"Vatileaks 2.0": Kritik am Verfahren zurückgewiesen

Vatileaks-Autor bezeichnet Prozess als "kafkaesk" – Vatikan lässt Anwälte der Angeklagten weiterhin nicht zu

Die Öffentlichkeit verfolgt den Prozess genau: Fernsehkameras im Saal des Presse-Amtes des Heiligen Stuhls
Die Öffentlichkeit verfolgt den Prozess genau: Fernsehkameras im Saal des Presse-Amtes des Heiligen Stuhls
CNA/Daniel Ibanez
Die Kuppel des Petersdoms über dem Vatikan
Die Kuppel des Petersdoms über dem Vatikan
CNA/Petrik Bohumil

Kritik am Vatileaks-Verfahren zurückgewiesen: Während das vatikanische Gerichtsverfahren über die Bekanntmachung von privaten Dokumenten andauert, hat der Leiter des Presseamts ​​des Heiligen Stuhls das Verfahren und das Justizsystem des Vatikanstaats verteidigt, nachdem Kritiker den Prozess beanstandet hatten.

Pater Federico Lombardis Statement folgte auf eine Anhörung im Gerichtsverfahren. Das Tribunal hatte Anträge der Rechtsanwälte gehört und über die Zulassung von Zeugen der Verteidigung diskutiert.

Alle Zeugen wurden angenommen. Unter ihnen ist zunächst der Kardinalsstaatssekretär Pietro Parolin. Ein weiterer Zeuge ist Kardinal Santos Avril y Castello, Erzpriester der Päpstlichen Basilika Santa Maria Maggiore und Präsident der Kardinalskommission "Istituto per le Opere di Religione" (IOR), die informell als Kardinalskommission für die Überwachung der Vatikanbank bekannt ist.

Pater Lombardis Mitteilung richtete sich gegen einige Kritikpunkte am vatikanischen Gerichtsverfahren und am Vatikantribunal. Er betonte, dass das vatikanische Justizsystem ausgestattet sei mit "allen Verfahrensgarantien der fortschrittlichsten modernen Rechtssysteme."

Wie Pater Lombardi sagte, verfüge der Staat Vatikanstadt über "seine eigene Rechtsordnung, völlig autonom und unabhängig vom italienischen Rechtssystem, seine eigenen Justizorgane für die verschiedenen Ebenen richterlicher Entscheidungen und die erforderlichen Rechtsvorschriften in Bezug auf Strafsachen und Verfahren."

Fünf Personen sind angeklagt wegen der angeblichen Verbreitung von vertraulichen Finanzunterlagen, die grundlegende Interessen des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaats betreffen. Unter den Angeklagten sind zwei ehemalige Mitglieder einer Kommission des Heiligen Stuhls sowie zwei Journalisten.

Vatileaks-Autor bezeichnet Prozess als "kafkaesk"

Gianluigi Nuzzi, einer der Journalisten vor Gericht, gab viele Interviews, in denen er den Prozess als "kafkaesk" beschrieb. Er beanstandete, dass er seinen Anwalt für die Verteidigung vor Gericht nicht mandatieren dürfe. Zudem kritisierte er, dass der Staat Vatikanstadt "einem alten Gesetz, aus Zeiten, als Italien noch ein Königreich war" folge.

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Auch Francesca Chaouqui, eine PR-Expertin, muss sich der Anklage stellen, ebenso wie der spanische Monsignore Lucio Engel Vallejo, ehemaliger Sekretär der Wirtschaftspräfektur des Heiligen Stuhls. Beide, Chaouqui und Vallejo, sind ehemalige Mitglieder der mittlerweile aufgelösten Kommission für Reformen der Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten des Heiligen Stuhls, die Teil der Reform der Vatikanischen Finanzstrukturen war.

Chaouqui wurde bald nach ihrer Festnahme aufgrund von Kooperation mit den Behörden entlassen. Auch sie hatte sich darüber beschwert, dass man ihr nicht die Möglichkeit gegeben habe, Beistand ihres persönlichen Anwalts zu suchen.    

Emiliano Fittipaldi, der andere Journalist vor Gericht, machte am 25. November gegen Ende der ersten Verhandlung spontane Aussagen. Er sprach von seinem "Unglauben, von Richtern, die nicht Richter meines Landes sind, geladen zu sein." Er sagte, dass die Ladungen in Italien "keine strafrechtliche Relevanz haben."

Der Staat Vatikanstadt wurde 1929 als Folge der Lateranverträge gegründet. Nach seiner Gründung brauchte der Staat eine juristische Ordnung und übernahm unter anderem das italienische Strafgesetzbuch und die italienische Strafprozessordnung.

Im Jahr 1933 erließ Italien ein neues Strafgesetzbuch, den "Rocco Code" nach dem Namen des Justizministers, der das Gesetz unterzeichnet hatte. Der Heilige Stuhl behielt jedoch das vorherige Gesetz als grundlegende Strafrechtsquelle. 

Das vatikanische Strafgesetzbuch wurde unter anderem von Papst Franziskus im Rahmen einer Reform am 13. Juli 2013 aktualisiert, durch die nun auch die unbefugte Weitergabe von Informationen und von vertraulichen Dokumenten unter Strafe gestellt wurde.

Pater Lombardi listete die verschiedenen Rechtsgarantien des Verfahrens im Vatikanstaat auf und unterstrich, dass "sich alle Grundprinzipien bewährt haben und vollständig umgesetzt sind."

Diese Grundsätze umschlössen: "ein unabhängiges und unparteiisches, gesetzlich konstituiertes Gericht; die Unschuldsvermutung; das Recht auf technische Verteidigung und die Freiheit der Richter, Gutachten auf Grundlage von Beweismitteln aus öffentlichen Anhörungen und der Diskussion zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu machen".

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Es sei Aufgabe dieses Tribunals, "ein begründetes Urteil auszusprechen, gegen das Rechtsbehelfe eingelegt werden können und das schließlich aufgehoben werden kann", erklärte der Leiter des Presseamts ​​des Heiligen Stuhls.

Jesuitenpater Lombardi gab zu, dass alle, die in gerichtlichen Positionen engagiert seien, nicht "im Wege eines öffentlichen Auswahlverfahrens, das offen für die Bürger des Staates ist, rekrutiert werden, wie das in anderen Staaten üblich ist." Allerdings betonte er, dass sie "von Experten auf höchstem Niveau ausgewählt wurden, mit fundierter Erfahrung und anerkanntem Ruf."

Der Leiter des Presseamts ​​des Heiligen Stuhls sprach ebenfalls die Beschwerden an, dass die Angeklagten nicht durch ihre persönlichen Anwälte vertreten werden dürften.

"Die geltenden vatikanischen Rechtsvorschriften stehen ganz im Einklang mit dem Verfahrensgesetzen der meisten Länder der Welt, in denen eine bestimmte Qualifikation erforderlich ist, um vor die Gerichte zugelassen zu werden," betonte Pater Lombardi.

Er sagte dann, dass "es daher nicht verwunderlich ist, dass ein Anwalt, der in Italien praktizieren darf, dieses möglicherweise im Staat Vatikanstadt nicht darf, so wie er oder sie wohl auch keine Zulassung hat, um in Deutschland oder Frankreich vor Gericht aufzutreten."

Diese Umstände seien keine Grenzen der Rechtsordnung des Vatikans. Vielmehr seien sie "eine weitere Bestätigung für seine Autonomie und Vollständigkeit."

Pater Lombardi erklärte, dass alle Anwälte eingeschrieben seien "in ein leicht einsehbares Berufsregister von Rechtsanwälten mit der Zulassung, vor dem Staat Vatikanstadt als Anwalt aufzutreten." Er sagte, dass Anwälte privat oder von Amts wegen aus diesem Register ausgewählt werden dürften.

Darum dürfe der Vatikan die Anwälte von Gianluigi Nuzzi, Emiliano Fittipaldi und Francesca Chaouqui nicht zulassen.