Warum Papst Franziskus recht hatte, als er über Kondome und HIV sprach

"Je größer die Anzahl der Katholiken in einem Land ist, umso geringer ist die Zahl der HIV-Infizierten" - British Medical Journal

Tausenden begeisterter Katholiken begegnete Franziskus im Rahmen seiner Reise nach Kenia, Uganda und in die Zentralafrikanische Republik.
CNA/Martha Calderon

Es ist nicht nur so, dass sich katholische Einrichtungen mehr als alle anderen um Menschen mit HIV/Aids in Afrika kümmern. Renommierte Wissenschaftler geben auch ihrer Botschaft von Enthaltsamkeit und Treue recht. 

Kondome seien "ein wichtiger Teil der Antwort" auf die Aids-Epidemie in Afrika: So hat ein deutscher Journalist gegen über Papst Franziskus das landläufige Vorurteil zum Thema zusammengefasst, bevor er ihn auf dem Rückflug aus Afrika fragte, ob es "nicht an der Zeit" sei, "dass die Kirche ihre Haltung zu diesem Thema ändert und Kondome erlaubt, um weitere Ansteckungen zu verhindern?"
Mit seiner Antwort forderte der Papst nicht nur den Journalisten heraus: Die Frage, sagte Papst Franziskus, sei zu eng gefasst. Der Gebrauch von Kondomen an sich könnten das HIV-Problem und andere Probleme, denen viele afrikanische Länder gegenüber stehen, nicht lösen.

“Das Problem ist komplexer”,  sagte der Papst.

“Diese Frage erinnert mich an eine, die einst Jesus gestellt wurde: 'Sag mir, Meister, ist es mit dem Gesetz vereinbar, am Sabbath zu heilen? Ist heilen Pflicht?' Diese Frage, 'Ist es mit dem Gesetz vereinbar, wenn ich das tue,'…aber Unterernährung, die Entwicklung des Menschen, Sklavenarbeit, der Mangel an Trinkwasser, dies sind Probleme.”

Die katholische Kirche hat immer die Auffassung vertreten, dass der Gebrauch von Verhütungsmitteln unmoralisch ist. In einem Buchinterview aus dem Jahr 2010, das hohe Wellen schlug, sagte Papst Benedikt  XVI., die Benutzung eines Kondoms könne einen Schritt in die richtige Richtung darstellen, wenn man sich um die andere Person sorge, aber dies bleibe eine unmoralische Lösung für die  HIV-Krise. Aber hatte Papst Franziskus Recht, als er die Annahme  des Journalisten – die in Europa eine landläufige Meinung über Kondome darstellt – in Frage stellte? Spielen Kondome nicht eine praktische und wichtige Rolle im Kampf gegen HIV? Eine wachsende Anzahl von Belegen sagt nein.

 

Enthaltsamkeit und Treue in Uganda

Während des Höhepunkts der AIDS-Krise in den 1980-er Jahren hatte das Land Uganda eine der höchsten Infektionsraten: Beinahe 25 Prozent der Bevölkerung waren bis 1991 HIV-positiv, so die Zeitung Washington Post HIV positiv.
Mit der Unterstützung von Vertretern verschiedener Religionen übernahm Ugandas Präsident Yoweri Museveni die einfachste und am wenigsten teure Maßnahme, die in diesem armen und von Krieg gebeutelten Land möglich war: Ein staatliches Erziehungsprogramm, welches sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe und Treue nach der Hochzeit betont – und der Benutzung von Kondomen eine weitaus geringere Bedeutung beimisst. Eine Ausnahme bilden nur Personen mit dem höchsten Infektions-Risiko. In nur acht Jahren erlebte das Land den bedeutendsten Rückgang an Neuansteckungen mit AIDS weltweit.

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Laut eines Artikels im “Journal of International Development” aus dem Jahr 2004 war es "das Fehlen der Werbung für Kondome während der 1980-er und der 1990-er Jahre, (das) zum relativen Erfolg der Strategien zur Verhaltensänderung in Uganda beitrug.”
Aber gerade als Uganda einen spürbaren Rückgang verzeichnete, intervenierten die Vereinigten Staaten. Sie forderten einen neuen Ansatz, plädierten für die Benutzung von Kondomen und setzten weitaus weniger auf Enthaltsamkeit und Treue.

In einem Leitartikel für die Washington Post schrieben der führende AIDS-Forscher der Harvard University, Dr. Edward Green und Wilfred Mlay, der damalige Vizepräsident des Hilfswerks World Vision Africa, dass während die Vereinigten Staaten so großzügig ihre Hilfe anbot, westliche Ideologien und Ansätze den Erfolg untergraben hätten, den Uganda vorher bei der Bekämpfung von AIDS vorzuweisen hatte.

"Die Wende in Uganda war ziemlich fortgeschritten, als ausländische AIDS-Experten in den frühen 1980-er Jahren begannen, ins Land zu kommen und westliche Vorgehensweisen im öffentlichen Gesundheitswesen mitbrachten – und Werte.

Sie begannen, Ugandas Bemühungen zur Vorbeugung von AIDS umzukrempeln: Weg von Enthaltsamkeit und Treue, denn dies, meinten die Experten aus dem Westen, sei unrealistisch. Die Konsequenz: Zwischen 1995 und 2000 sprang die Zahl der jungen Singles, die Sex hatten, von 27 auf 37 Prozent. Gesundheitsbeamte äußern die Befürchtung, dass die Ansteckungsraten ebenfalls steigen könnten”, so der Harvard-Wissenschaftler und der Vizepräsident von World Vision Africa.

Das Problem mit Kondomen

Unabhängig von religiösen Überzeugungen: Der Gebrauch von Kondomen zur Eindämmung von Ansteckungen mit HIV ist aus vielerlei Gründen problematisch.

  1. Eines der größten Problem ist, dass die Meisten Menschen Kondome weder konsequent noch korrekt benutzen, auch wenn sie vorher einen Kurs zur Sexualerziehung absolvierten, mit genauen Anleitungen zum richtigen Gebrauch der Verhütungsmittel.
    Eine im renommierten Wissenschafts-Journal “The Annals of Pharmacotherapy” veröffentlichte Studie fand heraus, dass von 500 Paaren, denen von ihren Ärzten wiederholt zum Gebrauch von Kondomen geraten wurde, nur acht Prozent dies konsequent taten, trotz des Wissens um eine Herpeserkrankung des Partners. Eine weitere Studie fand heraus, dass nur 50 Prozent der Paare, in denen einer der Partner an HIV litt, im Laufe der Zeit konsequent Kondome benutzten.
  2. Ein anderer Teil des Problems ist das Phänomen der Risikokompensation. In einem Interview mit dem britischen Fernsehsender BBC sagte Dr. Green, die Risikokompensation trete ein, wenn Menschen Risiken reduzierende Techniken in einem Maß anwenden, durch das sie vermuten, die Technik gleiche jedes Risiko aus.
    Als Beispiel verglich Dr. Green den Gebrauch von Kondomen mit Sonnenschutzmitteln: Der Schutz etwa durch Sonnencreme werde aufgehoben, wenn die Person, die das Schutzmittel anwendet, annehme, sie sei vollständig geschützt und verbringe deshalb sogar mehr Zeit in der Sonne.
    Ähnlich bei der Nutzung von Kondomen: Menschen neigen dazu, sich größerem Risiko auszusetzen in der falschen Annahme, dass sie vor jeder Gefahr der Infektion geschützt seien.
    Das Phänomen der Risikokompensation bedeutet auch, dass Menschen, die Kondome benutzen, wahrscheinlich eine größere Anzahl von Sexualpartnern haben, und so ihr Risiko für bestimmte sexuell übertragbare Krankheiten steigern – was im Gegenzug die Wahrscheinlichkeit der Übertragung von HIV erhöht.
  3. Ein dritter Grund für das Versagen von Kondomen allein beim Schutz der Menschen vor HIV ist wegen der Wahrscheinlichkeit der Übertragung von Krankheiten im Laufe der Zeit. Laut eines Artikels aus dem Jahr 2001 in der US-amerikanischen Zeitschrift The Lancet ist ist die Ausbreitung von HIV umso wahrscheinlicher, je häufiger man seine Sexualpartner wechselt.
    Der Grund dafür ist, dass HIV hochansteckend ist, wenn es zum ersten Mal übertragen wird, aber sie ist erst später nachweisbar. Deswegen könnten infizierte Personen denken, sie seien HIV-frei und weiterhin mehr Menschen anstecken bevor sie Merken, dass sie HIV haben. Die Studie fand heraus, dass die Rate der Ansteckungen mit HIV bedeutend zurückgehen würde, wenn zwischen den Sexualpartnern mindestens sechs Monate lägen.

Die Geschichte zweier Länder: Thailand und die Philippinen

Zwei sehr unterschiedliche Länder in Asien helfen, die Effizienz von Abstinenz- und Treueprogrammen gegenüber der Bewerbung von Kondomen zu verdeutlichen.
1984 verzeicheten diese beiden Länder ihren ersten HIV-Fall. Aber die beiden Regierungen reagierten auf ihn völlig unterschiedlich.
Thailands Antwort war die Förderung des Gebrauchs von Kondomen, während die überwiegend katholischen Philippinen ihre Antwort auf die Werbung für Enthaltsamkeit vor der Ehe und Treue danach ausrichtete.
Bis einschließlich 2005 war die HIV-Rate in Thailand 50 mal höher als auf den Philippinen. Und während einige Experten Thailand als Erfolgsgeschichte bejubeln, weil die Ansteckungsrate in Thailand schließlich vom vorherigen Niveaus sank, sagen andere Experten, es sei nicht erwiesen, dass der Katholizismus, der die philippinische Kultur durchdringt, zu einer geringen Ansteckungsrate mit HIV geführt habe.  

Katholizismus und HIV-Ansteckungsrate

Obwohl einige Experten zögern, die Effizienz von Programmen zu Enthaltsamkeit und zur Treue anzuerkennen, die von der katholischen Kirche beworben werden, würdigte ein 2005 im renommierten “British Medical Journal” erschienener Artikel ihren Erfolg:
"Je größer die Anzahl der Katholiken in einem Land ist, umso geringer ist die Zahl der HIV-Infizierten in diesen Ländern. Wenn die katholische Kirche eine Botschaft über HIV in diesen Ländern bewirbt, scheint dies zu funktionieren”, betonte der Artikel.
"Auf der Grundlage von Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO, sind in Swasiland, wo 42,6 Prozent der Bevölkerung HIV-infiziert ist, nur 5 Prozent der Bevölkerung katholisch. In Botswana, wo 37 Prozent der erwachsenen Bevölkerung AIDS hat, sind nur 4 Prozent der Bevölkerung katholisch. In Südafrika, sind 22 Prozent der Bevölkerung mit dem HIV-Virus infiziert, und nur 6 Prozent sind katholisch. In Uganda mit  43 Prozent Katholikenanteil in der Bevölkerung liegt der Anteil der HIV-Infizierten bei 4 Prozent.”
Dr. Green betonte in einem 2009 veröffentlichten Artikel ebenfalls, seine Unterstützung für Enthaltsamkeit und Treue resultiere nicht aus einer konservativen Weltsicht, sondern viel mehr aus einen Erfahrungen in Afrika und der Betrachtung der Ergebnisse.

"Ich bin ein aus Überzeugung liberal eingestellt, gehe nicht in die Kirche und habe in meinem Leben noch nie die [konservativen] Republikaner gewählt“, sagte er.
In seinem oben genannten Leitartikel über Afrika fügte er auch hinzu, es wäre falsch, die Politik und Ideologien über das Leben der Menschen zu stellen, besonders jene, die einem Risiko ausgesetzt sind. "Milliarden Dollar und das Leben von Männern, Frauen und Kindern werden aufs Spiel gesetzt, wenn die Trompetenstöße der Ideologie die Gesundheitspolitik bestimmen.”