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Eine Provokation und biblische Wahrheit: Die Kirche ist die Braut Christi

Buchmalerei aus dem Kloster Eberbach, Rheingau. Das vom Mönch Thomas gemalte Bild zeigt "Christus und Ecclesia" und ziert einen Kommentar zum Hohenlied.

Liebe Schwestern und Brüder

Wir werden gleich nach der Predigt im Glaubensbekenntnis wieder sprechen: „Ich glaube an die ein, heilige, katholische Kirche?“ Wie können wir angesichts so vieler Sünden von Priestern und Bischöfen ehrlich diese Worte sprechen? Was ist gemeint mit Glauben an die heilige Kirche? Kann man diese Gemeinschaft heilig nennen? Fragen über Fragen! Wir wollen und müssen ehrlich sein. Und überlegen nicht viele überzeugte Christen zu Recht den Austritt aus dieser Gemeinschaft?

Ich antworte auf diese Fragen einfach einmal mit einer provozierenden Aussage des Neuen Testamentes: Die Kirche ist die Braut Christi. Wie kann das sein?

Paulus begründet die Forderung an die Männer, ihre Frauen zu lieben mit dem Hinweis, dass Christus die Kirche liebt und sich für sie hingegeben hat. Wörtlich fährt er dann fort:

„So will er die Kirche herrlich vor sich hinstellen, ohne Flecken oder Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos. (Eph. 5, 25-27) Also die entscheidende Aussage: Christus liebt die Kirche wie seine Braut.

Und in der Geheimen Offenbarung des Johannes heißt es: „Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.“ (Offbg. 21,2)

Wenn wir gut hinhören: Die Kirche wird heilig genannt, weil Christus sie liebt wie eine Braut. Christen verstehen Christus seit der Zeit der Apostel als Bräutigam, der seine Braut, die Kirche liebt und sich für sie hingibt.

Neulich sagte mir ein Freund: Ja – die Kirche ist die Braut Christi, die aber manchmal fremd geht. Ja – die irdische Kirche ist im Lauf der Jahrhunderte immer wieder fremd gegangen. Aber wir glauben – oder bitten um den Glauben, dass Christus seine Liebe zu ihr dennoch nicht aufgibt. Das ist eigentlich das Wunder, das wir glauben oder zu glauben versuchen.

Und wir müssen zurückschauen. Als Jesus Christus entsetzlich am Kreuz starb – wo waren seine Jünger, der Anfang der Kirche? Sie waren geflohen. Als Christus von Pilatus verhört wurde, hat einer der Apostel gebrüllt: Er ist unschuldig? Als Jesus im Ölgarten verhaftet wurde, wohin sind die Apostel verschwunden? Weg waren sie! Die Geschichte der Kirche fing also an mit Versagern. Und sie blieb durch alle Jahrhunderte eine Gemeinschaft von Versagern. Aber sie blieb die Braut Christi, weil Christus um sie warb, sie liebte, sie in seine Arme schließen wollte und immer noch will.

Vielleicht sind wir in diese unsere schreckliche Kirchenzeit gekommen, um herunterzusteigen von unserem falschen Aussichtsturm auf die Kirche. Sie ist keine Gemeinschaft von Heiligen, sondern eine Gemeinschaft von Sündern. Sie ist eine Gemeinschaft von Sündern, die Christus liebt. Das ist das Wunder, das wir glauben dürfen.

Freilich sind die einzelnen Mitglieder der Kirche immer wieder gefragt, ob sie sich ihrer Sünden bewusst sind. Das gilt genauso und erst recht für die Amtsträger. Können sie ehrlich sagen: Herr ich bin nicht würdig, dass du einkehrst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Christsein und Mitglied der Kirche zu sein, bedeutet: Umkehren, sich seiner Sünden bewusst sein, sie bekennen und mit Vertrauen auf den Herrn neu anfangen. Christsein ist eine Umkehrbewegung.

So wie wir in der neusten Zeit gelernt haben, dass wir in Sachen Umwelt umkehren müssen, so wissen Christen, dass sie ihr Leben lang umkehren müssen. Und es weiß die ganze Kirche, dass sie umkehren muss. Daher beginnen wir die Messe mit dem Schuldbekenntnis. Christus sagt ja auch von sich selbst: Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu berufen, sondern Sünder.

Grundlage des Christseins ist der Glaube an die Liebe Christi, der die Gemeinschaft seiner Freunde in sein Herz geschlossen hat. Kirche sind nicht die Amtsträger, sondern die Gemeinschaft der Glaubenden. Daher hat das zweite vatikanische Konzil vor 50 Jahren auch den Begriff eingeführt: Kirche ist Volk Gottes. Aber ein Volk, das vom Heiligen Geist geführt wird und nicht durch demokratische Mehrheiten. Und der heilige Geist wirkt nicht nur in Amtsträgern, sondern in allen Christen. Sie müssen auf den Geist hören, auf ihn horchen. Sie müssen schweigen und warten, um den Geist zu hören. Das ist es, was Papst Franziskus mit dem Weltweiten Synode will: Er will, dass alle Christen rund um den Globus horchen und dann sagen, was der Geist ihnen eingibt. Es ist nicht Theologie, nicht Demokratie, sondern Lauschen auf den Geist. Und der Geist spricht auch z.B. in den Frauen hoch in den Bergen von Peru und in den Arbeitern in den Bergwerken Indiens.

Und wenn wir auf die geistliche Geschichte der Kirche schauen, dann sind es in der Mehrzahl Laien, die die Erneuerungsbewegungen in der Kirche in Gang gesetzt haben. Ich nenne einmal die Gründerin der Focolarini Chiara Lubich, an Madeleine Delbrèl, an Mutter Teresa, an Charles de Foucauld, der demnächst selig gesprochen werden wird. Ich könnte noch viele nennen.

Aber in dem Volk Gottes gibt es eben auch eine Leitungsordnung. Für Jesus Christus waren nicht alle seine Anhänger gleich. Die zwölf Apostel waren besondere Beauftragte. Sie bekamen besondere Verantwortung, wurden mehr zur Rechenschaft gezogen. Jesus nannte Petrus Satan, als Petrus Jesus von seinem Weg abbringen wollte. Er war wohl mit niemandem so streng wie mit Petrus. Nur mit den Zwölfen hat Jesus dann das Abendmahl gefeiert. Nur sie hat er beauftrag mit den Worten: Geht hinaus in die ganze Welt. Die Mutter Jesu und die anderen Frauen, die ihm bis unters Kreuz gefolgt waren, waren eben beim letzten Abendmahl nicht dabei. Das mag uns wundern, vielleicht ärgern. Aber wir können uns Jesu Vorstellungen nicht zurechtbiegen. Die Zwölf Apostel waren gleichsam die neuen zwölf Stämme Israel. Jesus wollte den Bund Gottes mit den Menschen in der Struktur des Alten Bundes fortsetzen. Und so hat es die Kirche von Anfang an verstanden. Wer im Zentrum oder an der Spitze der Gemeinde stand, hatte auch eine besondere Verantwortung, war besonders in die Pflicht genommen. Und keiner konnte und kann selbst entscheiden, ob er Priester oder Bischof wird. Er musste von den Vorgängern zugelassen werden. Man macht sich nicht selbst zum Amtsträger, sondern wird dazu berufen. Auch die zwölf Apostel haben sich nicht selbst bei Jesus angemeldet, sondern Jesus hat sie aufgefordert, in seinen Kreis zu kommen. Kirche ist kein Verein, in den man sich autonom anmelden kann, sondern in den man durch die Taufe aufgenommen wird. Und zur Taufe kann man sich nur anmelden, aber muss zugelassen werden.

Es ist für moderne Menschen, die demokratische Strukturen kennen und lieben, nicht so ganz einfach, das Gebilde katholische Kirche zu verstehen. Vielleicht hilft am besten der Gedanke: In den Kreis der Menschen, die Jesus in seine Arme schließt, kann man sich nicht anmelden, um mitbestimmen zu können. Jesus ist es, der die Initiative ergreift und wir dürfen uns in seine Arme aufnehmen lassen, dann sind wir Mitglieder der Kirche. Amen

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Pater Eberhard von Gemmingen SJ war von 1982 bis 2009 Redaktionsleiter der deutschen Sektion von Radio Vatikan. 

 

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