Rom - Freitag, 26. August 2016, 8:18 Uhr.
Ein Nuntius erzählte einmal, dass er – er war erst vor wenigen Tagen in seiner neuen Mission angekommen – bemerkte, dass jeden Abend das Untergeschoss des Hauses hell erleuchtet, die elektrische Lampe vor dem Bild der Madonna aber gelöscht war. Als er die Schwestern, die sich um den Haushalt kümmerten, danach fragte, sagten sie ihm: "Exzellenz, uns ist gesagt worden, jeden Abend das Licht vor der Statue der Jungfrau zu löschen. Das haben wir gemacht. Von den anderen Lampen war nie die Rede." – Ist das "blinder Dienst" nach Vorschrift oder gar Desinteresse an der anvertrauten Aufgabe? Ist es Faulheit, Dummheit, oberflächliche Gleichgültigkeit? Oder ist es vielleicht Demut und Gehorsam, unhinterfragte Pflichterfüllung und Bescheidenheit? Sancta simplicitas – heilige, staunenswerte Einfalt – oder Mangel an Engagement? Es steht uns kein Urteil zu. Manchen Vorgesetzten sind sogar solche "braven" und auf Zuruf dienstbereiten Seelen viel lieber als initiativfreudige Mitarbeiter, so dass wir nicht wissen können, ob die frommen Schwestern nicht gerade zu einem solchen "blinden Gehorsam" erzogen worden sind.
Der heilige Franz von Sales wurde einmal gefragt, was die drei wichtigsten Tugenden im christlichen Leben seien, und er antwortete ohne zu zögern: erstens Demut, zweitens Demut, drittens Demut. Ohne Zweifel hat er Recht, würde man auch nur immer verstehen, was denn Demut wirklich bedeutet. Wie oft meinen nicht wenige Christen, dass Demut heiße, sich stets als schwach und sündhaft zu empfinden, und auch immer wieder zu sagen, dass man voller Fehler sei. Manchmal kann es dann unter frommen Katholiken zu einem wahren Wettkampf kommen, um sich gegenseitig zu unterbieten: "Ach ja, Du kannst wenigstens singen. Ich treffe keinen Ton." – "Das mag schon sein, aber mit meinem Herz bin ich gar nicht recht dabei." – "Das glaub ich nicht. Ich dagegen denke immer schlecht über die anderen in den Kirchenbänken vor mir" … Das klingt übertrieben – ist es auch! – aber wir alle kennen die Dynamik einer falschen Demut, die in Wahrheit versteckter Stolz ist.
Nur die "Braven" kommen in den Himmel?
Im Gleichnis von den Talenten, die der Herr in ungleicher, und mancher denkt vielleicht "in ungerechter", Weise verteilt, kommt dies ein wenig zum Ausdruck. Der Knecht, der sein Talent vergräbt, verschleudert es nicht, wie vom "verlorenen Sohn" behauptet wird, sondern bewahrt es treu auf. Er tut nichts Böses – aber er schafft mit dem ihm anvertrauten Gut auch nichts Gutes. Gott hat jedem von uns eine Vielzahl von Talenten und Begabungen gegeben. Manche leben auch in äußerem Wohlstand oder haben beste Beziehungen, um im Leben voran zu kommen. Manche können singen, andere zeichnen; manche sind Organisationstalente, andere Mathematikgenies. Demut heißt nicht "brav" zu sein und die eigenen Gaben und Begabungen zu verleugnen. Die Heiligen waren nicht einfach "brav" im Sinne von "nett" und "unproblematisch", sondern leidenschaftliche Störenfriede, denen man immer wieder Stolz und Rechthaberei vorgeworfen hat. Demut ist Wahrheit: Wer singen kann, soll singen! Wer reden kann, soll reden! Ja, manchmal soll er sich sogar vordrängeln, wenn er es nur zur Ehre Gottes tut. Die Talente müssen vermehrt werden, bevor der Herr zurückkommt. Ganz konkret: Gott wird uns einmal fragen, warum er uns das Talent eines Musikers gegeben hat, und wir kein Instrument gelernt haben. Wir werden uns rechtfertigen müssen, warum er uns äußeren Wohlstand geschenkt hat, und wir nicht einmal die Zinsen unseres Reichtums zum Aufbau seines Reiches verwendet haben. Wir werden ihm Antwort geben müssen, ob wir ein bequemes und gemütliches, braves und spießbürgerliches Leben geführt haben – nicht schlechter als so viele andere – oder ob wir alles eingesetzt haben für sein Reich.
Demut ist die Medizin wider Angst und Entmutigung
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Im Gleichnis von den Talenten sehen wir, dass Gott mehr verlangt, als nur nichts Böses zu tun. Der König wirft dem faulen Knecht sogar vor, sein Talent nicht einmal zur Bank getragen zu haben, denn dort hätte es ja wenigstens Zinsen gebracht. Wie oft werden Faulheit, Ängstlichkeit und Traurigkeit unter dem Deckmantel der Demut getarnt. Diese Tugend in falscher Weise zu präsentieren, scheint eine Lieblingswaffe des Teufels zu sein. Es wird berichtet, dass dieser dem hl. Bernhard – ein glanzvoller Prediger, an dessen Lippen Scharen von Menschen hingen – eingeflüstert habe, er sei voller Stolz und Eitelkeit und nur deshalb besteige er die Kanzel. Bernhard hat die Versuchung erkannt und geantwortet: "Wegen Dir habe ich nicht angefangen, wegen Dir höre ich nicht auf."
"Die Welt ist klein, und wir sind groß"
Demut ist Wahrheit, nicht Kleinmacherei und schon gar nicht Angst. Ein aktueller Musikhit sagt: "Die Welt ist klein, und wir sind groß!" – Das kann man sehr christlich verstehen: "Wir sind Kinder Gottes, denen diese schöne Welt zu klein, zu eng ist." Größenwahn? Nein, Wahrheit, Demut, Wissen um die eigene Berufung. Wären doch viel mehr Christen wirklich demütig und würden es wagen, ihre Talente einzusetzen, auch wenn es mal schiefgeht. Wer nie singt, trifft freilich keinen falschen Ton, aber niemals wird sein Lied erklingen. Wer für Gottes Reich arbeitet, macht Fehler, findet sich in Sackgassen wieder, muss umkehren und von vorne anfangen – aber er wuchert wie ein guter Geschäftsmann und gewinnt am Ende. Manchmal hat man in der Kirche den Eindruck, es wären fast alle nur ängstlich darum bemüht, ja keine Kritik zu ernten, geschweige denn, etwas zu riskieren. "Wenn der Bischof nicht sagt, dass ich das Licht ausknipsen soll, werde ich mich hüten, es auszumachen!" So unbekannt erscheint uns dieser Gedanke gar nicht, wendet man ihn auf manche Situationen in unseren Pfarreien und Gemeinschaften an. – Demut heißt "Mut zum Dienen", Mut zum Risiko und Mut zum Einsatz – nicht passives Abwarten. So viele vergrabene Talente. Der "verlorene Sohn", der mit leeren Händen umkehrt, findet einen barmherzigen Vater. Der "demütige" Diener, der in Wahrheit faul und ängstlich war, muss sich dem harten Gericht seines Herrn stellen. Der eine weint und bereut; der andere erklärt, warum es gar nicht so dumm war, sein Talent zu vergraben, das heißt kein Aufsehen zu erregen und Kritik zu provozieren. Der eine darf zum Fest – der andere … ein erschreckendes Gleichnis, wenn wir es ernst nehmen!
Mut zum Dienen ist von uns allen gefordert. Ja, es braucht Mut, mit den Gaben Gottes zu wuchern. Wenn wir ausgelacht und kritisiert werden, dann korrigieren wir uns gegebenenfalls und machen weiter. Wir haben wegen Gott begonnen – wegen ihm dürfen wir nicht müde werden und unsere Talente vergraben. Im Fronleichnamshymnus heißt es: Quantum potes, tantum aude. – Was Du kannst, das wage! Das ist der Wahlspruch eines christlichen, wirklich demütigen Lebens.