Vatikanstadt - Mittwoch, 29. Juni 2022, 12:26 Uhr.
Papst Franziskus hat am Mittwoch ein Schreiben zur Liturgie veröffentlicht – knapp ein Jahr, nachdem er das Motuproprio Traditiones custodes erlassen hatte, das die Feier der überlieferten lateinischen Messe einschränkt.
In dem 15-seitigen apostolischen Schreiben, Desiderio desideravi, sagte der Papst, er wolle "die ganze Kirche einladen, die Wahrheit und die Kraft der christlichen Feier wiederzuentdecken, zu bewahren und zu leben".
"Ich wünsche, dass die Schönheit des christlichen Feierns und ihre notwendigen Konsequenzen für das Leben der Kirche nicht durch ein oberflächliches und verkürztes Verständnis ihres Wertes oder, was noch schlimmer ist, durch ihre Instrumentalisierung im Dienste einer ideologischen Vision, wie immer sie aussieht, entstellt wird", sagte er in dem Dokument, das am 29. Juni, dem Hochfest der Heiligen Petrus und Paulus, veröffentlicht wurde.
Der Titel des Briefes ist dem lateinischen Text von Lukas 22,15 entnommen: "Desiderio desideravi hoc Pascha manducare vobiscum, antequam patiar" - Auf Deutsch: "Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen."
Papst Franziskus sagte, nachdem er einen Brief an die Bischöfe zur Begleitung von Traditionis custodes geschrieben hatte, wolle er sich mit einigen Überlegungen zur liturgischen Bildung, zur theologischen Bedeutung der Messe und zur Akzeptanz der liturgischen Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils an alle Katholiken wenden.
"Dem Konzil – und der ihm vorangegangenen liturgischen Bewegung – verdanken wir die Wiederentdeckung des theologischen Verständnisses der Liturgie und ihrer Bedeutung für das Leben der Kirche", sagte Franziskus.
"Lassen wir die Streitereien hinter uns, um gemeinsam auf das zu hören, was der Geist der Kirche sagt, pflegen wir die Gemeinschaft, staunen wir weiterhin über die Schönheit der Liturgie", forderte der Pontifex.
Die Prinzipien, die in Sacrosanctum Concilium, der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die heilige Liturgie, festgelegt wurden, seien grundlegend für die Reform der Liturgie gewesen und weiterhin grundlegend für die Förderung ihrer "vollen, bewussten, tätigen und fruchtbaren" Feier.
"Die Nichtannahme der Reform und das oberflächliche Verständnis der Reform lenken uns von der Aufgabe ab, Antworten auf die Frage zu finden, die ich immer wieder stelle: Wie können wir in der Fähigkeit wachsen, die liturgische Handlung voll zu leben? Wie können wir weiterhin darüber staunen, was bei der Feier vor unseren Augen geschieht?", erklärte der Papst.
"Wir brauchen eine ernsthafte und belebende liturgische Bildung", betonte er und merkte an, es wäre "banal, die Spannungen, die es leider rund um die Feier gibt, als einfache Unterschiede zwischen verschiedenen Empfindungen gegenüber einer rituellen Form zu deuten".
Das Problem, so der Papst, sei in erster Linie ekklesiologischer Natur: "Ich verstehe nicht, wie man sagen kann, dass man die Gültigkeit des Konzils anerkennt – obwohl ich mich ein wenig wundere, dass ein Katholik sich anmaßen kann, dies nicht zu tun – und nicht die Liturgiereform akzeptieren kann, die aus Sacrosanctum Concilium hervorgegangen ist [...]."
Deshalb habe er die Notwendigkeit gesehen, Traditionis custodes zu veröffentlichen, um die liturgischen Bücher, die von den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil promulgiert wurden, als "die einzige Ausdrucksform der Lex orandi des Römischen Ritus" zu bestätigen, argumentierte der Papst.
In dem Schreiben rief Papst Franziskus dazu auf, die liturgische Bildung über das akademische Umfeld hinaus allen Katholiken zugänglich zu machen, um ein Gefühl des Staunens über das Geheimnis des Messopfers zu erwecken.
"Die Fülle unserer Bildung ist die Angleichung an Christus", erklärte er. "Ich wiederhole: Es geht nicht um einen geistigen, abstrakten Prozess, sondern darum, Er zu werden. Das ist der Zweck, zu dem der Geist gegeben wurde, dessen Wirken immer und ausschließlich darin besteht, den Leib Christi zu bilden."
Der Papst sprach auch über die Bedeutung einer ars celebrandi, der "Kunst des Feierns" einer Messe.
"Um es deutlich zu sagen: Jeder Aspekt des Feierns muss gepflegt werden (Raum, Zeit, Gesten, Worte, Gegenstände, Kleidung, Gesang, Musik, ...) und jede Rubrik muss beachtet werden", so der Heilige Vater. "Diese Aufmerksamkeit würde ausreichen, um zu vermeiden, dass die Gemeinde dessen beraubt wird, was ihr zusteht, nämlich das Pascha-Mysterium, das in der von der Kirche festgelegten rituellen Form gefeiert wird."
"Aber selbst wenn die Qualität und die Norm der feiernden Handlung garantiert wären, würde dies nicht ausreichen, um unsere Teilnahme vollständig zu gewährleisten", erklärte der Papst weiter.
Die liturgische Bildung müsse die Menschen lehren, Symbole zu lesen und zu verstehen, sagte Franziskus. Dabei bezog er sich auf die Schriften von Romano Guardini, dem Priester und Vordenker der liturgischen Bewegung im 20. Jahrhundert.
"Die Aufgabe ist nicht leicht, denn der moderne Mensch ist ein Analphabet geworden, er kann Symbole nicht mehr lesen, er ahnt nicht einmal ihre Existenz", so der Pontifex.
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Franziskus sagte, er habe festgestellt, dass die Art und Weise, wie eine katholische Gemeinde die Messfeier lebt, von der Art und Weise abhängt, wie der Pfarrer die Messe zelebriert, und wenn die Art und Weise der Feier unangemessen ist, sei die "gemeinsame Wurzel" ein "übertriebener Personalismus des Feierstils, der zuweilen eine schlecht verdeckte Manie des Protagonismus zum Ausdruck bringt".
"Dies wird oft noch deutlicher, wenn unsere Feiern im Internet übertragen werden, was nicht immer angemessen ist und worüber wir nachdenken sollten", stellte er fest. "Wohlgemerkt, das sind nicht die am weitesten verbreiteten Haltungen, aber Versammlungen sind nicht selten solchen 'Misshandlungen' ausgesetzt."
"Der Augenblick der feiernden Handlung ist der Ort, an dem das Pascha-Mysterium durch das Gedächtnis vergegenwärtigt wird, damit die Getauften es durch ihre Teilnahme in ihrem Leben erfahren können", erklärte Franziskus. "Ohne dieses Verständnis verfällt man leicht in (mehr oder weniger verfeinerte) Äußerlichkeiten und in einen (mehr oder weniger starren) Rubrizismus."
"Der christliche Glaube ist entweder eine Begegnung mit Ihm, dem Lebendigen, oder er ist nicht", sagte er. "Die Liturgie gewährleistet uns die Möglichkeit einer solchen Begegnung. Wir brauchen keine vage Erinnerung an das letzte Abendmahl: Wir müssen bei diesem Abendmahl anwesend sein, seine Stimme hören, seinen Leib essen und sein Blut trinken können: Wir brauchen Ihn."
Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency, der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.
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