Der Papst und der Rabbiner: Der "Jahrtausendgelehrte" bei Franziskus

Papst Franziskus mit dem Rabbiner Adin Even-Israel Steinsaltz am 5. Dezember 2016
Papst Franziskus mit dem Rabbiner Adin Even-Israel Steinsaltz am 5. Dezember 2016
L'Osservatore Romano
Empfang beim Papst: Rabbiner Adin Even-Israel Steinsaltz und Begleitung im Vatikan am 5. Dezember 2016.
Empfang beim Papst: Rabbiner Adin Even-Israel Steinsaltz und Begleitung im Vatikan am 5. Dezember 2016.
L'Osservatore Romano

"Das Studium des Talmud ist wie eine Psychoanalyse". Das sind Worte des Rabbiners Adin Even-Israel Steinsaltz, den das "Time Magazine" einst zum "Jahrtausendgelehrten" erklärt hatte. Gestern war er bei Papst Franziskus zu einem persönlichen Besuch. Ein Besuch, der ins offizielle Bulletin des Heiligen Stuhles eingefügt wurde und privat im Apostolischen Palast stattgefunden hat.

Quellen aus der hebräischen Welt berichten, dass es Rabbi Steinsaltz war, der um das Treffen mit Papst Franziskus gebeten hatte. Und Papst Franziskus hat gerne zugestimmt. Die Begegnung fand wahrscheinlich mit Hilfe eines Dolmetschers statt: Rabbi Steinsaltz spricht kein Italienisch und Papst Franziskus kein Englisch.

Aber wer ist Adin Steinsaltz? Er wurde 1936 in Jerusalem in einer stark säkularisierten Familie geboren. Er genoss eine rein wissenschaftliche universitäre Bildung (Mathematik, Physik und Chemie), begleitet von rabbinischen Studien. Mit 23 Jahren wird er der jüngste israelische Schulleiter, nachdem er eine neu-chassidische Gemeinschaft in der Wüste Negev gegründet hat.

Er beginnt sein monumentales Werk zum Talmud im Jahr 1965, mit der Gründung des Israel Institute for Talmudic Publications. Er fängt die Übersetzung des Talmud aus dem aramäischen an, die er in der hebräischen Edition des Talmud 2010 vollendet. Seine Ausgabe des Talmud ist eine der meist benutzten, obwohl sie auch kritisiert wurde – beispielsweise von Rabbi Jacob Neusner.

Die Edition hat jedoch den Vorteil, das Talmudstudium auch außerhalb der Jeschiwa- Tradition zu erlauben. Der letzte Schritt dieser großen Übersetzungsarbeit ist die Edition des babylonischen Talmud in Italienisch, die sich vornimmt, eine Methode der Diskussion gegen die Fundamentalismen zu sein.

Die Begegnung mit Papst Franziskus fügt sich in den Rahmen der hebräisch-christlichen Beziehungen, die sich seit den Zeiten von Nostra Aetate immer weiter entwickelt haben. Wenn Johannes Paul II. seiner Freundschaft mit Jerzy Kugler das Interesse für die "älteren Brüder" verdankt (ein Konzept, das die gemeinsamen Wurzeln des Judentums und des Christentums ausdrückt), wenn Benedikt XVI. schon immer auf die Wurzeln des Christentums durch das Judentum geblickt hat und es liebte, auch vom theologischen Gesichtspunkt aus mit der hebräischen Welt zu diskutieren (was die Beziehung mit dem kürzlich verstorbenen Rabbi Jacob Neusner bezeugt), so gründet Papst Franziskus seine Beziehung mit der hebräischen Welt auf jene "Kultur der Begegnung", die ein bisschen das Zeichen ist, unter dem sein Pontifikates steht.

Aus einem Treffen ist seine Verbindung mit Rabbi Abraham Skorka in Argentinien entstanden, mit dem er den Traum verwirklicht hat, sich vor der Klagemauer in Jerusalem zu umarmen. Kürzlich (am vergangenen 26, September) hat Papst Franziskus auch die Mitglieder des Jewish Congress getroffen und sein Vortrag konzentrierte sich auf Migrationen und Mittlerer Osten.

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Es ist logisch, anzunehmen, dass der Dialog mit Rabbi Steinsaltz über etwas weiter aufgestellte Fragen stattgefunden hat, zum Beispiel über die Art und Weise, in der die beiden Geschwister-Religionen zusammen, im Dialog, zum Gemeinwohl beitragen können. Vielleicht auch über die Möglichkeit einer theologischen Diskussion - auch weil Papst Franziskus selbst (in seiner Ansprache in der Synagoge von Rom am 17. Januar 2016) die Notwendigkeit erwähnt hatte, die "theologische Diskussion des hebräisch-katholischen Dialogs" zu vertiefen.

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Wie diese theologische Reflexion geschehen kann, hatte auch der Oberrabiner der jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo di Segni, gesagt: "Ich habe stets die Notwendigkeit einer hebräischen Reflexion über unsere Beziehung zum Christentum unterstützt, auch vom theologischen Standpunkt aus. Aber die Art und Weise wie sich diese Reflexionen im Judentum entwickeln sind verschieden von denen, die sich in einem Organismus wie der Kirche entwickeln, die einen großen doktrinellen Apparat hat, eine Hierarchie und ein Oberhaupt, das diese Dinge organisieren kann.

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