CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden Zweiten Advent.

Was ist die Hoffnung? Ich würde sagen, dass es die Fähigkeit ist, Geschichte und Prophetie zusammenzuhalten.

Das Evangelium, das uns am zweiten Adventssonntag präsentiert wird, ist genau das: ein historischer Bericht und ein prophetischer Text gleichzeitig. Es verfügt über die chronologische und geografische Präzision der Geschichte; es hat die Energie und den Elan der Prophetie. Es fügt Gottes Heil in den historischen Rahmen der Zeit ein, und deshalb erleuchtet es die dunklen Seiten unseres Lebens in der Zeit, ermuntert uns in unserer Traurigkeit, indem es uns ein Ziel der Freude anzeigt.

Geschichte

Nur wenige Male in der gesamten Heiligen Schrift stoßen wir auf Passagen wie diese, die so sehr auf historische Präzision bedacht sind: Im wievielten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius war es, und wer war Statthalter von Judäa, wer war Tetrarch von Galiläa und wer von Abilene, und wer waren die Hohenpriester?

Warum so viel pingelige Genauigkeit? Weil das Heil Gottes in Raum und Zeit gekommen ist. Es ist Teil der Geschichte und man kann seine Daten und geografischen Koordinaten genau zuordnen.

Dass die Historizität des Evangeliums so wichtig ist, ließe sich allein daraus ableiten, dass die Feinde des Evangeliums vor allem und zuerst versuchen, seine Geschichtlichkeit zu untergraben. Sie sind bereit, dessen Schönheit und Richtigkeit anzuerkennen, solange man sagt, dass es sich nicht um eine historische Erzählung handelt. Wenn man ihnen erlaubt, es als einen „Mythos“ zu betrachten, der von der frühen Kirche erfunden wurde, werden sie ihm all die Größe gewähren, die ihr wollt.

Warum so viel Eifer, so viel Hartnäckigkeit, das Evangelium auf „Ideen“ reduzieren zu wollen und die Fakten hingegen zu leugnen? Und warum macht sich der heilige Lukas stattdessen so viele Gedanken darüber, uns die historischen und überprüfbaren Koordinaten der Fakten zu liefern? Weil die Erlösung Gottes entweder in die Geschichte eingeht – oder überhaupt nichts erlöst. Das Heil Gottes ist wahr, weil es ein Fakt ist. Wenn es kein Fakt wäre, würde es zu nichts nützen.

Das Geheimnis von Weihnachten, zu dem uns der Advent hinführt, ist die Feier dieses Heils in der Geschichte, in der Welt: ein Heil, das ein Ereignis, eine Tatsache ist, und keine Idee.

Gott wurde Mensch, er nahm einen Leib aus Fleisch an und eine Seele wie die unsere, er ist wie einer von uns in die Welt und die Zeit eingetreten, nicht mehr und nicht weniger. Natürlich ist dies ein Geheimnis, das die Ebene der Natur übersteigt, und doch wurde Jesus von einer Frau geboren, er weinte wie jedes Neugeborene, er hat gefroren wie wir, wie wir „wurde er mit etwas Milch genährt“ (parvoque lacte pastus est), wie es in einem Weihnachtshymnus heißt. Und so sein ganzes menschliches Leben lang. Das ist eine Tatsache, bei deren Betrachtung man nie zu einem Ende kommen wird.

Das Heil Gottes ist nicht nur eine Idee, ein Konzept, ein Wunsch: Jesus, der Erlöser, ging auf unseren Straßen, er sah die Sonne auf unserem Himmel auf- und untergehen, er sagte und hörte Worte wie unsere, er hatte Hunger und Durst, er wurde müde und er starb. Augen wie unsere haben ihn gesehen. Ohren wie unsere haben ihn sprechen gehört.

Johannes, der Vorläufer, hat unter uns gelebt, wie ein Mensch unter Menschen lebt. Die Koordinaten, die uns der Evangelist Lukas liefert, scheinen uns gleichsam zu sagen: Seid vorsichtig, das sind keine Ideen oder Mythen! Es war an diesem Tag, in diesem Jahr, an diesem Ort, und wenn ihr es nicht glaubt, dann schaut in den Dokumenten nach. Ich gebe euch die genauen Daten.

Prophetie

Genau hierin liegt die Prophetie! Die Ereignisse der Welt – von den Taten des römischen Kaisers bis hin zu den Ereignissen am entlegensten Ort in der Wüste rund um den Jordan – werden aus dem Dunkel herausgerissen.

„Das Wort Gottes erging an Johannes.“ So dringt Gottes Handeln in den Fluss der Zeit ein. Gottes Handeln geht über sein Wort, und sein Wort ist in der Geschichte wirksam, es löst eine Heilsgeschichte aus, wenn einige Menschen – wie Johannes – sich davon mitreißen lassen, zuhören, lieben, gehorchen.

Die Sendung des Johannes war, die Nähe, die Unmittelbarkeit der Erlösung anzukündigen. Er musste mit dem Finger auf den Erlöser zeigen, sagen können: Hier ist er, jener dort ist es! Und er musste die Menschen darauf vorbereiten, ihn aufzunehmen. Die von Johannes gepredigte Taufe mit Wasser „bestätigt die persönliche Entscheidung, das gesamte vergangene Leben dem Urteil Gottes zu unterwerfen und nur auf seine Vergebung zu hoffen“ (François Bovon). Das Heil tritt in die Geschichte ein, aber nicht automatisch. Es löst persönliche Verantwortung aus, es fordert eine Entscheidung, die zu einer neuen Weise zu leben, zu denken, zu glauben führt: Es verlangt Bekehrung.

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.

Mit anderen Worten: Wir müssen „dem Herrn den Weg bereiten, seine Straßen gerade machen“, die Hügel abtragen, die Schluchten füllen.

Wie für den Bau einer bequemen Straße viele Mühen nötig sind, so auch dabei, es anzunehmen, dass das Heil Gottes in unserem Leben zu Geschichte wird: Es ist nicht leicht, dem Herrn im eigenen Herzen den Weg zu bereiten. Trotzdem ist es nicht weniger notwendig. Und wenn wir ihm unsere Bereitschaft schenken, dann wird er selbst, wie es der Prophet Baruch (5,1–9) sagt, ihn mit uns bereiten. Das ist unsere Hoffnung.

Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.