Papstbiograf: Kirche in Deutschland sollte von "lebendigen Ortskirchen" in Afrika lernen

George Weigel
CNA/Petrik Bohumil

Die Kirche in Deutschland sei aufgerufen, der geoffenbarten Wahrheit und nicht dem Zeitgeist zu folgen, sagte George Weigel, Biograf des heiligen Papstes Johannes Paul II. und führender katholischer Gelehrter in den USA, in einem Gespräch mit der Catholic News Agency (CNA). Weigel reagierte in dem Gespräch auf die jüngsten Äußerungen des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, der den "Synodalen Weg" verteidigte.

CNA: Bischof Bätzing scheint einen schmalen Grat beschreiten zu wollen, um einerseits Rom treu zu bleiben und gleichzeitig denen nicht zu missfallen, die bereits "Reformen" ankündigen. Gibt es einen solchen Mittelweg? Wenn ja, wie sähe dieser Mittelweg realistischerweise aus?

Weigel: Die Frage ist nicht "Rom" gegen "Reformen". Es geht um die Treue zur Wahrheit des Evangeliums gegen die Treue zum Zeitgeist. Anders ausgedrückt: Die Frage, um die es auf dem deutschen Synodalen Weg geht, ist, ob die göttliche Offenbarung – über die Unauflöslichkeit der Ehe, über die dem Empfang der heiligen Kommunion angemesse Würdigkeit, über die richtige Ordnung unserer menschlichen Liebe – real ist und über die Zeit hinweg, in jeder kulturellen Situation, bindende Kraft hat. Darum ging es auch bei den Synoden von 2014, 2015 und 2018.

CNA: Bischof Bätzing sagt, der Synodale Weg sei bestrebt, "gerade das Thema gelingender Beziehungen in einer umfassenden Weise zu diskutieren, die auch die Notwendigkeit und die Grenzen kirchlicher Lehrentwicklung bedenkt. Die von der Glaubenskongregation heute vorgebrachten Gesichtspunkte müssen und werden selbstverständlich in diese Gespräche Eingang finden." Sind die Aussagen der Glaubenskongregation nur "Gesichtspunkte", über die man diskutieren kann, oder sind sie die Grundlage für eine Debatte?

Weigel: Wenn die Glaubenskongregation autoritativ spricht, wie sie es in der Frage tat, ob es für die Kirche möglich sei, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu "segnen", dann bietet sie keine "Gesichtspunkte" an, sondern spricht für die Wahrheit des katholischen Glaubens. Wenn Bischof Bätzing und andere in der deutschen Hierarchie diese Wahrheiten nicht akzeptieren, sollten sie die Ehrlichkeit haben, dies zu sagen. Wenn sie aber diese Wahrheiten akzeptieren, sollten sie den Mut haben, dies [ebenfalls] zu sagen.

CNA: Basierend auf dem Arbeitstext, ist die Charakterisierung von Bischof Bätzing zutreffend, wenn er sagt: "Die zentrale Frage ist: Wie können wir heute über Gott sprechen und zu einem tieferen Glauben kommen? Der Glaube kann wachsen und sich vertiefen, wenn wir uns von Ängsten und gedanklichen Verengungen befreien, wenn wir die Fragen stellen und nach Wegen suchen, wie die Kirche heute für die Menschen präsent sein kann."

Weigel: Die "zentrale Frage" ist jene, von welcher der Herr Jesus gesagt hat, dass sie es war, ist und immer sein wird: "Wenn der Menschensohn wiederkommt, wird er Glauben auf Erden finden?" (Lk 18,8) Natürlich muss die Kirche die Wahrheit des Evangeliums immer so verkünden, dass sie von den Menschen einer bestimmten Zeit und Kultur gehört werden kann. Das war es, was der heilige Paulus auf dem Areopag von Athen in der Apostelgeschichte zu tun versuchte, und das ist es, was das Zweite Vatikanische Konzil der Kirche heute aufgetragen hat: die Wahrheit so zu verkünden, dass sie gehört werden kann. Das Problem, das ich und viele andere haben, wenn wir Bischof Bätzing, seine gleichgesinnten bischöflichen Kollegen und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hören, ist, dass wir nicht die Stimme des Herrn, des Evangeliums oder der Wahrheit hören, sondern die Stimme der Postmoderne.

CNA: Würden Sie bestreiten, dass es Möglichkeiten für einen weiblichen Diakonat gibt? Kann der Diakonat von den anderen höheren Weihegraden getrennt werden?

Weigel: Wenn der Diakonat nicht Teil eines dreistufigen Weiheamts aus Episkopat, Presbyterium und Diakonat ist, dann ja, dann können Frauen Diakoninnen sein. Aber wenn der Diakonat nicht Teil dieses dreistufigen Weiheamts ist, dann wäre niemand, der auf die Weihe von Frauen zum Diakonat drängt, am Diakonat interessiert, denn diese Kampagne ist ein Vorwand für die Weihe von Frauen zum Priesteramt und schließlich zum Bischofsamt. Es ist eine Kampagne des Klerikalismus, denn sie scheint sich vorzustellen, dass die einzigen Katholiken, die wirklich zählen, diejenigen sind, die im Weiheamt sind. Das Zweite Vatikanum hat diese klerikalistische Ekklesiologie entschieden zurückgewiesen.

Tatsächlich halte ich es jedoch für eine feststehende Lehre der Kirche, dass der Diakonat, wie er im sechsten Kapitel der Apostelgeschichte geschaffen wurde, Teil des dreistufigen Weiheamts ist. Daher hat die Kirche keine Autorität, Frauen zum Diakon zu weihen, genauso wie sie keine Autorität hat, Frauen zum Priester oder zum Bischof zu weihen. Das wurde von Johannes Paul II. in Ordinatio Sacerdotalis endgültig festgelegt.

CNA: Meinen Sie, das folgende Zitat ist eine korrekte Auffassung davon, wie sich die katholische Lehre organisch entwickelt? "In Deutschland und in anderen Teilen der Weltkirche gibt es seit langem eine Diskussion darüber, wie man das Lehramt mit guten Argumenten weiterentwickeln kann – auf der Basis der Grundwahrheiten des Glaubens und der Moral, des Fortschritts der theologischen Reflexion und in einem Geist der Offenheit für die neuesten Ergebnisse der Humanwissenschaften und die Lebenssituationen der Menschen heute."

Weigel: Die "Grundwahrheiten des Glaubens und der Moral" beurteilen "den Fortschritt der theologischen Reflexion" und "die neuesten Ergebnisse der Humanwissenschaften". Diese Grundwahrheiten werden nicht von Theologen oder Praktikern der Humanwissenschaften beurteilt. Wenn das der Fall ist, ist das Ergebnis der liberale Protestantismus, und ich kann nicht verstehen, warum irgendjemand diesem traurigen Weg in die kirchliche Vergessenheit folgen möchte. Der heilige John Henry Newman lehrte die Kirche, dass es sieben Kennzeichen für eine authentische Entwicklung der Lehre gibt. Vielleicht ist eine neue deutsche Ausgabe von Newmans Essay on the Development of Christian Doctrine nötig?

CNA: Was werden Ihrer Meinung nach die Beiträge des deutschen Synodalen Wegs für die Kirche sein? Welchen Einfluss hat die Kirche in Deutschland auf die Welt? Welche Auswirkungen hat das für die Kirche, sowohl international als auch in den USA?

Weigel: Die deutsche Kirche ist ungeheuer großzügig in der Unterstützung der Arbeit der katholischen Kirche in der ganzen Welt, und sie sollte von der Erfahrung z. B. der lebendigen Ortskirchen in Afrika lernen, dass das Evangelium befreiend und nicht einschränkend ist. Wenn der deutsche Synodale Weg den Weg des Glaubensabfalls fortsetzt, wird er der gesamten Weltkirche eine Lektion darüber erteilen, was "Synodalität" nicht ist und nicht sein kann: eine Angelegenheit, bei der es darum geht, die Wahrheit der Offenbarung und den Inhalt des Glaubensschatzes durch einen "Konsens" zu entscheiden, der von einer manipulativen kirchlichen Bürokratie geschaffen wird, die sich dem Zeitgeist anpasst. Und das wird eine wichtige Lektion sein, die bei der Synode zur "Synodalität" im Jahr 2022 zu bedenken sein wird.

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