gehört auch die Bereitschaft (cf. Gaudium et spes), von der Gesellschaft positive Entwicklungen aufzugreifen. Vielleicht brauchen wir für den Gesamtduktus eine Art „Hermeneutik der Evangelisierung“, die den jeweiligen Gegenstand „im Licht des Evangeliums“ betrachtet. 

Wir freuen uns sehr auf die weitere mitbrüderliche Zusammenarbeit und danken allen für die vielen Mühen um einen einmütigen Verlauf und Abschluss der Synode.

 

Hier der zweite Text, vorgelegt von Erzbischof Koch am 14. Oktober:

Ausführlich haben wir die immer wieder als Gegensatz aufgefassten Begriffe Barmherzigkeit und Wahrheit, Gnade und Gerechtigkeit und ihre theologische Beziehung zueinander diskutiert. Sie sind in Gott keine sich gegenüber stehenden Gegensätze: Weil Gott Liebe ist, fallen in Gott Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in eins. Die Barmherzigkeit Gottes ist die grundlegende Offenbarungswahrheit, die nicht im Gegensatz steht zu anderen Offenbarungswahrheiten. Sie erschließt uns vielmehr deren tiefsten Grund, da sie uns sagt, warum Gott sich in seinem Sohn selbst entäußert hat und weshalb Jesus Christus durch sein Wort und seine Sakramente bleibend zu unserem Heil in seiner Kirche gegenwärtig ist. Die Barmherzigkeit Gottes erschließt uns damit den Grund und das Ziel des gesamten Heilswerkes. Die Gerechtigkeit Gottes ist seine Barmherzigkeit, mit der er uns gerecht macht.

Wir haben auch überlegt, welche Konsequenzen dieses Ineinander für unsere Begleitung von Ehen und Familien hat. Es schließt eine einseitig deduktive Hermeneutik aus, welche konkrete Situationen unter ein allgemeines Prinzip subsumiert. Im Sinne des Thomas von Aquin und auch des Konzils von Trient steht die Anwendung der Grundprinzipien mit Klugheit und Weisheit auf die jeweilige, oft komplexe Situation an. Dabei geht es nicht um Ausnahmen, in denen Gottes Wort nicht gültig sein soll, sondern um die Frage der gerechten und billigen Anwendung des Wortes Jesu – etwa des Wortes der Unauflösbarkeit der Ehe – in Klugheit und Weisheit. Thomas von Aquin hat diese Notwendigkeit der konkretisierenden Applikation deutlich gemacht, etwa wenn er sagt: „Zur Klugheit gehört nicht nur die Überlegung der Vernunft, sondern auch die Applikation auf die Handlung, welche das Ziel der praktischen Vernunft ist“ (STh II-II-47,3: „ad prudentiam pertinet non solum consideratio rationis, sed etiam applicatio ad opus, quae est finis practicae rationis“).

Ein anderer Aspekt unserer Diskussion war die vor allem in Kapitel 3 des II. Teils öfters angesprochene stufenweise Hinführung der Menschen zum Sakrament der Ehe, angefangen von unverbindlichen Beziehungen über unverheiratet zusammenlebende Paare und nur standesamtlich Verheiratete bis hin zur kirchlich gültigen und sakramentalen Ehe. Diese Menschen auf den unterschiedlichen Stufen seelsorgerisch zu begleiten, ist eine große pastorale Aufgabe, aber auch Freude.

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Deutlich wurde uns auch, dass wir in vielen Diskussionen und Wahrnehmungen zu statisch und zu wenig biographisch-geschichtlich denken. Die kirchliche Ehelehre hat sich geschichtlich entwickelt und vertieft. Zunächst ging es um die Humanisierung der Ehe, die sich in der Überzeugung der Monogamie verdichtet hat. Im Licht des christlichen Glaubens wurde die personale Würde der Ehepartner tiefer erkannt und die Gottebenbildlichkeit des Menschen in der Beziehung von Mann und Frau wahrgenommen. In einem weiteren Schritt wurde die Kirchlichkeit der Ehe vertieft und sie als Hauskirche verstanden. Schließlich wurde der Kirche die Sakramentalität der Ehe ausdrücklich bewusst. Dieser geschichtliche Weg der Vertiefung zeichnet sich heute auch in der Biographie vieler Menschen ab. Sie sind zunächst berührt von der humanen Dimension der Ehe, sie lassen sich von der christlichen Sicht der Ehe im Lebensraum der Kirche überzeugen und finden von daher den Weg zur Feier der sakramentalen Ehe. Wie die geschichtliche Entwicklung der kirchlichen Lehre Zeit beansprucht hat, so muss die kirchliche Pastoral auch den Menschen heute auf ihrem Weg hin zur sakramentalen Ehe Zeit der Reifung gewähren und nicht nach dem Prinzip „Alles oder Nichts“ handeln. Hier ist der Gedanke eines „Prozesses von Stufe zu Stufe“ (FC 9) auf die Gegenwart hin weiter zu entfalten, den Johannes Paul II. bereits in Familiaris consortio grundgelegt hat: „Das pastorale Bemühen der Kirche beschränkt sich nicht nur auf die christlichen Familien in der Nähe, sondern kümmert sich, indem es den eigenen Horizont nach dem Maßstab des Herzens Jesu ausweitet, noch intensiver um alle Familien in ihrer Gesamtheit und vor allem um jene, die sich in einer schwierigen oder irregulären Lage befinden.“ (FC 65) Die Kirche steht dabei unausweichlich in dem Spannungsfeld zwischen einer notwendigen Klarheit der Lehre von Ehe und Familie einerseits und der konkreten pastoralen Aufgabe andererseits, auch diejenigen Menschen zu begleiten und zu überzeugen, die in ihrer Lebensführung nur teilweise mit den Grundsätzen der Kirche übereinstimmen. Mit ihnen gilt es Schritte auf dem Weg zur Fülle eines Lebens in Ehe und Familie zu gehen, wie es das Evangelium von der Familie verheißt.

Notwendig ist dabei eine personal ausgerichtete Seelsorge, die die Normativität der Lehre und die Personalität des Menschen in gleicher Weise einbezieht, seine Gewissensfähigkeit im Blick behält und seine Verantwortung stärkt. „Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird. Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist.“ (GS 16)

Wir bitten für die Endfassung des Textes noch zwei Aspekte zu bedenken:

Es sollte jeder Eindruck vermieden werden, dass die Heilige Schrift nur als Zitationsquelle für dogmatische, juristische oder ethische Überzeugungen gebraucht wird. Das Gesetz des Neuen Bundes ist das Werk des Heiligen Geistes im Herzen der Gläubigen (vgl. Katechismus der katholischen Kirche Nr. 1965-1966). Das geschriebene Wort ist zu integrieren in das lebendige Wort, das im Heiligen Geist in den Herzen der Menschen wohnt. Das gibt der Heiligen Schrift eine weite geistliche Kraft.

Schließlich haben wir uns schwergetan mit dem Begriff Naturehe. In der Geschichte der Menschheit ist die natürliche Ehe immer auch kulturell geprägt. Der Begriff Naturehe kann unterstellen, dass es eine natürliche Lebensform des Menschen gäbe ohne kulturelle Prägung. Wir schlagen deshalb vor zu formulieren: „Die in der Schöpfung begründete Ehe“.

 

 

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